FEMINISMUS VS. MUSIKSZENE

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Teil 3: Die Rolle der Frau in einer Band

In den letzten zehn Jahren haben sich Frauen in der Indierock- und Punkrock-Szene viel erarbeitet, an Respekt ebenso wie an Lebensraum. Sie haben sich in Bereiche vorgekämpft, in denen zuvor nur Männer vertreten waren, und machen inzwischen Jobs, die im traditionellen Sinne wohl eigentlich als Männerarbeit angesehen werden, und fühlen sich gut dabei. Ganz normale Frauen eben, die auch einmal gerne über Make-Up und Jungs plaudern und sich gegenseitig Tampons zustecken. Die ihre Träume verwirklichen und machen, was sie am besten können. Egal, was hinter ihrem Rücken geredet wird, und wie oft sie ihren „Mann“ stehen müssen. Unbeirrt von schwierigen Beziehungen, furzenden Bandkollegen und sexistischen Überfällen kämpfen sie sich immer weiter vor in eine vormalige Männerdomäne, nehmen sich, was ihres ist, und erzählen, was sie sich erkämpfen mussten.

Kate Hiltz, die Tourmanagerin der BOUNCING SOULS, erzählt:
„Ich denke schon, dass ich etwas Besonderes tue, denke aber nicht, dass ich jemandem etwas beweisen muss. In den ersten Jahren, in denen ich auf Tour war, fragten mich viele Leute, insbesondere Frauen, wessen Freundin ich wäre. Für die meisten Leute war es unverständlich, dass eine Frau auf Tour sein konnte, ohne die Freundin von jemandem zu sein. Wenn ich mit Promotern oder anderen Managern oder Business-Leuten zusammenarbeiten musste, dachten die, eine Frau würde in diesem Job härter sein als nötig, entweder ein Roboter sein, oder ein weinerlicher Idiot. Dabei darf man nicht vergessen, dass dies eben auch manchmal der Fall ist, und sich die Leute auch mehr an solche Frauen erinnern als an jemanden, der nur seinen Job macht. Ich habe diesen Job nun zehn Jahre lang gemacht, und habe versucht, nichts anderes zu tun, als fair zu sein und freundlich, aber auch meine Seite zu vertreten. Und ich denke, dass es langsam auch auf diesem Weg klappt.“

Womit sie auch Recht hat, denn als ich damals angefangen habe, kleine Punk-Shows zu organisieren, waren Bands immer davon begeistert, eine Frau als lokale Promoterin zu sehen, da dies anscheinend ansonsten nicht, oder sehr selten, vorkam. Doch inzwischen sind Frauen, wenn auch leider immer noch prozentual seltener, in jedem Arbeitsbereich der Independent-Musikszene vertreten. Ob sie als lokale Promoterinnen, Bookerinnen, Musikerinnen, Merchandiserinnen, Mitarbeiterinnen bei Fanzines etc. arbeiten, Frauen haben sich inzwischen in alle Bereiche vorgekämpft. Zwar stimmen alle Frauen, die ich hierzu interviewt habe, darin überein, dass es für sie immer noch schwieriger ist, den Respekt zu erhalten, der ihnen eigentlich selbstverständlicherweise zustehen sollte, und es schwieriger ist, sich durchzusetzen, doch hat man vor zehn Jahren in den seltensten Fällen Frauen getroffen, die Fahrerin einer Band waren oder Konzerte organisiert haben.

