GERHARD HANSEN QUARTETT

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Ausgerechnet deutscher Schlager

Coverbands werden oft mit Argwohn und zahlreichen Vorurteilen gestraft. Einfallslose, stromlinienförmige Trittbrettfahrer, die für die Kreativität Dritter auch noch mit dicken Gagen belohnt werden. Was an diesen Vorbehalten dran ist, das wollten wir vom GERHARD HANSEN QUARTETT aus Flensburg wissen. Die Band hat sich auf das Covern von deutschem Schlager spezialisiert, Gerhard Hansen quasi als ein auf Punk-Pfaden wandelnder Guildo Horn. Im Mai ist ihr Debütalbum mit 13 Coverversionen erschienen. Frontmann Gerhard Hansen und Gitarrist Cliff stellen sich unseren Fragen.

Warum ausgerechnet deutscher Schlager?

Gerhard:
Unsere musikalische Sozialisation hat natürlich nicht gleich mit Punkrock angefangen, vielmehr ist uns das Schlagertalent quasi mit in die Wiege gelegt worden. Meine musikalische Prägung beruht ja auf Roger Whittaker und Cliff Richard und dann hat sich der musikalische Kosmos langsam erweitert. Und jetzt schließt sich der Kreis wieder.

Dem deutschen Schlager wird oft Eskapismus vorgeworfen, dass darin gerne eine heile Welt vorgegaukelt wird. Wie passt das zu Punkrock?

Cliff:
Punkrocker sind doch auch nur ganz normale Menschen, die abseits jeder Revolution auch mal gemütlich die Füße hochlegen, Spaß haben und nicht alles problematisieren wollen. Auch im Punk gibt es eine bestimmte Form von Trivialität.

Gerhard: Man darf auch nicht vergessen, dass Punk eine ziemliche Bandbreite hat, angefangen bei düsterem Punk wie FLIEHENDE STÜRME oder EA80. Und wir decken da eben die entgegengesetzte Facette ab, die aus unserer Sicht aber auch zum Punk-Gesamtkosmos gehört.

Was Punkrock angeht, seid ihr ja keine unbeschriebenen Blätter.

Cliff:
Ich komme ja aus der Pop-Punk-Ecke, habe aber auch schon Skatepunk und Melodycore gespielt. Meine erste Band waren die CHIQUITA CHASERS. Dann habe ich jahrelang zusammen mit Gagu von GIGANTOR und den RUBBERMAIDS akustische Musik gemacht. Gerhard war aktiv mit den NETTEN TANTEN, unser Bassist Tobi war mit CAPTAIN GALAXY und KAVALIERSTART unterwegs und unser Schlagzeuger Erik mit LZA. Wir waren schon alle irgendwie in der Szene aktiv in der Vergangenheit. Wir sind durch Punkrock sozialisiert worden, gehen hier regelmäßig zu Konzerten und sind in Flensburg mit vielen Bands befreundet.

Coverbands wird oft vorgeworfen, dass Covern einfallslos und wenig kreativ ist.

Gerhard:
Ich glaube, man kann schon zustimmen, dass es ein größerer kreativer Prozess ist, eigene Texte und eigene Songs zu schreiben. Andererseits ist es aber auch möglich, fremden Vorlagen den eigenen Stempel aufzudrücken, indem man die Songs neu arrangiert, eigen interpretiert und auf die Bühne bringt. Sich fremde Songs von anderen Musikern anzueignen, dazu ist schon auch Kreativität notwendig.

Bei Coverbands gibt es aber auch schlimme Auswüchse. Bands, die Songs aus den Charts möglichst nah am Original covern, damit auf Stadtfesten angetrunkene Überkopfklatscher bespaßen und dafür auch noch dicke Gagen einfahren.

Gerhard:
Wir haben bisher eigentlich noch nie auf solchen Stadtfesten gespielt, sondern vorrangig in szeneaffinen Clubs mit entsprechendem Publikum. Wir sind allerdings schon bei einigen kleineren Festivals aufgetreten, da hat man es schon mit stärker alkoholisiertem Publikum zu tun. Und da haben wir bereits die Erfahrung gemacht, dass uns solch ein Publikum grundsätzlich guttut, wobei das auch so ein Spagat ist. Als Band haben wir aber zum Beispiel über Ansagen schon die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, wenn es dann zu artig oder zu dumm wird. Und Reichtümer können wir mit der Band definitiv nicht anhäufen. Der finanzielle Aspekt steht bei uns auch nicht im Vordergrund. Wir machen die Band, weil uns das Spaß macht.

Gibt es in diesem Freundeskreis auch Leute, die über eure Band die Nase rümpfen?

Gerhard:
Klar, da gibt es schon welche, die sagen, dass Schlager scheiße sind. Die finden dann natürlich auch unsere Songs nicht unbedingt prickelnd. Aber es gibt auch welche, die bei unseren Auftritten angenehm überrascht sind und es dann zumindest okay finden, weil wir live auch eine gewisse Energie und Show an den Start bringen. Dabei spielt es uns natürlich auch in die Karten, dass Flensburg eine kleine überschaubare Szene hat, man kennt und schätzt sich. Es gibt schon ein Gemeinschaftsgefühl und eine Szeneverbundenheit, es kommen da eben auch Skins und Iros zu unseren Konzerten.

