Ich bin mit der Musik von GBH aufgewachsen. Als kleiner Straßenpunker kam man an Songs wie „No survivors“, „Sick boy“ oder „City baby attacked by rats“ einfach nicht vorbei. Mitte der Achtziger verlor ich die vier „Brummies“ vorerst aus den Augen. Die Zeit verging und es war Ende der Neunziger während der Popkomm, als mein Kumpel Jens-Petter (ISRAELVIS) mir ein paar Kopfhörer an den Ohren presste, auf „Play“ drückte und fragte: „Rate mal wer das ist?“ Es war ein Monster-Song, aber ich hatte keine Ahnung. Jens-Petter daraufhin selig lächelnd: „Es ist das neue Album von GBH!“ Es dauerte dann noch bis 2003, ehe ich die Band auf dem Holidays In The Sun-Festival in England zum ersten Mal live erleben durfte. „Ha, Ha“ war gerade rausgekommen, und an diesem Tag haben sie mich total umgehauen! Ich habe über die Jahre einiges an abfälligen Bemerkungen über die „ehemaligen Nietenkaiser“ aus England gelesen, etwa „dass sie Birmingham immer nur verlassen würden, wenn sie wieder Geld bräuchten“. Nun gut, die Zeit mag nicht spurlos an der Band vorbeigegangen sein – soll vorkommen. An diesem Tag spielten sie allerdings wie eine Dampfwalze – und ich war wieder einfach nur Fan! Seit ungefähr einem Jahr chatte ich hin und wieder (meistens zur Geisterstunde), mit Jock (Gitarre) und weiteren Fans und Freunden der Band, was sehr unterhaltsam sein kann. Es ist nicht zu übersehen: Jock interessiert sich aufrichtig für Menschen, Musik allgemein und Punkrock im Besonderen und er trägt sein Herz am rechten Fleck.
Jock, wenn dir jemand, als ihr mit GBH anfingt, gesagt hätte, dass es die Band über 30 Jahre später immer noch geben würde, wie hättest du reagiert?
Ich hätte ihn für bekloppt erklärt! Wir haben die Band nur gegründet, weil uns langweilig war und wir ein bisschen Spaß haben wollten.
Während der Neunziger hatte ich eure Musik aus den Augen verloren, bin erst wieder „eingestiegen“, als „Ha, Ha“ rauskam. Seit der Veröffentlichung von „Perfume And Piss“ 2010 scheint die Band wieder sehr viel aktiver zu sein, als es lange der Fall war. Siehst du das auch so? Und wenn ja, wie sehr ist das dem neuen Deal mit Hellcat geschuldet?
Wir hatten immer viel zu tun, aber die letzten Jahre haben wir wirklich viel gespielt, sind sehr viel unterwegs gewesen, da gebe ich dir Recht. Das Album auf Hellcat hat bestimmt dazu beigetragen, dass wir auch von neuen, anderen Fans gehört wurden. Allerdings scheint es auch ein wiederbelebtes Interesse an Punkrock zu geben, rund um den Globus. Südamerika ist großartig, Indonesien und Asien haben ebenfalls tolle Szenen. Und es ist immer schön, neue Länder, Leute und deren Bands kennen zu lernen.
In letzter Zeit wart ihr in ein paar ziemlich exotischen Gegenden auf Tour, zum Beispiel Indonesien und Hawaii, um nur ein paar zu nennen. Wart ihr zum ersten Mal dort? Wie waren die Reaktionen?
Indonesien und Hawaii waren unglaublich. Die Leute haben sich ganz liebenswert um uns gekümmert und alles getan, damit wir uns wohl fühlen. Vor allem in Indonesien gibt es wunderbare, freundliche Menschen, was braucht es mehr? Wir waren vorher noch nie dort gewesen, aber wir können es kaum abwarten, dorthin zurückzukehren.
Wenn man einen Blick auf euren Tourplan der letzten Zeit wirft, fällt es schwer sich vorzustellen, dass ihr das mit einem normalen 08/15-Job unter einen Hut bekommt. Auf der anderen Seite denke ich nicht, dass die Bandeinkünfte ausreichen, um über die Runden zu kommen. Was machen die einzelnen Mitglieder neben GBH?
