FLASH FORWARD

Foto© by Patrick Schulze

Mit Enden zum Neuanfang

Mit „Endings = Beginnings“ erscheint das fünfte Album der NRW-Formation FLASH FORWARD. Es entstand mitten in der Hochphase der Corona-Pandemie und damit erstmals seit Bandgründung nicht zwischen Club- und Festivalbühnen. Wir sprechen mit Sänger und Songschreiber Stefan darüber, wie es ihm geholfen hat, durch eine düstere Zeit zu kommen, aber auch über den sich wandelnden Musikmarkt und Algorithmen, die nur darauf warten, gefüttert zu werden.

Hey Stefan, wie geht es dir? Ihr habt einen ziemlich intensiven Festivalsommer hinter euch. Wie war es für euch, endlich die Gigs zu spielen, auf die ihr zweieinhalb Jahre gewartet habt?

Hurricane und Southside waren eine große Ehre, vor allem dass wir über die zwei Jahre mitgenommen worden sind, ist ja keine Selbstverständlichkeit. Aber der ganze Sommer war grandios, das Wetter, die Stimmung, das Publikum. Ich liebe Festivals, schöne 45 Minuten abreißen und dann andere tolle Bands sehen. Das Krasse war, dass wir uns ursprünglich einen Nightliner gebucht haben, der uns eine Woche vorher abgesagt wurde. Also mussten wir aus dem tiefsten Süden in den hohen Norden fahren, bei 30 Grad ohne Klimaanlage.

Viel Zeit im Van zu verbringen, war ja eigentlich mal euer Alltag. Die letzten Jahre vor der Pandemie bestanden quasi aus einem ständigen Wechsel zwi­schen Tour, Album aufnehmen, wieder auf Tour und wieder ein Album ...Wie war es, diesmal so viel Zeit zu haben?
Bei uns schreibe ich hauptsächlich die Songs und produziere auch die Demos vor. Plötzlich hatte ich also extrem viel Zeit an Sounds und strukturellen Gegebenheiten arbeiten zu können. „Endings = Beginnings“ ist in einer Phase entstanden, die von persönlichem Umbruch geprägt war. Ich hatte wäh­rend des Schreibprozesses stark mit Depressionen zu kämpfen und das Album hat mir geholfen durchzuhalten. Es gab familiäre, häusliche und private Veränderungen, die zu einem 180°-Umschlag geführt haben. Selten habe ich so viele Songs geschrieben, aber hätte ich es nicht gemacht, hätte ich mich wohl in meinem Gedankenkino verloren.

Ist es eigentlich befremdlich, wenn du Songs schreibst, die aus etwas Negativem entstehen, und ihr diese dann live spielt, wozu das Publikum feiert?
Komplett, aber ich bin in meiner Biografie durch viel Mist gewatet und mir war immer das Wichtigste, den Funken Hoffnung nicht zu verlieren, was sich auch in unserer Musik widerspiegelt. Egal wie düster ein Song ist, am Ende kommt immer dieser Funke zum Vorschein. Es lohnt sich immer weiterzumachen. Für irgendwas, für irgendwen, vielleicht nur für eine kleine Sache. Das soll die Musik transportieren und sinnbildlich dafür stehen, dass wir nicht alleine sind und ein kleines Stehaufmännchen ins uns haben, das anklopft und sagt: Ey, gerade ist es echt scheiße, aber wir schaffen das und es wird besser. Dieses Gefühl mit den Fans zu teilen, insbesondere live, ist großartig, denn dieser Funken sollte nicht verloren gehen.

Ihr habt ja nicht nur „Endings = Beginnings“, sondern auch viele Standalone-Singles veröffentlicht. Waren das Songs, die nicht aufs Album gepasst haben, oder sollte der Algorithmus damit am Laufen gehalten werden?
Die Singles sind tatsächlich schon vorher entstanden. Nachdem unser letztes Album „Golden Rust“ erschie­nen ist, hat der Wandel der Musikindustrie, dass alle nur noch Singles veröffentlichen, auch uns eingeholt. Wenn man sich die Mühe macht, Musik rauszubringen, möchte man ja auch, dass die gehört wird, und dies war mit Singles leichter. Zudem ist ein Album auch noch mal deutlich teurer.

In euren Singles gibt es aber auch sehr starke nationale und internationale Features, waren die auch schon vor Corona geplant?
Die Features haben sich tatsächlich erst in der Pan­demie ergeben. Anfangs saßen ja alle zu Hause und mussten gucken, wie sie über die Runden kommen, das war ein toller Moment, sich international zu verbinden.

Du hast gerade schon angemerkt, dass sich das Musikbusiness wandelt. Besonders in der Rap-Szene wurde mehrfach der Frust bekundet, dass die Musik zur Nebensache und man immer mehr zu unbezahlten Mitarbeitenden bestimmter Plattformen wird, da man ständig Content liefern muss, um nicht vom Algorithmus geschluckt zu werden. Kommt bei euch auch Frust auf oder freut ihr euch eher über den zusätzlichen Kanal für eure Kreativität?
Die ganzen Plattformen sind natürlich auch für uns extreme Zeitfresser. Ich hatte jetzt eine Woche Urlaub und da habe ich bestimmt acht Stunden am Tag Instagram-Reels und TikTok-Videos vorproduziert. Es ist frustrierend, wie stark die Reichweite von Musik teilweise beschnitten wird, ohne soziale Netzwerke erreicht man keine neuen Leute mehr. Auf der anderen Seite ist es cool, dass sich völlig neue Fangruppen erschließen lassen oder man plötzlich Duette mit Artists auf der ganzen Welt machen kann. Dass Content aber vor der Musik im Vordergrund steht, finde ich schade.

Sind das Aspekte, über die du dir beim Songwriting Gedanken machst? Zum Beispiel, ob die Bildsprache stark genug ist oder der Refrain früh genug einsetzt?
Teils, teils. Mein Songwriting läuft so ab, dass ich alle Ideen mit dem Handy aufnehme. Aus diesen Fragmenten entstehen dann meine Songs, dabei denke ich aber nicht zwangsläufig an den Transfer in soziale Netzwerke. Ich schreibe keine 6-Minuten-Songs mehr, aber würde jetzt auch nicht auf Krampf einen 2-Minuten-Song machen, nur weil ich weiß, dass er vielleicht häufiger konsumiert werden würde. Musik ist immer noch ein wichtiges Ventil, um Emotionen zu verarbeiten, und wenn ich es rein mechanisch auspusten würde, dann würde der Sinn für mich als Songwriter verlorengehen, was wirklich traurig wäre.