Für die Eingeweihten gehören die GUITAR GANGSTERS zu den wirklich herausragenden Vertretern verpoppten britischen Punks der späten 80er, die sich nicht hinter Bands wie THE CLASH, THE BOYS, GENERATION X oder THE JAM zu verstecken brauchen. Bereits seit 1979 treiben die Brüder Pete und Phil Ley in der britischen Punkszene ihr Unwesen, aber bevor sie 1991 ihr Debütalbum „Prohibition“ veröffentlichten, gingen einige Jahre ins Land und es wurden dabei diverse Bandnamen verschlissen. Zahlreiche Longplayer sind dabei im Laufe der Zeit zusammengekommen, von denen bereits einige restlos vergriffen sind, soweit sie nicht von Captain Oi! veröffentlicht wurden, darunter auch die im letzten Jahr erschienene „Best Of“-CD „Razor Cuts“. Und Anfang diesen Jahres haben die Altpunks aus dem Norden Londons mit „Badge Of Honour“ sogar ein ganz neues Studioalbum veröffentlicht, mit ihrer gewohnten Mischung aus flottem 70s-Punkrock, etwas Glam und einer kleinen Prise Reggae, allerdings nicht mehr bei Captain Oi!, sondern auf dem Essener Label RilRec. Eigentlich eine Schande, dass die GUITAR GANGSTERS bisher eher als Fußnote des Genres beziehungsweise als Geheimtipp galten, aber vielleicht kann „Badge Of Honour“ in dieser Hinsicht ja endlich für Abhilfe sorgen.
Es scheint so, als ob sich bei euch gerade alles verändert hat. Oder wie seht ihr das?
Durch die letzte Tour im Mai 2008 zusammen mit den LURKERS und TV Smith sind wir wieder in Fahrt gekommen. Wir hatten dort einige großartige Konzerte und kamen mit einer Menge Songideen zurück und einem runderneuerten Verständnis dafür, warum wir das alles tun! Es dauerte aber doch noch sechs Monate, um die Songs zu schreiben. Captain Oi! hat fünf von sieben GUITAR GANGSTERS-Studioalben herausgebracht, aber sich nun entschieden, alle neuen Veröffentlichungen zu stoppen, zumindest momentan, wegen der ökonomischen Probleme in England. Wir wollten das Album aber trotzdem aufnehmen. Glücklicherweise stellte uns Billig People Booking dem fantastischen deutschen Independentlabel Rilrec vor, und es machte auch hundertprozentig Sinn, mit einem deutschen Label weiterzuarbeiten, da wir in Deutschland deutlich mehr Beachtung bekommen als im UK. Ich bin mir sicher, es war die richtige Entscheidung, und die neue CD bekommt ja jetzt schon Publicity und Airplay. Wir danken Captain Oi! für das Vertrauen, das sie bis jetzt in uns gesetzt haben, aber vielleicht sind es ja jetzt genau die richtigen Leute am richtigen Ort, die auch den Markt für Punk-Musik in Deutschland verstehen. Es ist genau das, was drei alte Männer eben brauchen – wir fühlen uns wieder wie 21!
Ihr seid also total zufrieden mit der neuen Situation. Trotzdem finde ich, dass ihr euch weiterentwickelt habt. Die neue CD wirkt ausgereifter, und wenn man sie mit früheren Sachen wie „Skweeler“ vergleicht, sehe ich da deutliche Unterschiede in der Songstruktur und natürlich auch in der Produktion.
Ich denke, dass wir alles einfacher gehalten haben. Die Produktion hat sich auch enorm verbessert, ich liebe einfach die Power dieses Albums, und ich weiß, dass wir das in der Vergangenheit nicht immer richtig gehandhabt haben. Wir haben Songs auf früheren Alben, die, wie ich denke, brillant sind, aber der Sound ist so schlecht, dass ich die einfach nicht anhören kann. „Badge Of Honour“ ist das Album, das wir schon vor Jahren hätten schreiben sollen.
