GASLIGHT ANTHEM

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Alles oder nichts

Manchmal hat man allein und zurückgezogen, abgekehrt von der Außenwelt die besten und kreativsten Ideen. Ob das bei GASLIGHT ANTHEM, die aus New Brunswick, New Jersey kommen, der Fall ist, mag man gerne annehmen. Zum einen ist ihr Heimatort ein Vierzigtausend-Seelen-Städtchen an der amerikanischen Ostküste, zum anderen legte das Quartett mit "Sink Or Swim" just ein derart abwechslungsreiches Debütalbum vor, dass man glauben könnte, man hätte es mit einer seit Jahrzehnten musizierenden Profikapelle zu tun - und nicht mit vier Jungs, alle Mitte/Anfang zwanzig. Diese Spielfreude hat zwei ganz konkrete Gründe: mit Brian Fallon verfügt die Band über einen exzellenten Songschreiber und nach anfänglichen Schwierigkeiten sah man keine andere Möglichkeit, als einen eigenen Weg zu gehen und damit alles zu wagen. Im September dieses Jahres kam GASLIGHT ANTHEM für eine zweiwöchige Tour erstmals nach Europa, während der Sänger/Gitarrist Brian und Schlagzeuger Benny Horowitz auch Auskunft gaben über Geschichte und Zukunft dieses viel versprechenden Newcomers.


Erzählt mal was zur Bandgeschichte.


Brian: Wir vier lernten uns vor gut zwei Jahren durch gemeinsame Freunde unseres jetzigen US-Labels XoXo kennen und merkten gleich, dass wir dieselben Vorstellungen in Bezug auf Musik haben. Wir alle wollten so viele Shows wie möglich spielen. Im September probten wir erstmals, zwei Monate später traten wir das erste Mal auf.

Benny: Als wir fünfzehn waren, haben meine und Brians damalige Band sogar mal zusammen gespielt. Großen Eindruck hat das aber nicht hinterlassen, wir merkten nämlich erst Jahre später, dass wir schon vorher mal eine Bühne geteilt hatten.

Ihr habt gleich zu Beginn Probleme gehabt. Was war da los?

Brian:
Wir waren hatten einen Vertrag mit Eyeball Records, einem Label aus unserer Heimatstadt New Jersey, das irgendwann auf die Idee kam, einen Produzenten ins Spiel zu bringen, der, ohne uns davon etwas zu sagen, unseren Sound komplett ändern sollte. Wie sich herausstellte, sollte ich, nach der Vorstellung des Labels, als Solo-Act mit Akustikgitarre und neuer, angemieteter Band auftreten, wovon wir aber nichts wussten. Erst als wir im Studio waren und der Produzent versuchte, durch Pianos, Glockenschläge oder sonst was unseren Songs ihre Ursprünglichkeit zu nehmen, wurde klar, was da abging. Wir sagten natürlich Nein zu dem Plan, woraufhin der Produzent das Studio verließ und das Label uns kurzfristig mitteilte, wir wären gefeuert.

Benny: Sie hatten eine ziemlich konkrete Vorstellung von dem, wie die Band und das Album klingen sollten, was für uns einfach nicht tragbar gewesen wäre, da es nicht dem entsprach, was wir machen wollten. Eine dumme Situation. Mittlerweile sind wir froh, dass es so gekommen ist, da wir unter diesen Voraussetzungen das Album niemals so aufgenommen hätten, wie wir uns das gedacht haben.

Daher dann wohl auch der Albumtitel "Sink Or Swim"?

Brian:
Ja, wir waren total enttäuscht damals und wollten schon alles hinschmeißen. Keiner traute sich, uns zu unterstützen, schließlich waren wir gerade von einem relativ erfolgreichen Indielabel, das eine Band wir THURSDAY hervorgebracht hatte, fallen gelassen worden, und jeder dachte sich, das kann nur an der Band liegen, wenn man so einen Deal verbockt. Die Einzigen, die uns in dieser Situation halfen, waren Jay und Jane von XoXo und so nahmen wir eben die Platte eben doch so auf, wie wir sie haben wollten.

