2018 Jahr feiern ELÄKELÄISET ihr 25. Jubiläum. Die Band aus Joensuu, einer Kleinstadt im Osten Finnlands, etwa sechzig Kilometer von der russischen Grenze entfernt, verpasst internationalen Hits ein neues Gewand. Sie spielen die Songs als so genannten Humppa, eine Art finnischer Foxtrott, und ändern die Texte in Senioren-Versionen um. Denn ELÄKELÄISET heißt übersetzt Rentner. Zum runden Jubiläum veröffentlichen die Finnen „Humppamania!“, eine Werkschau mit fast fünfzig Songs, sechs davon sind für die Compilation neu entstanden. Im Ox-Interview verrät Frontmann Jarmo „Toppo“ Koponen, der sich bei ELÄKELÄISET Onni Waris nennt, warum es auch nach 25 Jahren immer noch einen Heidenspaß macht, mit dieser Band unterwegs zu sein.
Wie soll ich dich jetzt nennen? Jarmo? Toppo? Onni?
Mein bürgerlicher Name ist Jarmo Koponen, diesen Namen haben mir meine Eltern gegeben. Als wir unsere erste Band KUMIKAMELI gegründet haben, wurde ich gezwungen, den Spitznamen Toppo anzunehmen. In Finnischen bedeutet dieses Wort „Idiot“. In dieser Zeit habe ich jede Menge Blödsinn gemacht, also wurde ich dem Namen langsam gerecht. Und als wir ELÄKELÄISET gründeten, haben wir uns wieder andere Namen gegeben. Diese Namen bestehen aus den Mädchennamen unserer Mütter als Nachname und unserem zweiten Vornamen. Deshalb also bei mir Onni Waris.
In Deutschland sind ELÄKELÄISET ein Underground-Ding. Wie groß seid ihr zu Hause in Finnland?
In Finnland sind wir auch eine Indie-Band. Wenn wir in großen Universitätsstädten spielen, sind die Clubs voll. Da kommen zwischen 300 und 600 Leute. Aber wenn wir aufs Land rausfahren, kommt keine Sau. Das größte Publikum haben wir, wenn wir auf Festivals spielen. Wir bekommen kein Radio-Airplay, aber unsere Songs laufen auf Spotify und die Videos auf YouTube. Im finnischen Radio läuft nur Mainstream-Musik.
Was war der Plan, als ihr ELÄKELÄISET vor 25 Jahren gegründet habt?
Unsere Hauptband ist eigentlich KUMIKAMELI, übersetzt heißt das Gummikamel, und wir hatten eine Tradition, dass wir uns jedes Jahr eine spezielle Show für finnische Rock-Festivals ausgedacht haben. Vor ELÄKELÄISET haben wir uns zum Beispiel als Strafgefangene verkleidet und haben nur Gefängnis-Songs wie „Jailhouse rock“ oder „Riot in cell block number nine“ gespielt. ELÄKELÄISET waren also eigentlich nur als Witz für einen Sommer gedacht. Wir haben 1993 bei fünf oder sechs Festivals gespielt und dann die Band wieder aufgelöst. Aber die Nachfrage war so gewaltig, dass wir uns entschlossen haben, noch ein paar Gigs dranzuhängen. Eigentlich wollten wir uns wieder auf KUMIKAMELI konzentrieren, aber dann kam dieser Anruf aus Deutschland, dass sie unser erstes Album dort veröffentlichen wollen. Allerdings müssten wir dort 1996 auch auf Tour gehen. Seitdem sind wir quasi pausenlos unterwegs. Die absurde Idee war, sich anzuziehen wie Rentner und über die Probleme von Senioren zu singen.
Was ist aus KUMIKAMELI geworden, gibt es die Band noch?
Wir haben mal eine lange Pause gemacht, weil wir einen Riesenstreit in der Band hatten. Damals sind zwei Jungs von ELÄKELÄISET und KUMIKAMELI ausgestiegen. Und es hat eineinhalb Jahre gedauert, bis wir Ersatz gefunden hatten. Die Band gibt es aber seitdem ohne Unterbrechung. Wir haben erst im November neue Songs mit KUMIKAMELI aufgenommen. Wir spielen so etwa zwanzig Gigs im Jahr, mit ELÄKELÄISET sind es doppelt so viele. Beide Bands existieren also nebeneinander. Außerdem gibt es noch unsere Hardcore-Punk-Band namens ATK und ein totales Weirdo-Projekt namens TEKRAMÜTISCH.
Leider kann ich Finnisch nicht verstehen. Worum geht es in den Texten von ELÄKELÄISET?
Bei herkömmlicher Rockmusik geht es in den Texten vor allem um Sex, Drugs & Rock’n’Roll. ELÄKELÄISET waren die komplette Antithese dazu. Kein Sex, keine Drogen, kein Rock’n’Roll. Wir singen also über die Probleme von alten Leuten, die jeden Tag Pillen schlucken müssen. Wenn sie Sex haben wollen, brauchen sie Viagra. Sie haben einen fürchterlichen Kater nach Alkoholkonsum und vergessen immer alles. Beobachte einfach deinen Opa für einen Tag, dann verstehst du unsere Texte. Haha. Oder schau dich einfach mal im Seniorenheim um.