Jenny Lewis, Sängerin und Gitarristin der Band RILO KILEY, ist ganz untypisch zur Musik gekommen: „Meine Eltern hatten in den 70ern eine Cover-Band. Meine Mum spielte Bass und sang, und mein Vater spielte Harmonika. Zur Unterstützung hatten sie eine Drum-Machine, das war sehr Avantgarde für die 70er. Sie spielten hauptsächlich Coversongs von Sonny und Cher und hießen LOVE’S WAY. Sie lernten sich dadurch auch kennen, denn meine Mutter antwortete auf eine Anzeige, die mein Dad aufgegeben hatte, in der nach einer Sängerin gesucht wurde. Ich wuchs also mit Leuten auf, die Musik machten. Meine Schwester spielte in einer PRETENDERS-Coverband, bevor ich überhaupt daran dachte, Musik zu machen, also hatte ich gar keine Chance, daran vorbei zu kommen,“ erinnert sie sich. „Ich wurde nicht reingedrängt, sondern meine Familie ist einfach so, denke ich. Wir sind eben eine sehr musikalische Familie. Später dann beeinflussten mich Künstler wir Liz Phair. Als ich mein erstes Liz Phair-Album bekam, dachte ich, ‚Wow, das ist serious shit!‘. Damit konnte ich mich identifizieren. Ich fing an, Klavier zu spielen, als ich acht Jahre alt war. Zu meinem 16. Geburtstag bekam ich dann eine akustische Gitarre. Und ich bekam davor sogar eine elektrische Gitarre und das hat mich total angekotzt! Ich habe sie zu Weihnachten bekommen und wollte eigentlich eine akustische Gitarre, habe das Geschenk aufgemacht und war so angekotzt. Aber dann haben meine Eltern sie umgetauscht. Meine Mum hatte einen Freund, und der zeigte mir dann die Chords zu ‚Desperado‘. Und das war zu Beginn der einzige Song, den ich spielen konnte. Immer und immer wieder. Und so fing alles an.“

Stefanie Drootin von THE GOOD LIFE und BRIGHT EYES fing schon an Musik zu machen, als sie acht Jahre alt war. Sie fing mit Klavier an, spielte dieses Instrument aber nicht sehr lange. Als sie 16 Jahre alt war, begann sie Bass zu spielen. „Ich hatte einen älteren Bruder,“ erzählt sie, „und der führte mich an die Musik heran. Meine Familie ist schon immer sehr musikalisch gewesen, meine Eltern haben zwar keine Instrumente gespielt, aber meine Großeltern, also war mein Umfeld schon immer sehr musikbezogen gewesen. Ich weiß nicht genau, wann ich anfing Indie-Rock zu hören, das war wahrscheinlich durch meinen Bruder. Ich habe eine Band namens fIREHOSE gesehen, und fand den Bassisten unglaublich cool, also kaufte ich mir einen Bass und fing an zu spielen.“

Kate Hiltz näherte sich wie folgt der Musik an: „Als kleines Mädchen spielte ich ‚It’s a Small World’ 500-mal am Stück, und sang immer den ‚Grease‘-Soundtrack mit. Aber ich denke, darum geht es hier nicht,“ lacht sie. „Ich liebte Musik schon immer und fing mit 12 ungefähr an, auf Shows zu gehen. Aktiv mit Musikern zusammen zu arbeiten fing ich nach dem College 1992 an, als ich nach New Brunswick zog. Zu diesem Zeitpunkt fing ich an mehr als nur ein Fan oder ein Zuschauer oder die kleine Schwester von jemandem zu sein.“

Weiter erzählt sie, wie sie mehr und mehr in die Musikszene eintauchte, und dann durch Zufall dort landete, wo sie heute ist. Wie sie in einem Futon-Geschäfts arbeitete, und dass dieser Laden ein „crazy place“ war, wo sich alle Freaks trafen. „Der Job war komisch und die Arbeitszeiten ebenso, also fing ich an, lauter Künstler und Musiker einzustellen. Wir versuchten unsere Shows gegenseitig zu unterstützen, und so lernte ich die Souls kennen, zuerst Bryan und dann den Rest. Irgendwann überredeten sie mich dann dazu, mir für eine sehr lange Zeit Ferien zu nehmen und mit ihnen auf Tour zu gehen. Ich denke, dass sie vielleicht dachten, dass ich sie dazu bringen würde, organisierter zu arbeiten und sie davon abbringen würde, all ihr Geld für Bier auszugeben. Das war irgendwann im Jahr 1994.“