Benny: Letzten Endes trafen wir gemeinsam die Entscheidung, ein neues Demo aufzunehmen und wieder von vorne anzufangen, denn vom Gefühl her waren wir mit unseren Songs auf dem richtigen Weg. Wir sagten uns "sink or swim", was soviel heißt wie: alles oder nichts! Und auch wenn das Ganze scheitern würde, hätten wir wenigstens die Gewissheit, dass wir uns nicht haben verbiegen lassen.

Das hat ganz gut geklappt, "Sink Or Swim" hat durchweg gute Kritiken bekommen. Da werden sicher auch größere Labels aufmerksam. Gab es nicht sogar schon ein konkretes Angebot von Fat Wreck?

Brian:
Die meisten Kritiker lobten das reife und ausgefeilte Songwriting, was mich als Songschreiber natürlich sehr stolz macht. Wir hatten das Album nach der Fertigstellung quasi als Bewerbung an viele Labels geschickt und haben auch schon einige Gespräche geführt, uns aber bisher noch nicht entschieden. Fat Wreck sagten uns relativ schnell ab, um sich, nachdem die Kritiken so positiv ausfielen, dann doch mit einem Angebot bei uns zu melden, was wir nach der Geschichte jedoch dankend ablehnten.

Gemastert hat "Sink Or Swim" letztendlich Jason Livermore vom Blasting Room-Studio. War das ebenfalls eure Idee?

Brian:
Das war komischerweise gar nicht so schwierig und teuer. Wir fragten bei Jason an und er sagte, klar, er habe noch Zeit für uns. Und jemand, der für THE DESCENDENTS gearbeitet hat, konnte einfach nicht die schlechteste Wahl sein.

Punk, Singer/Songwriter, Americana - das Album bietet eine interessante Mischung verschiedenster Musikgenres und verbindet diese gekonnt. Was sind eure Wurzeln?

Brian:
Meine Mutter sang lange Zeit in einer Folk-Band, also kenne ich quasi von Kindesbeinen an Folkmusik und Singer/Songwriter-Songs von Leuten wie Bob Dylan, Cat Stevens oder Bruce Springsteen. Ihre Band nahm sogar zwei Platten auf, was mich schon damals mächtig stolz gemacht hat. Wer kann das schon von seiner Mutter behaupten? So wie die genannten Musiker klangen dann auch meine ersten eigenen musikalischen Gehversuche. Und so wie ich hat jeder von uns etwas Eigenes mitgebracht und zur Vielfalt des Sounds beigetragen.

Benny: Meine Mutter stand eher auf Rock'n'Roll, wie LED ZEPPELIN oder BLACK SABBATH, was mich ebenfalls früh geprägt hat und wodurch ich irgendwann auf Punk und Hardcore stieß. Wie Brian schon sagte, steuert jeder was dazu bei, dass die von ihm komponierten Songs dann auch klingen, wie sie klingen.

AGAINST ME!-Bassist Andrew Seward hat mal gesagt, dass das Geheimnis eines guten Songs darin läge, ihn auch auf einer Akustikgitarre spielen zu können. Könnt ihr mit der Aussage was anfangen?

Brian:
Ja, das kann ich gut nachvollziehen. So entstehen schließlich alle unsere Lieder. Die Akustikversion ist demnach das Gerüst jeglichen Songs. Natürlich gibt es auch Bands, die anders vorgehen und trotzdem gute Liedermacher sind. In Bezug auf das Songwriting an sich ist das aber stets ein guter Test, um zu sehen, ob ein Song etwas taugt.

Ihr habt in den USA gerade zusammen mit AGAINST ME! eine längere Tour gespielt. Wie war's und wie kam es dazu?