„Badge Of Honour“ – ist es das, was ihr denkt, verdient zu haben?
Eigentlich schon, ja! Aber nicht nur wir – jeder, der glaubt, er hat Dinge genau so getan, wie er sie immer tun wollte, und sich nicht von solchen Leuten hat abschrecken lassen, die eigentlich wenig tun, aber denken, sie wissen alles ganz genau. Dieses Leben ist kein Probelauf, also sollte man besser weitergehen, auch wenn man bei einigen Versuchen scheitert ... Es ist immer besser, gekämpft und mal verloren zu haben, als nie gekämpft zu haben.
Die Themen des neuen Albums reichen ja von schwarzem Humor wie bei „I don’t wanna die“ bis zu einem ziemlich persönlichen Song wie „I am that man“ – ist da ein Unterschied zu den vorherigen Alben?
Ich denke mal, das ist es. Wir haben es immer vermieden, zu ernst zu sein. Aber jetzt fließen vermehrt persönlichere Themen in die Songs ein. Das zeigt irgendwie, an welchem Punkt wir angekommen sind, nachdem wir das alles schon so lange machen.
Du meinst also, ihr seid an einem Punkt angelangt, an dem ihr langsam zu alt seid, um in einer Punkband zu spielen?
Ich bin erst zu alt, wenn ich meine Marshall-Box nicht mehr selbst aus dem Tourbus heben kann! Nein, nicht zu alt, es bedeutet nur, wir erkennen, wo wir im Leben angekommen sind. Wir realisieren, dass es, nach all der ganzen Zeit, das ist, was wir sind, und wir sind eigentlich ziemlich glücklich damit. Es mag nicht perfekt sein, aber es ist alles selbstbestimmt, inklusive aller Fehler.
Und warum, denkst du, seid ihr immer noch eine Art Untergrundband? Ihr habt geile Songs und jedes Mal, wenn ihr auf Tour seid, zumindest hier in Deutschland, sind die Leute überwältigt von eurer Bühnenpräsenz ...
Ich weiß nicht, warum wir es nicht besser gemacht haben. Ich beschwere mich aber nicht, denn wir sind immer noch sehr froh darüber, was wir tun. Wir kannten vielleicht nicht die richtigen Leute oder waren am richtigen Ort, wenn es darauf ankam. Aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass sich das bald ändert. In England ziehen wir eine Menge Leute, vor allem im Norden. Aber in London spielen wir vier oder fünf Shows im Jahr, gerade so viele, dass die Leute merken, dass wir noch am Leben sind.
Viele Bands, die zum ersten Mal nach Deutschland kommen, sind überrascht über die Zustände hier, verglichen mit denen in England. Wie läuft es denn genau in England in Sachen Punkrock?
In England gibt es keine echte Punkrock-Szene, das kann ich schon mal sagen. Es gibt die üblichen Festivals jedes Jahr, die womöglich nur die erste Generation der Punk-Fans reizen, und vielleicht noch die zweite Welle aus den 1980ern, aber es gibt hier kein jüngeres Publikum. Die Mentalität ist komplett anders verglichen mit Deutschland, wo es Platz für alle Arten von alternativer Musik zu geben scheint. In Deutschland sehen die Punk- und Rock’n’Roll-Styles nicht aus wie etwas , das ins Museum gehört, und Punk zieht Leute aller Altersgruppen an – das haben wir in England einfach nicht. Auf dem Rebellion Festival oder wie auch immer es dann nächstes Jahr heißen wird, rollen sie wieder und wieder dieselben alten Bands auf und mit Sicherheit wird wieder dieselbe alternde Menge dort aufkreuzen, aber möglicherweise dann ein paar weniger wegen der „natürlichen Auslese“. Ihr mögt vielleicht nicht so denken, aber ihr seid sehr glücklich dran, so eine großartige Live-Musikszene zu haben, und wir sind privilegiert, gelegentlich ein Teil davon sein zu dürfen.