All die portraitierten Frauen kommen mit ihren männlichen Bandkollegen gut aus. Zwar ist die Stimmung schon immer anders mit einer Frau an Bord, doch gibt es hier auch unterschiedliche Ansätze. So erzählt Jenny Lewis: „Ich denke, dass es ohne mich andere Gespräche gibt. Wenn ich dabei bin, zensieren sie etwas, da sie genau wissen, dass ich nichts von den Mädchen wissen will, mit denen sie nach der Show rummachen. Aber es ist eine interessante Dynamik und ich liebe Jungs, und hatte schon immer viele männliche Freunde und fühle mich oft wohler, mit Jungs rumzuhängen als mit Frauen. Was an sich interessant ist. Aber ich denke, es ist einfacher für Frauen mit Männern rumzuhängen, da Männer Frauen mehr durchgehen lassen. Wenn ich mit Frauen unterwegs bin, werden sie meinen Mist nicht so sehr akzeptieren, wie Männer das tun,“ sagt Jenny dazu, mit Jungs auf Tour zu sein. So wie es für sie manchmal schwieriger scheint, sich mit den Jungs und ihren Abenteuern auf Tour zu umgeben, so sehr mag sie ihre Bandkollegen anscheinend auch.

Auf der BRIGHT EYES/RILO KILEY-Tour im Frühjahr hatte sie jedoch auch eine weitere Frau mit auf Tour, Stefanie Drootin von BRIGHT EYES. Und Jenny sagt auch, dass es schön war, eine andere Frau mit auf Tour zu haben. da es eben einige Dinge gäbe, die nur Frauen verstehen können, und sie auch deswegen froh ist, mit Jenny auf Tour zu sein. „Allerdings bin ich auch mit den Jungs sehr offen, und es auch gewohnt mit Jungs auf Tour zu sein, aber manche Fragen kann man Jungs einfach nicht stellen. Es ist mir egal, ob ich nur mit Jungs oder auch mit Frauen unterwegs bin. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Ich werde nicht anders als Frau behandelt, die Jungs passen zwar etwas mehr auf mich auf, als sie auf sich gegenseitig aufpassen, aber ich bekomme jetzt keine besondere Behandlung. Aber ansonsten werde ich genau gleich behandelt, aber ich habe auch eine Art mütterlicher Rolle inne, zum Beispiel wenn sich jemand nicht gut fühlt, dann kommen sie zu mir.“ Außerdem denkt sie, dass sich die Jungs im Van besser benehmen wenn sie dabei ist. „Es ist einfach ein anderer Vibe, wenn eine Frau dabei ist, und das sagen sie auch selber alle. Es macht mir auch nichts aus, wenn sie mal ihre Jungs-Witze machen, da ich oft weiß, dass sie es auch nicht so meinen.“

Manchmal fühlt sich Jenny Lewis von dem typischen Verhalten der Jungs gegenüber Mädchen auf Shows aber doch gestört. Sie erzählt, dass sie in sexueller Hinsicht ein totaler Spätzünder war. „Musik kam bei mir immer an erster Stelle, ich war immer die Komische, die Person, die als letztes mit jemandem rumknutschte. Und nun bin ich fast 30 und fühle mich immer noch, als wäre ich erst 17, da ich eben noch nicht so viel Erfahrung habe und mich mit all diesen Dingen überhaupt nicht auskenne. Ich versuche gerade erst herauszufinden, wie diese Dinge funktionieren. Und wenn so etwas auf Tour um mich herum vorgeht und ich mich deswegen unwohl fühle, dann kann ich auch weggehen, zurück zum Bus. Oder ich sage deutlich, dass ich mich unwohl fühle, und das nicht in dem Backstage-Raum, der auch meiner ist, haben will. Ich habe auf der Tour versucht, netter zu den Groupies zu sein und habe herausgefunden, dass manche von ihnen wirklich sehr nett sind.“
Allerdings denkt sie nicht, dass es für einen Mann schwierig sein könnte, ihren Livestyle zu akzeptieren, „da Frauen weniger auf männliche Groupies eingehen, also denke ich nicht, dass mein Freund sich Sorgen macht, dass ich ihn betrüge.“

