GET DEAD rotzen seit mehr als zehn Jahren saubersten Streetpunk auf die Bretter. Die Jungs aus San Francisco haben gerade ihr neues, fünftes Album „Dancing With The Curse“ veröffentlicht, wieder auf Fat Wreck Chords. Ox-Kollege Frank Weiffen schreibt in seinem Review sogar, sie seien derzeit besser als RANCID. Kann man so sehen. Über dieses Album habe ich jetzt mit Leadgitarrist Mike McGuire gesprochen – außerdem über Corona, HipHop-Beats und Murmeltiere.
Es ist ein außergewöhnliches Jahr, so viel steht fest. Wie hat euch die aktuelle Situation bislang getroffen – musikalisch, aber auch in anderen Lebensbereichen?
Neben dem Offensichtlichen, und zwar dass wir mit dem neuen Album einfach nicht durch die Welt touren können, hat mich das wirklich ganz schön ins Stolpern gebracht. Auf der anderen Seite konnte ich in dieser Zeit deutlich mehr schreiben und auch im heimischen Studio viel mehr aufnehmen.
Kommen wir direkt zu eurem neuen Album. Wenn du es in sieben Worten beschreiben müsstest, was würdest du sagen?
The best fucking work we’ve ever done!
Das sind eigentlich acht Wörter. Aber auch ich finde das Album bärenstark. Und ich bin der Meinung, vor allem der Titel passt perfekt in unsere aktuelle Zeit und in das Jahr 2020. Nur ein paar Schlagworte: Trump, COVID-19, die Proteste um George Floyd. Mit den Aufnahmen für „Dancing With The Curse“ habt ihr allerdings schon vor zwei Jahren begonnen. Stand der Name damals denn schon fest?
Oh nein! Wir haben den Titel während der Aufnahmen so oft geändert. Erst kurz vor Erscheinen haben wir uns schließlich auf „Dancing With The Curse“ geeinigt. Sam King, unser Sänger, kam damit um die Ecke – und uns allen gefiel der Titel. Also haben wir ihn genommen.
Apropos Name: Warum habt ihr euch damals für GET DEAD entschieden?
Um ehrlich zu sein: Der Name hat einfach gepasst. Er war Tim Mehews Idee, er ist unser Bassist und brachte es damit einfach auf den Punkt. Die Namenssuche ist ja irgendwie immer etwas ganz Außergewöhnliches. Und ganz ehrlich, das kann schon auch ganz schön nerven. Aber bei uns war es von Anfang an kein großes Ding. Einfach weil Timmy diesen Einfall hatte. Und mir gefällt der Name bis heute.
Auf „Honesty Lives Elsewhere“, dem Vorgängeralbum, habt ihr den Tod eines guten Freundes verarbeitet – obwohl das während der Arbeiten an der Platte gar nicht so geplant war. Es ist aber einfach passiert, weil dieses Ereignis so einen enormen Einfluss auf euch hatte – oder immer noch hat? Wie sieht es auf dem neuen Album aus?
Baby Drew wird immer einen Einfluss auf uns haben, ganz egal was wir in unserem Leben unternehmen und ob das etwas mit Musik zu tun hat oder nicht. Also ganz klar: Ja, auch das neue Album hat er mitgeprägt!
Welcher Song auf „Dancing With The Curse“ war der komplizierteste, der schwierigste? Und warum?
Kein einziges Lied hat uns vor größere Probleme gestellt. Es lief einfach wie geschmiert. Das ist auch das Geheimnis, warum das Album so gut klingt!
Das hört man auch: Die Platte macht einen sehr leichtfüßigen Eindruck – und knallt ordentlich. Gibt es einen Song, der dir persönlich viel bedeutet?
Das ist eindeutig „Disruption“. Ich habe die Akkorde zu diesem Song geschrieben. Es ist eines dieser Lieder, bei denen du dich mit allen Beteiligten zusammensetzt und das Ganze in einer Session durchziehst. So etwas passiert nicht häufig, aber wenn es mal vorkommt, dann kann man sich sicher sein: Das Ding haut rein und wird krankhaft gut! Genau so ist es bei „Disruption“.
Ihr habt das Album mit Chris Dugan von GREEN DAY aufgenommen – und wart sehr happy mit dem Ergebnis. Bis Fat Mike mit einigen Änderungswünschen um die Ecke kam. Wie hat sich das Album denn ursprünglich angehört?
Es hatte einen ähnlichen Drive. Wir haben hier und da zwar noch ein paar Parts angepasst, einige Passagen frischer gestaltet, hier gemixt, da getrimmt, aber wir haben nichts grundlegend verändert. Die Power ist immer noch da, das Gefühl ist immer noch das gleiche. Vielleicht ist es jetzt nur noch ein wenig stärker vertreten.
Wie groß war der Einfluss von Fat Mike auf das Album? Er war schließlich der Grund, warum ihr einige Dinge auf den Kopf gestellt habt ...
Wir haben „Dancing With The Curse“ wegen Fat Mike nicht komplett umgeworfen. Ganz im Gegenteil: Wir hatten einen Großteil bereits fertig. Und daran konnten wir uns anschließend mit ihm abarbeiten. Er hat einfach ein großartiges Gehör und ein unglaubliches Gespür. In diesem Sinne war sein Einfluss also schon massiv – aber eben in Detailfragen.
Er war es auch, der euch ermuntert hat, das Intro mit HipHop-Beats zu beginnen.
Ja, die HipHop-Beats waren ursprünglich Sams Idee. Er hat sie dann Mike vorgespielt, und der fand die Idee so klasse, dass er sie für das Intro vorgeschlagen hat. Und so haben wir es dann auch gemacht.
Hat euch Fat Mike auch beim Songwriting unterstützt?
Nein, er hat uns eher beim Produzieren und bei einigen Akkorden geholfen, nicht beim Songwriting.
Ihr seid schon etliche Jahre bei Fat Wreck. Was hat diese Partnerschaft mit euch gemacht? Hat sie euren Stil oder eure Herangehensweise in irgendeiner Art verändert?
Ja, wir sind seit acht Jahren bei Fat Wreck und sind heute noch baff und dankbar, dass wir bei einem der besten Punkrock-Labels der Welt sind. Ich würde auch ganz klar sagen, dass sich die Beziehung innerhalb dieser acht Jahre enorm gestärkt hat und dass sie von Jahr zu Jahr inniger geworden ist. Dass sie allerdings einen Einfluss auf unseren musikalischen Stil hatte oder hat, denke ich eher nicht.
Apropos Stil: Was bedeutet Punk für dich? Musikalisch lasst ihr euch ja nicht so trennscharf einordnen ...
Punk bedeutet für mich Familie. Ich habe so viele enge Freunde über die Musik gefunden. Das ist schon etwas ganz Besonderes.
Euer Sound beinhaltet Elemente aus etlichen Genres: Hardcore, Country, Akustik und jetzt sogar HipHop. Welches Album hörst du momentan rauf und runter?
„Musica Muerta“ von MARIACHI EL BRONX. Das Album ist im Mai erschienen.
Zum Ende des Gesprächs blicken wir noch mal voraus: Wenn dieses Interview erscheint, dann ist in den Vereinigten Staaten bereits gewählt worden. Was wäre dein perfektes Ende für dieses außergewöhnliche Jahr?
Hoffentlich werden wir bei Erscheinen dieses Interviews nicht mehr von einem steuerhinterziehenden, wissenschaftsleugnenden, orangefarbenen, rassistischen Chauvinisten regiert. Aber ehrlich gesagt: Ein perfektes Ende kann es für dieses Jahr gar nicht geben.
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