Was macht für euch einen guten Song aus, der es rechtfertigt, gecovert zu werden?

Cliff:
Zunächst ist es wichtig, dass es ein Song ist, den wir alle vier auf irgendeine Weise auch gut finden. Für mich ist es wichtig, dass er eine catchy Melodie hat, eine gute Hookline. Und er muss uns auch in der Umsetzung Spaß bringen.

Gerhard: Der Sänger Gerhard Hansen ist schon eher der schmierige und prollige Teil von mir und da müssen dann auch die Songs passen. Wenn man das dann singt und auf eine gewisse Weise interpretiert, dann kann man mit diesen Widersprüchen und diesem altertümlichen, überholten Frauenbild des deutschen Schlagers aus den Sechzigern und Siebzigern hervorragend arbeiten. Auch das ist natürlich ein Spagat, dass es nicht zu asi rüberkommt, sondern vielmehr mit einem Augenzwinkern präsentiert wird. Und ich denke, dass mir das in den meisten Situationen auch ganz gut gelingt. Wir sind auf jeden Fall bis jetzt noch nicht mit Schimpf und Schande von der Bühne gejagt worden. Man darf sich da auch nicht zu ernst und zu wichtig nehmen. Bei meinen Songansagen wird schon klar, dass es auch eine Persiflage und humoristische Darstellung ist. Wir sind keine Diskurs-Rockband, die Unterhaltung steht schon im Vordergrund.

Cliff: Uns ist es schon wichtig, dass wir nicht albern oder doof rüberkommen. Wir wollen keine Clownstruppe sein. Mit so reinen Guildo Horn-Typen haben wir nichts zu tun.

Wobei eine gewisse optische Ähnlichkeit von Gerhard Hansen zu Guildo Horn nicht zu verleugnen ist.

Gerhard:
Ich lege es nicht darauf an, wie ein Guildo Horn des Punkrock auszusehen. Gewisse Ähnlichkeiten sind aber von der Natur vorgegeben. Wir wollen schon als Punkrock-Band wahrgenommen werden. Ich mag Guildo Horn und wenn ich jetzt hier mit ihm verglichen werde, finde ich das persönlich nicht schlimm. Wenn man ihn live sieht, der gibt bei seinen Konzerten schon auch alles. Und sein Grand Prix-Auftritt in Birmingham mit dem Sprung auf die Balustrade, das war schon erstklassige Unterhaltung. Guildo Horn hat ja sogar auf der letzten EISENPIMMEL-Platte mitgesungen und zwar bei dem Song „Zeig mir den Weg zur nächsten Nichttrinker-Kneipe, damit ich dich da aussetzen kann, du Arsch!“. Super Song.

Gibt es auch solche Glücksgefühle bei euch, wenn ihr einem Trüffelschwein gleich unbekannte Perlen entdeckt, die ihr dann covern könnt?

Gerhard:
Ich bin in der Band der größte Plattensammler und habe auch schon bei Trash-Partys Platten aufgelegt. Ich gehe auch gezielt auf Flohmärkte und halte dort Ausschau nach Platten mit suspektem Titel oder abgedrehtem Cover. So eine Perle ist zum Beispiel „Mädchenschreck“ von John Dattelbaum, die deutsche Version des Del Shannon-Klassikers „Runaway“.

Wenn ihr vor harten Punks spielt, seid ihr da auch schon mal von der Bühne geholt oder bespuckt worden?

Gerhard:
Nein. Es kommt zwar gelegentlich vor der Bühne schon mal zu Bierspritzern, aber das geht dann nicht gezielt gegen uns. Leuten, denen es nicht gefällt, verlassen dann schon mal den Raum, aber das war’s dann auch.

Cliff: Ich erlebe es oft so, dass einige Crust- und Hardcore-Punks zu Beginn skeptisch sind, dann aber doch nach dem dritten Song ihr Bier trinken, wild abgehen und Spaß haben.

Deutsche Schlager zu covern ist live mit Sicherheit ein Stimmungsgarant. Funktioniert das aber auch auf Platte?

Gerhard:
Ich bin da natürlich ein bisschen befangen, aber ich finde, dass man unser Album gut durchhören kann und dabei auch der Partyaspekt nicht zu kurz kommt. Es ist sicher keine Platte, die du auflegst, wenn dich deine Freundin verlassen hat oder dein Kaninchen gestorben ist. Dann würde ich doch eher zu EA80 greifen.

Es gibt Bands, die als Coverbands gestartet sind und dann auch eigene Songs im ähnlichen Stil geschrieben haben. Wäre das hier für euch auch denkbar?

Cliff:
Wir haben ja auch mehrere Leute in der Band, die Songs schreiben. Und das ist natürlich schon auch eine Option für die Zukunft, um die Band für uns dauerhaft spannend zu halten. Vielleicht machen wir die nächste Platte ja mit eigenen Songs.