Wir haben alle irgendwelche Arbeit nebenbei, wenn die Band mal wieder eine Erholungspause einlegt. Es ist nahezu unmöglich, von einer Band zu leben, es sei denn du bist bei BON JOVI. Geld mit der Band zu verdienen hatte jedoch auch nie Priorität für mich. Spaß haben, Gitarre spielen und interessante, intelligente Menschen aus aller Welt zu treffen, das steht an erster Stelle.
Gibt es eine lustige Tourstory, die du loswerden möchtest?
Wir waren im Tourbus unterwegs, in der Nähe von Indianapolis, USA, das muss 1987 gewesen sein, glaube ich. Auf einmal bemerkte ich, wie ein Typ auf der Spur neben uns damit anfing, eindeutig obszöne Handbewegungen zu machen, und dabei total am abfeiern war. Ich zeigte ihm den Mittelfinger; sein Lachen erstarrte, und er fiel ein wenig zurück auf seiner Spur. Dann holte er wieder auf und jemand rief: „Achtung: Der hat eine Knarre!“, alles schmiss sich auf den Boden – außer unserem Fahrer logischerweise. Darauf fing der andere an, uns von hinten zu rammen, und langsam wurde uns ein wenig mulmig, wie du dir vielleicht vorstellen kannst. Es ging ein Weilchen so weiter, bis unser Fahrer John meinte: „Drauf geschissen!“ und bei der nächsten Abfahrt abbog, in der Hoffnung, der Typ würde auf dem Highway an uns vorbeiziehen. Der kam aber hinterher, worauf John den Wagen anhielt, ausstieg und nach hinten ging, um mit dem Typen zu reden, der hinter uns parkte. Der Rest von uns blieb erst mal eine Weile sitzen, aber irgendwann stieg auch ich aus, und ging nach hinten, um zu schauen, was los war, da flippte der Typ wieder aus, schrie, jemand solle den beschissenen Freak entfernen. Irgendwann beruhigte er sich dann doch. Er erzählte, er spiele in einer Country&Western-Band und hätte am Abend einen Auftritt in der gleichen Stadt wie wir, und dass er, falls sie früh genug Feierabend machen würden, vorbeikommen wollte, um sich unsere Show anzuschauen. Daher stammt übrigens der Song „Hit the deck“. Ach so, er meinte auch, er sei in der Army gewesen, und hätte im südamerikanischen Dschungel gelernt, wie man Menschen mit den bloßen Händen umbringt. Unglaublich, aber wahr.
Es hat den Anschein, dass du zum Ansprechpartner für die GBH-Fans ernannt wurde, zumindest was Social Networks und dergleichen betrifft. Hast du dich dazu freiwillig gemeldet, oder wurdest du dazu gezwungen?
Meine Tochter Bridget hatte vor fünf Jahren eine MySpace-Seite für uns eingerichtet, irgendwann bekam ich das Passwort, weil es ihr zu viel Arbeit wurde. Inzwischen mag ich das Chatten mit Menschen im Internet, und es ist ein großartiges Medium, um Shows oder Alben zu promoten und um Interviews zu führen.
Was macht die Band zur Zeit? Ist ein neues Album in Sicht, und wenn ja, wie unterscheidet es sich von „Perfume And Piss“?
Wir haben gerade einen ruhigen Monat, nach einem eher hektischen Jahr. Wir haben schon acht neue Songs geschrieben fürs nächste Album, es läuft super! Sie sind voller Power, mit diesem Touch von Rock’n’Roll, der sich langsam in unseren Sound einschleicht. Vielleicht ein „Perfume And Piss Part 2“?
Wofür engagiert ihr euch noch, über die normalen Bandaktivitäten hinaus?
Wir spielen Benefizshows für viele Anlässe, zum Beispiel für die Sophie Lancaster Foundation, die sich für mehr Toleranz bei Jugendlichen einsetzt, unabhängig vom Aussehen oder ethnischer Herkunft. Oder für Waverley Care in Schottland, die Hospize betreiben und sich um Menschen mit Aids und ähnlichen Krankheiten kümmern. Diese Einrichtung ist mir besonders ans Herz gewachsen, da sie sich um meine Schwester gekümmert haben, bis zu ihrem Tod im letzten Jahr. Wir sind auch dabei, ein jährliches Benefizkonzert in Edinburgh zu veranstalten, am Geburtstag meiner Schwester. Checkt mal „Punk for Pam 2013“ auf Facebook. Dort findet ihr einige der zur Zeit besten Punkbands aus Großbritannien, die alle für diese großartige Einrichtung spielen.
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