2010 habt ihr euch mit ELÄKELÄISET sogar für den Eurovision Song Contest beworben. Wie ist das gelaufen?
Leute vom finnischen Fernsehen haben uns gefragt, ob wir nicht beim nationalen Vorentscheid für Finnland antreten wollen. Natürlich hatten wir Lust darauf. Und wir haben es tatsächlich bis unter die letzten drei geschafft. Dann sind wir aber ausgeschieden. Zum Glück. Das Frauenduo KUUNKUISKAAJAT hat gewonnen. Wenn wir den Sieg geholt und damit Schlagzeilen gemacht hätten, hätte die Presse wohl alle unsere bisherigen Veröffentlichungen durch den Kakao gezogen. Zum Beispiel diverse YouTube-Videos, in denen wir nackt performen. Oder unsere Bandbiografie „Suuri suomalainen juopottelukirja“, übersetzt heißt das „Das große finnische Saufbuch“. Dann hätten wir bestimmt unsere Jobs und unsere Familien verloren, haha. Zum Glück wurden wir also nur Dritte.
Mit „Humppamania!“ feiern ELÄKELÄISET ihren 25. Geburtstag. Ist da eigentlich noch mehr geplant, vielleicht spezielle Konzerte?
Ich denke nicht. Dieses Jahr waren wir schon viel unterwegs. Unsere nächsten Konzerte stehen erst für April 2019 an. Momentan bereiten wir das nächste Album vor und das ist wirklich ein Knochenjob. Denn wir müssen die Erlaubnis von allen originalen Künstlern einholen, dass wir ihre Texte übersetzen dürfen. Wir müssen unsere blödsinnigen Versionen auf Englisch übersetzen und dann die Künstler überzeugen, dem zuzustimmen. Ungefähr nur zehn Prozent dieser Anfragen werden positiv beantwortet. Wir müssen also hunderte Texte schreiben, um zehn Songs zusammenzubekommen. Das nervt total. Deshalb haben wir letztes Jahr auch dieses „Humppa Of Finland“-Album gemacht. Denn unsere finnischen Freunde MELROSE, SUNRISE AVENUE oder LORDI haben sofort zugestimmt. Das neue Album wird aber wieder sehr mühsam.
Warum ist es so schwierig, die Zustimmung von den Bands aus dem Ausland zu bekommen?
Viele Künstler mögen es nicht, dass wir uns über sie lustig machen. Wenn jemand von einer Frau mit großen Brüsten und tollem Arsch singt, dann machen wir daraus eine Rentnerin mit Hängebrüsten und Cellulitis. BAD RELIGION zum Beispiel haben versucht, uns zu verklagen, weil wir eine lustige Version ihres Songs „American Jesus“ aufgenommen haben. Und die SCORPIONS wollten uns wirklich an die Wand nageln, weil wir aus „Wind of change“ einen Song namens „Sauerkraut-Humppa“ gemacht haben. Sie haben gedroht, uns bettelarm zu machen, wenn wir diesen Song spielen. Ihr Manager war sogar bei einem Konzert von uns, um das zu überwachen. Und gleich der zweite Song war „Wind of change“, da hat sich natürlich gleich das Höllentor geöffnet. Aber sie haben dann versucht, Geld von einer Person namens Onni Waris zu kriegen, und diese Person existiert nicht. Genauso wenig wie die anderen Charaktere in der Band. Wir haben uns also diese Namen auch ausgedacht, um uns zu schützen.
Ich habe noch eine andere Geschichte über euch gehört. Dass ihr Alkohol für eure Fans in Erdlöchern versteckt. Stimmt das?
Das hat angefangen, als wir das erste Mal in Deutschland unterwegs waren. Damals waren wir mit einem Kleinbus unterwegs und wir packten allen Alkohol aus dem Backstage in den Kofferraum, um ihn mit nach Finnland zu nehmen. Aber nach ein paar Jahren verdienten wir mit unseren Konzerten so viel Geld, dass wir es uns leisten konnten zu fliegen. Dann haben wir einen Kleinbus in Deutschland angemietet. Und wenn der Van randvoll mit Alkohol war und wir den Mietwagen zurückgeben mussten, kamen wir auf die Idee, die Flaschen irgendwo an der Autobahn zu verstecken. Dann haben wir Karten gezeichnet, so dass entweder wir oder unsere Fans die Verstecke finden können. Das machen wir heute immer noch. In Finnland geht das nicht, weil der Boden im Winter komplett zufriert. Aber in Deutschland ist das Klima milder, da funktioniert das. Unseren Fans geben wir dann Hinweise über Facebook. Wir fotografieren die Pläne und laden sie hoch.
Von ELÄKELÄISET könnt ihr mit vierzig Shows im Jahr nicht leben. Wovon bezahlt ihr eure Miete?
Ich arbeite als Computerspezialist an einer Berufsschule. Unser Keyboarder arbeitet in einem Kindergarten und der Drummer ist in einem großen Medien-Unternehmen beschäftigt, das zum Beispiel alle Werbespots von Volkswagen oder Skoda in Finnland dreht. Unser Bassist arbeitet in einem Postamt und der Akkordeonspieler ist bei Hewlett Packard angestellt. Wir müssen also alle Überstunden und unseren Urlaub zusammenkratzen, um auf Tour gehen zu können.
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