Wenn man auf dem Land aufgewachsen ist, kennt man solche Typen aus der Schnapsbar bei der Kirchweih. Da wo der Fußballverein großzügig ausschenkt. Typen mit ausgewachsenen Scheiteln und Jeanskutte, auf die sich der eine oder andere Patch einer Heavy-Metal-Band verirrt hat. GRILLMASTER FLASH aka Christian Hesemann ist so ein Typ. Grilli, wie ihn seine Freunde nennen, kommt aus dem Stadtteil Blumenthal in Bremen-Nord und schreibt ganz wunderbare Hymnen für Normalos. Amerikanischer Songwriter-Rock aus der norddeutschen Provinz. Songs übers Scheitern, Autos, alte Bekannte oder die Nachbarschaft. Für sein drittes Album „Komplett Ready“ hat er ein völlig wahnwitziges Promo-Konzept ausgeheckt und mit seinem Label Grand Hotel van Cleef eisenhart durchgezogen.
Du kommst ja eigentlich aus der Punk-Szene und hast in Bands mit so lustigen Namen wie HOBBY UND TENERIFFA oder BADEMODEN MIT SPITZEN gespielt. Erzähl doch mal von deinen Anfängen als Musiker.
Ich komme überhaupt nicht aus der Punk-Szene. So was gibt es in Bremen-Nord gar nicht. Obwohl, gab es glaube ich schon, aber da war ich auf jeden Fall nicht dabei. Ich habe zwar in Punkbands gespielt, aber wir waren nicht Teil einer Punk-Szene. Das war ja auch schon Ende der Neunziger. HOBBY UND TENERIFFA waren meine zweite Band, die habe ich mit dem damaligen Gitarristen gegründet. Der Bandname kommt daher, dass wir beide Fahrräder von Hercules hatten, meins hieß eben Teneriffa und seins Hobby. Wir wussten lange Zeit nicht, wie wir unsere Band nennen sollen, und haben sie dann nach unseren Fahrrädern benannt.
Wie kam dann der Umstieg zum Singer/Songwriter?
Ich habe für die meisten meiner Bands die Songs geschrieben. Da waren immer wieder welche dabei, die nicht zur Band gepasst haben. Deshalb habe ich irgendwann mit GRILLMASTER FLASH angefangen, indem ich 2006 im Keller eines Kumpels vier Songs aufgenommen habe, die ich für nichts anderes verwenden konnte. Mit denen habe ich aber nichts weiter gemacht. Irgendwann haben sich dann alle meine Bands aufgelöst und ich bin irgendwie übrig geblieben. Dann habe ich mich entschieden, GRILLMASTER FLASH zu machen. 2008 hatte ich dann meine erste Begleitband und die hieß eben BADEMODEN MIT SPITZE.
Ich habe von legendären Auftritten in Kapitänsuniform oder Militär-Outfit gelesen.
Wir haben uns eigentlich nur verkleidet. Bei einem Auftritt haben wir uns als Filmstars verkleidet und ich stand als Rambo auf der Bühne. Das war ziemlich albern, aber auch ganz gut. Ich glaube aber, das mache ich nicht noch mal. Außerdem haben wir in Bremen-Nord beim Hafengeburtstag gespielt, da haben wir natürlich auch Seemannsklamotten angezogen und unsere Bassistin hat Krabben gepult.
Obwohl GRILLMASTER FLASH dein Soloprojekt ist, klingen die Songs wie von einer richtigen Band.
Erst mal ist es ein fürchterlich schlechter Bandname, von dem ich jetzt aber leider nicht mehr wegkomme. GRILLMASTER FLASH ist für mich schon immer ein Solo-Projekt gewesen, und wenn ich mit einer Band spiele, dann kündige ich die immer zusätzlich an. Also damals GRILLMASTER FLASH UND BADEMODEN MIT SPITZE oder jetzt eben GRILLMASTER FLASH UND THE JUNGS. Das ist meine aktuelle Live-Band, mit der ich auch schon seit fünf Jahren arbeite. Das sind alles Kumpels aus der Nachbarschaft. Ich schreibe immer wieder mit anderen Leuten Songs, zum Beispiel mit unserem ersten Keyboarder Matthias Hilbig. Oder auch mit unserem jetzigen Gitarristen Max zur Jacobsmühlen. Das hat sich also alles schon ein bisschen aufgeweicht. Ich bin jetzt nicht so eitel, dass ich sage, ich kann alles alleine machen.
Die ersten beiden Songs auf deinem neuen Album, „Wo ich jetzt bin“ und „Albtraum“, klingen ein bisschen wie eine Abrechnung mit Hatern. Wie gehst du damit um, wenn Leute im Publikum deinen Humor nicht teilen?
