Der Titel des neuen Albums ist als Ausdruck der entdeckungsfreudigen, vorwärts gerichteten Kreativität von FIT FOR AN AUTOPSY auszulegen: „Oh What The Future Holds“. Das Sextett aus New Jersey sucht sich abermals einen vielschichtigen und spannenden Weg durch die Untiefen zwischen Deathcore und Extrem-Metal.
Im Gespräch mit Gitarrist Will Putney geht es zunächst aber um die komfortable Aufstellung der 2008 gegründeten Gruppe: „Unsere Band arbeitet von jeher autark und ist von der Unterstützung anderer unabhängig – zumindest was das Aufnehmen und Produzieren unserer Songs anbelangt. Es war auch für uns hart, dass wegen der Pandemie Touren von jetzt auf gleich abgesagt wurden. Das ist die Geschichte, die man inzwischen millionenfach gehört hat, denn das betrifft jede tourende Band. Glücklicherweise hatten wir aber auch schon vor der Pandemie Nebenjobs und waren noch nie vollends auf die Musik angewiesen. Deshalb war es kein Problem, die Jobs Vollzeit auszufüllen, als das Touren länger nicht möglich war. Wir hatten keine existenziellen Nöte, aber viel mehr Zeit als sonst. Die Arbeit am neuen Album war angenehmer als üblich, denn es gab keine festen Deadlines. Normalerweise läuft es so, dass ich in meinem Kalender Zeit blocke, um an neuen Songs zu arbeiten. Das tue ich meistens alleine, ohne die Band miteinbeziehen zu können. Dieses Mal war das endlich wieder möglich. Das hat den Arbeitsprozess entspannt und zu diesem coolen Ergebnis geführt.“
FIT FOR AN AUTOPSY werden gemeinhin dem Deathcore zugeschlagen. Ein Interview von Will mit dem britischen Kerrang! sorgte Ende 2019 deshalb für reichlich Aufmerksamkeit, weil er das Genre für weitgehend überspielt und kreativ tot erklärte: „Zunächst einmal ist mir wichtig zu betonen, dass dies meine persönliche Sicht auf das Genre war und nicht die der Band“, fängt der Gitarrist und renommierte Spielart-Produzent an. „Dazu muss man wissen, dass ich noch nie ein großer Deathcore-Fan gewesen bin. Natürlich ist es mir bewusst, dass FIT FOR AN AUTOPSY von vielen als Deathcore-Band gesehen werden und wir regelmäßig mit anderen Gruppen dieser Richtung unterwegs sind. Das stört mich auch nicht, weil ich die Gründe dafür nachvollziehen kann und mit vielen Musikern dieser Szene eng befreundet bin. Als wir mit der Band losgelegt haben, hat uns die noisige und abgedrehte Welt der Bands von Black Market Activities, von THE RED CHORD und ähnlich gelagerten Gruppen fasziniert, die den Death Metal breit interpretiert und ihm einen eigenen Twist gegeben haben. FIT FOR AN AUTOPSY sind dann aber nie so eine Band geworden. Mein Punkt in dem Interview war vor allem, dass viele Bands gefühlt endlos auf Tour gehen, sobald sie einige Songs beisammenhaben. Im Ergebnis führt das dazu, dass sie recht schnell alle gleich klingen, weil jeder auf den anderen schaut. Natürlich gibt es Gruppen, die herausragen und die ich schon allein für ihre Kreativität und ihr Talent respektiere. Und inzwischen beurteile ich den Status quo auch deutlich positiver als noch zu der Zeit, als ich das Kerrang!-Interview gegeben habe. In den letzten Monaten sind viele gute Alben erschienen, die meinen Glauben wiederhergestellt haben.“
Wills Sichtweise ist nachvollziehbar. Gleichwohl ist es in allen Musikgattungen zu beobachten, dass sich Bands aneinander orientieren: „Daran ist per se auch nichts auszusetzen, nur darf man sich nicht darauf ausruhen und zu einer bloßen Kopie verkommen“, erwidert der Gitarrist. „Denn das langweilt die Leute und lässt sie nach etwas Neuem suchen, das sie noch nicht kennen. So war es, als KILLSWITCH ENGAGE durch die Decke gingen, oder später bei BRING ME THE HORIZON. Es ist verständlich, dass man gerade bei den ersten Schritten als Musiker diejenigen nachahmt, die man toll findet. So haben wir alle angefangen. Doch dann muss es irgendwann darum gehen, sich eine eigene Identität anzueignen. Spätestens wenn sich das musikalische Umfeld ändert, bringt es nichts mehr, wenn man mit seinem Sound nur andere nachahmt. Natürlich ist es immer ein Geben und Nehmen. Auch wir haben eine Weile gebraucht, um uns darüber klar zu werden, wo unsere Prioritäten liegen und was uns auszeichnet. Um das zu erreichen, muss man sich ausprobieren und hart arbeiten.“
Mit seinem sechsten Album „Oh What The Future Holds“ stellt das Sextett aus New Jersey eindrucksvoll heraus, dass es seine eigene Nische gefunden hat: „FIT FOR AN AUTOPSY haben sich in einem Raum zwischen verschiedenen Stühlen eingerichtet“, weiß Will. „Wir klingen irgendwie anders, ohne dass sich so richtig sagen lässt warum. Es ist nicht der typische Deathcore, aber auch nicht Death Metal oder extremer Metal. Für mich liegt der Grund dafür darin, dass unser Geschmack breit gefächert ist und sich nicht in einzelnen Sub-Genres erschöpft. Wir nehmen unser Songwriting ernst und suchen nie die leichten Lösungsmuster. Stattdessen integrieren wir Ideen aus vielen Bereichen und klingen dadurch frisch. Für mich drückt sich dadurch aus, dass wir auf unserem eigenen Pfad unterwegs sind. Es freut mich festzustellen, dass den Leuten das immer öfter auffällt.“
Durch die Studioarbeit für andere Gruppen wie EVERY TIME I DIE, GOJIRA, THE ACACIA STRAIN, THY ART IS MURDER, AFTER THE BURIAL weiß der Musiker und Produzent, was er mag und was nicht: „Ich bin dankbar dafür, so viel Zeit mit talentierten Musikern zu verbringen. Natürlich schaue ich mir Tricks und Kniffe ab, was das Songwriting anbelangt. Dabei erkenne ich, was ich mit unserer Band nicht versuchen werde. Das ist eine wichtige Erkenntnis. Im Studio gewinne ich oftmals frühzeitig einen Eindruck davon, welche Ideen und Spielmuster sich in der Breite durchsetzen und damit gewöhnlich werden. Ich kann Trends abschätzen und bemerke, wer von anderen kopiert wird. Diese Eindrücke helfen mir abzustecken, was FIT FOR AN AUTOPSY besser nicht tun. Wenn ich darüber nachdenke, liegt der große Vorteil meiner Studioarbeit tatsächlich darin, ein gesundes Gespür dafür zu entwickeln, was wir lassen sollten.“
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