Ihr tourt bereits seit mehr als 20 Jahren. Wird das nicht irgendwann mal langweilig?
Langweilig? Mit Gefahr und Spannung an jeder Ecke? Du weißt nie, was als Nächstes passiert, wen du kennen lernen wirst und wie das nächste Konzert wird. Okay, im Bus Stunde um Stunde rumzusitzen, ist doof, aber die Chance zu haben, deine eigenen Songs in einer Menge anderer Länder zu spielen, ist grandios! Wir laden sogar gern unser Equipment ein und aus. Vielleicht ist es das ruhige Leben, das wir zu Hause führen, was auf Tour gehen so aufregend macht.
Denkst du, es ist mal an der Zeit, ein Buch über all das Erlebte zu schreiben?
Es gibt definitiv genug Material für ein Buch, vielleicht ein zwei- oder gar zwölfwöchiges Seriendrama! Das Problem ist nur, die Hälfte der Sachen, die passiert sind, sind entweder zu dumm und unbedeutend oder zu verrückt, um sie glauben zu können. Steve hat ein paar großartige Tourberichte geschrieben und ich auch ein paar. Wenn wir alle zusammenpacken würden, hätten wir garantiert eines Tages ein Buch draußen.
Gehst du gelegentlich aus, um dir neue Bands anzuschauen? Gibt es denn in London zumindest eine kleine Punkrock-Szene?
Um ehrlich zu sein, wir kriegen in London nicht viele Bands zu sehen, einerseits weil nur sehr wenige Clubs Punkrock-Shows anbieten, andererseits weil wir Familie haben und auch Zeit zu Hause verbringen, wenn wir nicht GUITAR GANGSTERS-Zeug machen. Es gab mal eine Zeit, als man jedes Wochenende zu einem Konzert in einem Club oder Pub gehen konnte, da gab es immer gute Punk- oder Rock’n’Roll-Bands, die gespielt haben. Aber diese Zeiten sind lange vorbei. In den 1980ern gab es eine großartige kleine Gemeinschaft von Bands, die so Zeug wir wir gespielt haben, und wir sind alle los und haben uns gegenseitig bei unseren Konzerten zugeschaut, aber irgendwie sind alle außer uns erwachsen geworden und haben sich vernünftigere Hobbys gesucht. Keiner unserer Freunde spielt noch in irgendwelchen Bands und sie denken, es ist wirklich witzig, dass wir immer noch weitermachen! Aber wir sind eben noch nicht reif für Pfeife und Pantoffeln! Aber wie auch immer, es gibt keine „Szene“ hier, jeder hängt vor seinem Computer rum und fummelt an seinem Facebook-Profil oder was auch immer, anstatt ein echtes Sozialleben aufzubauen. Andere Städte in England mögen da anders ein, aber in London kannst du nicht irgendwo hingehen und eine Punkband sehen. Vielleicht findest du einige der bekannteren Punkbands in einem der größeren Clubs in London, aber alle anderen sind Popstar-Wannabes, die versuchen, das nächste große Ding zu werden.
Denkst du daran, mal ein Soloprojekt zu starten? Wie wird die Zukunft der GUITAR GANGSTERS in deinen Augen aussehen?
Eigentlich kann ich doch die meiste Zeit über mit Phil und Steve die Musik machen, die ich machen möchte. Es ist also überhaupt nicht so, dass ich mich in irgendeiner Art und Weise eingeschränkt fühle. Vielleicht schreibe ich mal Songs nur für eine Akustik-Show, anstatt dann nur die GUITAR GANGSTERS-Songs leise zu spielen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, mal in einer anderen Band zu spielen. Eigentlich kann ich mir nicht im Geringsten vorstellen, wie es wäre, wenn ich nicht bei den GUITAR GANGSTERS spielen würde! Die Zukunft kann also kommen, in einem Rollstuhl mit einer Les Paul auf meinen Knien – nur irgendjemand muss mir dann die Marshall-Box auf die Bühne tragen, haha!
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