So interpretiere ich diese Songs nicht. Hater interessieren mich überhaupt nicht. Die gibt es bestimmt, aber die sind mir total egal. Ich lebe auch ein bisschen davon, dass Leute nicht gut finden, was ich mache. Ich befinde mich momentan an einem Punkt, wo ich mich selbst nach vorne schiebe und sage: Ist doch eigentlich ganz gut, was du machst. Für mich sind das Gute-Laune-Songs, aber natürlich sind sie auch selbstreferentiell, das stimmt. Ich habe auf jeden Fall keine Wut in mir, sagen wir es einfach mal so. Immer wenn ich eine Platte veröffentlicht habe, habe ich fast nur Verrisse bekommen. Es kam selten vor, dass mal jemand geschrieben hat, es wäre ein richtig gutes Album, haha. Verrisse sind in meinen Augen ja eher gut, weil ich Musikjournalismus und Plattenrezensionen generell schwierig finde.
Ein anderer Song, „Da geht die Nachbarschaft“, behandelt Gentrifizierung. Hast du selbst negative Erfahrungen damit gemacht?
Ich musste auch schon zweimal aus Wohnungen raus, weil die saniert wurden und ich sie dann nicht mehr bezahlen konnte. Da kann man leider gar nichts machen. Ich finde, das ist auf jeden Fall ein wichtiges Thema unserer Zeit, obwohl ich eigentlich keiner bin, der oft über gesellschaftliche Themen singt. Das war nie so mein Ding, aber dieses Thema wird ja noch länger ein Problem bleiben. Das ist ja auch keine Randerscheinung.
Dein neues Album „Komplett Ready“ ist eingebettet in ein wahnwitziges Promo-Konzept. Aufgebaut auf der Story, dass du die Veröffentlichung verschieben musstest, weil der Laster vom Presswerk zu lange in der Sonne stand und alle Platten geschmolzen sind.
Wenn man ein bisschen Aufmerksamkeit für seine Platte erregen will, muss man sich eben was einfallen lassen. Deshalb gab es statt dem vorbestellten echten Album erst mal das rein digitale Ersatzalbum „Listen & Delete“, das ich in nur wenigen Tagen zu Hause aufgenommen habe. Es gibt aber noch mehr Quatschideen. Zum Beispiel gibt es in einem Special-Bundle eine goldfarbene Actionfigur von mir oder ein cooles Grilli-Jugendmagazin im Stil der Bravo. Das ist alles selbstgemachter Kram, der viel Zeit gefressen hat, also keine Sachen, die wir einfach irgendwo bestellt haben. Klaas Wurtmann, der auch das Artwork fürs Album entworfen hat, hat am Laptop ein 3D-Modell von mir aus diversen Fotos erstellt. Die Figuren haben wir dann auf drei verschiedenen 3D-Druckern ausgedruckt, denn das dauert jeweils sechs oder sieben Stunden. Wir wurden dann auch von der Nachfrage überrascht. Ursprünglich haben wir mit dreißig Stück gerechnet, jetzt sind es aber viel mehr. Deshalb laufen diese Drucker Tag und Nacht. Irgendwie ganz cool.
Beim Filmfest in Bremen lief außerdem ein 18-minütiger Kurzfilm namens „Grilli gib(t) nicht auf!“, bei dem du Hauptdarsteller und Regisseur bist.
Mein alter Schulfreund Florian Vey, der inzwischen Drehbuchautor ist, hatte die Idee für eine Dramedy-Serie über und mit GRILLMASTER FLASH. Mit sieben Folgen à 15 Minuten. Wir erzählen die Geschichte von Grilli auf dem Weg nach etwas weiter oben. Mit Musik von mir, die dann im besten Fall mit einem eigenen Soundtrack-Album zur Serie erscheint. Wir haben dann angefangen, zusammen den Serienplot zu schreiben. Das Buch für die erste Folge konnten wir durch ein Stipendium von Nordmedia letztes Jahr umsetzen. Ich habe dann ein paar Stunden Schauspielunterricht genommen, weil ich das ja nicht gelernt habe, aber die Hauptrolle spiele. Letzten September haben wir gedreht, und das Ergebnis wurde im Rahmen des Filmfests in Bremen gezeigt. Der Plan ist jetzt, die ganze Serie an interessierte Web-Formate oder Sender zu verscherbeln, damit wir die restlichen sechs Folgen der Staffel auch schreiben und produzieren können. Davon hängt auch ab, ob es diese Serie überhaupt geben wird.
Wie hat sich dein Sound im Laufe der Jahre verändert? „Komplett Ready“ klingt ja schon sehr poppig.
Mein erstes Album „Andere Leude My Ass“ war noch klassische Rockmusik. Mein Songwriting ist zumindest aus meiner Sicht immer gleich geblieben, aber ich wollte tatsächlich alles ein bisschen poppiger haben. Vielleicht wie in den Eighties. Ich finde auch, dass der neue Sound dem Album sehr gut steht.
Was machst du, wenn du keine Musik machst? Reicht GRILLMASTER FLASH für den Lebensunterhalt?
Seit meinem zweiten Album „Stadion“ kann ich von GRILLMASTER FLASH ganz gut leben. Zwischendurch hatte ich noch in einer Kneipe gejobbt, einen anderen Beruf hatte ich aber nicht. Eigentlich bin ich studierter Pädagoge, habe aber den Job nie richtig ausgeübt. Eine Zeitlang habe ich in Kitas gearbeitet, aber nie lange. Parallel habe ich schon immer Musik gemacht, und irgendwann habe mich dann ganz aufs Künstlerdasein konzentriert.
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