Brian:
Zunächst haben wir eine kleinere Clubtour mit FAKE PROBLEMS gespielt. Im Anschluss ergab es sich dann, dass wir mit AGAINST ME! und TWO GALLANTS spielen durften, was für uns natürlich eine tolle Chance bedeutete. Tom Gabel, Sänger und Gitarrist von AGAINST ME!, sah uns bei einer kleineren Show und setzte sich persönlich für uns ein. Ich war gerade mit meiner Frau einkaufen, als Jordan Kleeman, der AM!-Tourmanager und Betreiber von Sabot Productions, bei mir anrief und anfragte, ob wir nicht Lust hätten, AGAINST ME! auf dieser Tour zu begleiten. Ich sagte Ja, legte auf und schrie den ganzen Supermarkt vor Freude zusammen, was meiner Frau übrigens ziemlich peinlich war. Über Jordan und AGAINST ME! kam dann auch der Kontakt zu Gunnar zustande, der "Sink Or Swim" hier in Europa über sein Label Gunner Records herausgebracht hat.

War das die erste Begegnung mit Jordan? Schließlich bringt er euer nächstes Output auf seinem Label heraus.

Benny:
Jordan kennen wir schon etwas länger. Er rief bereits letztes Jahr im Oktober an und wollte wissen, wie es mit der Veröffentlichung einer Single oder 10" auf seinem Label aussähe. Klar haben wir zugesagt! Der Typ hatte schließlich schon Platten von einigen unserer Lieblingsbands wie HOLD STEADY oder AGAINST ME! herausgebracht!

Könnt ihr zu dem neuen Release bereits etwas verraten?

Brian:
Wir haben die neuen Songs während einer kurzen Tourpause in den Sweatbox Studios in Austin, Texas aufgenommen. Es wird eine Doppel-7", die auch noch eine CD beinhaltet. Das Ganze ist in ein Fold-out-Cover verpackt, aus dem beim Öffnen eine Art Pop-up entsteht. Mehr kann ich nicht sagen, außer dass es die wahrscheinlich schönste Singleverpackung des Jahrhunderts sein wird.

Benny: Das Artwork wird wohl wieder Chris Spliedt machen, ein Freund von uns, der früher Bass in der Hardcore-Band NORA gespielt hat und mittlerweile freischaffender Künstler ist.

In euren Texten kommt ab und an eure Heimatstadt New Brunswick vor. Wie wichtig ist die alte Heimat für eure Songs?

Benny:
Wir kommen alle aus der Nähe von New Brunswick und sind in der stadteigenen Szene groß geworden. Alles, was mit uns zu tun hat, ist demnach auch irgendwie mit New Brunswick verbunden.

Was oft in euren Text auftaucht, ist dieses Bild von jemandem, der nachts im Auto durch die Gegend fährt und laut Radio hört. Woher kommt das?

Brian:
Ich habe in meinem Leben schon in jedem Teil von New Jersey gewohnt. Da New Brunswick genau in der Mitte liegt und das Zentrum des Ganzen darstellt, kam ich oft nicht umhin, mich abends ins Auto zu setzen, um dorthin zu kommen. Auf der anderen Seite ist der Ort sehr übersichtlich und man kennt einfach jeden in der Szene, was zum einen gut ist, zum anderen aber auch nerven kann. Das gleiche Bild kommt auch in dem Song "Angry Johnny" vor, das von mir und einem guten Freund aus Philadelphia handelt, mit dem ich früher zusammen auf dem Bau gearbeitet habe. Sein Spitzname ist eben "Angry Johnny", weil er totaler Fan von DINOSAUR JR und deren Artwork ist, wofür stets ein gewisser Angry Johnny verantwortlich war. Mit ihm habe ich mich freitags nach der Arbeit oft einfach ins Auto gesetzt, das Radio angemacht und zusammen Amerika erkundet. Wir wollten einfach nur weg.

Wie sieht es mit der Verbindung von Glauben und Musik aus?

Brian:
Der Einzige, der bei uns als gläubig gilt, bin ich. Für mich ist Glaube etwas sehr Persönliches, etwas, das nur mich was angeht. Die Gründe, warum ich überhaupt zum Glauben gefunden habe, sind sehr komplex und ich möchte sie mit niemandem teilen. Schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Ich habe nicht vor, jemanden zu bekehren oder in meinen Texten davon zu erzählen. Ich hoffe, dass das jeder respektieren kann.