Anfang Mai gastierten FIRESIDE im Münchner Orange House, um dort ihren mittlerweile fünften Longplayer „Get Shot“ vorzustellen. Die neuen Songs standen dann auch im Mittelpunkt der viel zu kurzen Show, obwohl man auf Klassiker wie „Sweatbead“ trotzdem nicht verzichten musste. Ein Blick ins Publikum während der Show brachte einen interessanten Eindruck von der Relevanz FIRESIDEs für die schwedische Musikszene zum Vorschein. Dort trieben sich neben der Vorband DE STIJL auch noch die Kollegen von SATIRNINE, LOGH und RANDY herum, die ihre Landsmänner frenetisch feierten.
All das spornte Pelle, Kristofer und Co offensichtlich zu musikalischen Höchstleistungen an, denn so intensiv rockend hätte ich mir eine FIRESIDE-Show niemals vorgestellt. Und schließlich entschieden sich die Fünf abends noch kurzerhand, die eigentlich geplante Show in Mailand am nächsten Tag gegen einen Support-Gig für ihr Kumpels von RANDY in Österreich zu tauschen ...
Pelle Gunnerfeldt, kreativer Kopf hinter FIRESIDE und Produzent von Bands wie ISOLATION YEARS, RANDY oder der (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY, war nach drei Tagen mit schwerer Grippe zwar noch etwas angeschlagen, gab sich aber größte Mühe, meine Fragen ausführlich zu beantworten.
Pelle, wenn du euer letztes Album „Elite“, das ja kommerziell ein ziemlicher Reinfall war, heute beurteilst, was denkst du darüber?
Ich liebe es nach wie vor. Es ist wahrscheinlich unser bestes Album, aber wohl einfach nichts für die breite Masse gewesen. Mit ‚Elite‘ habe ich mir damals einen Traum erfüllt.
Ich könnte mir vorstellen, dass diese Stücke live einfach nicht richtig funktionieren.
Schwer zu sagen. Wir haben in Schweden zu acht eine Tour gespielt, für die wir vier Wochen geprobt haben. Das war großartig und die Songs haben prima funktioniert. Aber für eine Europa-Tour kannst du dir so viele Musiker nicht leisten. Jetzt sind wir zu fünft, ist aber immer noch okay.
Zum „Get Shot“-Opener „All you had“ habt ihr sogar einen Clip gedreht. Worum geht es da?
Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung. Wir kommen in dem Video kaum vor. Es geht um einen alten Geschäftsmann, der offenbar paranoid ist und vor irgendwas weg rennt. Der Regisseur ist eigentlich Photograph, kann geschickt mit verschiedener Beleuchtung arbeiten und hat den Clip in einer außergewöhnlichen Atmosphäre gehalten. Er erwähnte Filme wie ‚Der Eissturm‘ oder ‚Midnight Cowboy‘, die mir sehr gefallen. Das war einer der Gründe, weshalb wir uns für ihn entschieden haben.
Im Booklet zu „Get Shot“ gibt es leider keine Texte. Bei zwei Titeln würde mich interessieren, was ihr euch dabei gedacht habt. Zum einen „Backwards over Germany“ ...
... Kristofer hat den Text geschrieben, als er hier auf Tour war. Er saß verkehrt herum in seinem Nightliner, was ihn zu dem Titel inspiriert hat. Nicht gerade logisch, gebe ich zu.
Wie steht es mit „Swingin’ Sid’s Chain around“?
Hier hat der Titel gar nichts mit den Lyrics zu tun. Inspiriert ist das Ganze von Sid Vicious, der bei Auftritten anstelle Pogo zu tanzen immer mit einer Kette um sich schleuderte, damit ihm niemand zu nahe kommt.
Produziert wurde die neue Scheibe diesmal von Kalle Gustafsson von SOUNDTRACK OF OUR LIVES.
Seine Arbeit war wahnsinnig wichtig für ‚Get Shot‘ und wir rechnen ihn eigentlich schon als Teil von FIRESIDE. Nachdem ich selbst Bands produziere und auch die anderen Alben von uns übernommen hatte, konnte ich diesmal nur hin und wieder im Studio dabei sein. Wir haben uns ständig gestritten, besonders Kalle und ich. Ich liebe seine Arbeit, aber ich habe völlig andere Ansichten. Schön war, dass ich diesmal nur Gitarre spielen musste – genau das, was ich wollte.
Ihr seid ja alle auch außerhalb der Band beschäftigt. Wie kann man sich denn die Entstehung eines FIRESIDE-Songs vorstellen?
