Auf den ersten Blick wirkt das HATHORS-Album „Brainwash“ wie ein verschollenes Sub Pop-Release. Verschwitzte Körper auf einer Bühne, in Schwarzweiß fotografiert. Und tatsächlich ist das Trio aus der Schweiz nicht weit entfernt vom Grunge-Sound der Neunziger, angereichert mit Noise, Punk und Hardcore. Sänger und Gitarrist Marc Bouffé, der im Folgenden auf meine Fragen antwortet, hat lange als Informatiker gearbeitet und seinen Server immer Hathor genannt. Das ist der Name einer Göttin aus der ägyptischen Mythologie, die für die Kunst, aber auch für den Tod steht – und die Hathors waren die Künstlerlehrlinge im Tempel.
Wie alt wart ihr, als 1991 „Nevermind“ von NIRVANA herauskam?
Oh, da war ich gerade mal fünf Jahre alt. Und die anderen waren sieben oder acht. Ich war auf jeden Fall noch ein Kind. Daran kann ich mich nicht mehr wirklich erinnern.
Welche Bands aus den Neunzigern sind euch wichtig?
Da gibt es eine ganze Menge. SOUNDGARDEN, MELVINS oder PIXIES waren schon Riesendinger für uns. Natürlich auch NIRVANA oder SONIC YOUTH. Das waren die Bands, die wir uns angehört haben. Die haben wir entdeckt, als wir 13 oder 14 Jahre alt waren und damals hat uns das total geflasht. Wir haben alle Sub Pop-Bands abgecheckt und da waren dann auch Bands wie MUDHONEY oder TAD dabei.
Wie seid ihr auf diese Bands gestoßen? Wie habt ihr die entdeckt?
Damals gab es bei uns noch MTV und da liefen ständig Clips zu dieser Musik. Egal, ob das ALICE IN CHAINS, NIRVANA oder PEARL JAM waren. Und dann haben wir eben weiter geforscht. So sind wir recht schnell nach Seattle geraten und auf die entsprechenden Labels gestoßen.
Das war ja um die Jahrtausendwende. War da MTV nicht schon tot?
Bei uns in der Schweiz war das immer noch ziemlich präsent. Das Einzige, was bei uns neu aufkam, war der Stoner-Rock. Und natürlich dieses ganze Crossover- und Nu-Metal-Zeug mit LIMP BIZKIT und LINKIN PARK. Neben RAGE AGAINST THE MACHINE haben uns davon aber nur wenige Bands interessiert. Wie haben uns eher für diesen rohen, ungehobelten Seattle-Sound interessiert. Für uns in der Schweiz war dieses Grunge-Ding damals immer noch sehr präsent.
Ihr habt also eure Musik nicht über den Plattenschrank entdeckt, sondern übers Musikfernsehen?
Meine Eltern waren in den Sechzigern jung. Natürlich kenne ich deshalb auch LED ZEPPELIN, die BEATLES und die ROLLING STONES. Aber die haben irgendwie die Neunziger verpasst. Das war mir nicht dreckig genug.
Ihr kommt aus Winterthur. Welchen Stellenwert hat die Stadt in der Schweizer Musikszene?
Was Rockmusik angeht, hat die Stadt einen sehr guten Stellenwert. Wir haben nicht allzu viele Clubs, aber dort läuft ziemlich viel Rock. Zum Beispiel im Salzhaus oder im Gaswerk. Dort werden eine Menge coole Bands gebucht. Und die Bandszene ist auch ziemlich gut. Alle Bands kennen sich und pushen sich. Man hilft sich beim Recording oder beim Booking. Dafür ist Winterthur in der Schweiz ziemlich bekannt, dass es bei uns ziemlich gut funktioniert.
Zum Salzhaus habt ihr eine ganz besondere Beziehung, oder?
Das Salzhaus war der erste Club, der uns regelmäßig in Winterthur gebucht hat. Die Releaseparty für unser neues Album haben auch dort gefeiert und dafür das Künstlerkollektiv „A kaleidoscope of nothingness“ engagiert. Die haben die ganze Location samt Bühne für uns dekoriert.
Bisher habt ihr eure größten Erfolge eher in Frankreich gefeiert. Wie kam das?
In Frankreich haben wir schon auf einigen sehr coolen Festivals gespielt, wie das Les Eurockéennes. Wir hatten ein Label aus der Westschweiz, das gute Verbindungen nach Frankreich pflegt. Wir haben vor ein paar Jahren ein Showcase gespielt, bei dem zwei, drei Booker und Radiomacher aus Frankreich da waren, und dadurch haben sich uns eine Menge Möglichkeiten eröffnet.
Euer Debütalbum wurde ja sogar in Frankreich noch einmal wiederveröffentlicht.
Genau. Das kam über Season of Mist in Zusammenarbeit mit einer Booking-Agentur noch einmal heraus. Das lief erstaunlich gut. Frankreich ist seitdem ein ziemlich gutes Pflaster für uns.
Das erste Album habt ihr ja komplett in Eigenregie produziert. „Brainwash“ wurde in Winterthur aufgenommen und in New York gemischt. Warum?
Wir haben das Album in unserem eigenen Proberaum aufgenommen und geholfen hat uns dabei unser Live-Mischer Jean-Claude Pache. Das lief sehr gut und hat uns quasi nichts gekostet. Dann haben wir die Aufnahmen zu John Agnello nach New York geschickt, den hatten wir vor vier Jahren bei einem Festival kennen gelernt. Zuerst war geplant, nach New York zu fliegen und dort alles aufzunehmen, aber dafür hatten wir einfach kein Geld. Also war es die optimale Lösung, in der Schweiz ohne Zeitdruck aufzunehmen und dann alles nach Übersee zu schicken. Und wir finden den Mix sehr cool.
John Agnello kennt man als Produzenten von SONIC YOUTH, DINOSAUR JR. oder TURBONEGRO. Ist es nicht ungewöhnlich, dass er sich auf so einen Deal einlässt?
Das war kein Problem. John hat mir immer die Tracks per Mail geschickt, dann haben wir ein paar Kleinigkeiten geändert und das ging ziemlich unkompliziert. Aber es waren sehr harte Nächte, weil ich tagsüber arbeiten musste.
Was macht ihr beruflich?
Ich arbeite bei einem Vertrieb für Gitarren-Amps und Studio-Equipment. Unser Bassist Terry verdient sein Geld zu 80% in einem Musikshop und der Drummer Marcel hat einen ganz normalen Bürojob. Wir haben das so geregelt, dass wir zweimal unter der Woche nachmittags proben können. So können wir neben der Band einigermaßen unsere Rechnungen bezahlen.
Und der Deal mit Noisolution ist für euch der nächste Schritt?
Das ist auf jeden Fall gut für unseren Bekanntheitsgrad in Deutschland, da hatten wir bisher noch keine Veröffentlichung. Deutschland ist ein ziemlich großer Markt. Und Noisolution ist ein sehr cooles Label, zu dem wir auch hervorragend passen, was den Sound betrifft, finde ich. Und auch menschlich passt es. Das gibt uns ein gutes Gefühl und so kann es auch gut funktionieren.
Was ist für Herbst 2015 bei euch geplant?
Wir schreiben gerade neue Songs. Und ab September wollen wir dann Konzerte in Deutschland, Schweiz, Frankreich, Holland und England spielen. Wenn möglich, wollen wir einen ganzen Monat mit der neuen Platte auf Tour gehen. Bis dahin gibt es hoffentlich genug neue Tracks, die wir dann im Dezember aufnehmen könnten.
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