Stefanie Drootin hat in dieser Beziehung schon mehr Probleme, und sagt ganz offen, dass die Beziehung zu ihrem Ehemann schwierig ist, da sie aus beruflichen Gründen eben oft von zu Hause weg ist. „Mein Mann ist ein Künstler, er ist Maler. Er versteht zwar, dass ich einen Job habe, der nicht sehr praktisch für das Eheleben ist, da ich ja den größten Teil des Jahres immer von zu Hause weg bin, aber es ist trotzdem schwierig. Denn natürlich stören ihn meine männlichen Fans, wenn auch nicht zu sehr.“ Sie erklärt weiter, dass ihr Leben auch nicht immer so bleiben wird, wie es im Moment ist, denn sie will nicht ewig unterwegs sein. „Aber,“ lacht sie wissend, „Musik wird immer Teil meines Lebens sein, doch weiß ich noch nicht, was ich später machen will. Natürlich will ich auf jeden Fall in Musik involviert sein, aber ich will auch eine Familie haben. Aber noch nicht für eine lange, lange Zeit. Denn im Moment mache ich das, was ich mache, sehr gerne.“

Im Gegensatz zu Stefanie denkt Jenny Lewis, dass es schwieriger ist, eine Beziehung innerhalb der Band zu haben, als einen Mann, der zu Hause auf einen wartet. „Blake, Gitarrist von RILO KILEY, und ich waren mal zusammen, als wir die Band anfingen, und am Anfang war das auch super, doch am Ende entpuppte sich die Beziehung als ein Desaster, da wir zu viele Aspekte unseres Lebens miteinander teilen mussten. Sein Leben und sein Liebesleben und seine Band zu teilen, ist einfach zu viel. Zwar ist mein Freund gerade hier mit auf Tour, denn dieses Jahr werden wir so ungefähr acht Monate auf Tour sein, und das ist natürlich sehr belastend für eine Beziehung, also kommt er mich manchmal unterwegs besuchen. Und jedes Mal wenn ich heimkomme, fühlt es sich wie etwas Besonderes an!“

Robert Ehrenbrand, Kate Hiltzs Freund, erklärt die andere Seite ihrer Beziehung, allerdings scheint er keine Probleme damit zu haben, dass seine Freundin den Großteil des Jahres mit musizierenden Punker-Jungs verbringt. Er meint das Glück zu haben, dass die BOUNCING SOULS einfach eine echte Familie für ihn sind, der er sich auch zugehörig fühlt. „Die Souls gehen alle sehr, sehr respektvoll miteinander um und passen gut auf einander auf. Es ist sehr inspirierend zu sehen, wie menschlich und ehrlich sie miteinander umgehen. Ich versuche einfach Kate in dem, was sie machen will, zu unterstützen. Und wenn die Souls nicht auf Tour sind, hängen wir alle viel gemeinsam rum, da kommt keine Eifersucht auf. Außer vielleicht von Kates Seite, weil Pete und ich zuviel im Keller beim Aufnehmen sind.“

Trotz ihrer Sonderstellung als Frau denkt Jenny Lewis nicht, dass es ihre Aufgabe ist, ein Vorbild zu sein, da sie ihr persönliches Leben in keiner Weise als vorbildhaft ansieht. Doch meint sie, dass es nicht genug weibliche Musiker da draußen gibt. „Deshalb ist es wichtig, Frauen dazu zu bringen, hinaus zugehen und zu sagen, was sie zu sagen haben, und ihnen auch Mut zu machen, dies zu tun. Denn die Rock-Szene ist so Männer-orientiert! Ich denke Frauen lernen ganz anders als Männer, zum Beispiel in der Schule, und man muss sie auch anders ermutigen. Für mich war es ganz toll, dass ich in die ganze Omaha-Szene hineinkam, Frauen wie Stef oder Orenda und Maria von AZURE RAY kennen gelernt habe, die alle sehr talentiert sind. Das war sehr ermutigend für mich, eine Musikerin, die aus der L.A.-Musik-Szene kommt, einer Szene, die sehr von Männern dominiert wird. Dadurch, dass ich diese Frauen kennen lernte, wollte ich noch eine bessere Musikerin werden, das hat mir sehr geholfen.“