Ich schreibe fast alle Stücke alleine. Manchmal kommen die anderen mit Songideen zu mir, aus denen ich dann einen Track mache. Die Sachen entstehen zu Beginn alle auf dem Computer. Wir proben eigentlich auch nicht wirklich zusammen, bis wir tatsächlich ins Studio gehen.
Würdest du FIRESIDE dann überhaupt als richtige Band bezeichnen?
Zumindest nicht als die Art von Band, in der du drei Jahre lang zusammen spielst, dann einen Plattenvertrag bekommst, und so weiter. So haben wir zwar auch angefangen, aber das ist jetzt über zehn Jahre her. Das, was am meisten Spaß macht, ist die Stücke zu schreiben. Wir fühlen uns viel freier, uns einfach immer mal wieder zu treffen, über die Songs zu sprechen und daran zu feilen. Und weil wir dabei so verschiedene Vorstellungen haben, war diesmal auch ein externer Produzent sehr wichtig, der das Ganze in geordnete Bahnen lenkt. Solange wir aber auf Tour sind, ist FIRESIDE definitiv eine richtige Band.
Vor einem halben Jahr habe ich mit eurem Sänger Kristofer Aström gesprochen. Er meinte, dass seine HIDDEN TRUCK-Stücke eher aus dem Bauch heraus entstehen, während die FIRESIDE-Songs kopflastiger ausfallen. Meiner Meinung nach ist die Sache bei „Get Shot“ anders herum gelaufen.
Hm, eigentlich schreibt Kristofer für FIRESIDE keine Songs, zumindest nicht auf dem neuen Album. Für die Texte mag das aber zutreffen. Ich glaube, er will die FIRESIDE-Lyrics ein bisschen ‚cooler‘ halten, während sie bei seinen Soloalben eher ungekünstelt und gefühlvoll sein sollen.
In Deutschland seid ihr mit der neuen Platte von Stickman zu V2 gewechselt, während ihr in Schweden nach wie vor auf dem sehr sympathischen Startracks-Label seid.
Ja, aber wir hatten mit der Entscheidung eigentlich kaum etwas zu tun. Wir vertrauen da voll und ganz Frederik von Startracks, der offenbar denkt, dass wir auf V2 besser aufgehoben sind. Unzufrieden waren wir mit der Arbeit von Stickman jedenfalls nicht.
Du bist inzwischen auch ein sehr gefragter Produzent. Wie entscheidest du, mit welcher Band du zusammen arbeitest?
Wenn ich Zeit habe eigentlich mit jeder, die mich fragt. Seit aber das HIVES-Album so erfolgreich war, kann ich den Angeboten leider gar nicht mehr allen nachkommen. Vor allen Dingen, weil FIRESIDE momentan natürlich auch sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Inzwischen beschränke ich mich auf Freunde oder Bands, die ich wirklich mag.
In Deutschland gibt es gerade wieder einen ziemlichen Metal-Hype, der ja praktisch von Schweden zu uns herüber geschwappt ist. Bekommst du viele Anfragen aus dieser Richtung?
Ja, hin und wieder. Aber eigentlich nur, weil ich mit einem anderen Pelle aus Umea verwechselt werde. Der hatte sich um das letzte REFUSED-Album gekümmert und ist gerade sehr gefragt. Ungefähr viermal im Jahr bekomme ich dann Anrufe von irgendwelchen Formationen aus Kalifornien, die den REFUSED-Sound haben möchten. Die verweise ich dann aber gleich weiter, denn sie würden meine Produktionen wohl hassen ...
Ihr habt mit FIRESIDE jetzt fünf Longplayer und unzählige Singles gemacht. Würde da nicht eine Art „Best Of“-Zusammenstellung Sinn machen? Gerade in Deutschland sind eure älteren Sachen nämlich schwer zu bekommen.
Darüber haben wir auch schon geredet. So etwas hängt aber nicht von uns ab, sondern von der Plattenfirma. Wir würden das schon machen, aber eigentlich ist es viel schöner, neue Songs zu schreiben. Die HIVES und viele andere haben so eine Compilation ja schon herausgebracht, so etwas scheint momentan regelrecht ‚in‘ zu sein. Vielleicht bekommen wir eine Anfrage, wenn wir nach Hause kommen.
Zum Schluss würde mich noch interessieren, welche Musik bei dir momentan läuft.
Eigentlich habe ich nicht viel Ahnung von aktueller Musik. Aber unser Roadie Mathias spielt auch in einer Band namens LOGH und versorgt mich ständig mit neuen Sachen. Ziemlich verrücktes Zeug und jede Menge Demos. Das ist eigentlich das Einzige, was ich mir momentan anhöre. Platten kaufe ich mir so gut wie nicht, denn ich schaue mir Bands eigentlich nur live an.
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