EAST CAMERON FOLKCORE

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History repeats itself

Vor drei Jahren hat großer Durst die Labelmacher von Grand Hotel van Cleef und die bis dato noch unbekannte Band aus Austin, Texas zusammengeführt. Und so soll Thees Uhlmann-Intimus Rainer G. Ott 2013 beim SXSW-Festival in Austin auf der Suche nach billigem Bier quasi über EAST CAMERON FOLKCORE gestolpert sein – es war Liebe auf den ersten Blick. Noch im gleichen Jahr erschien das erste Album „For Sale“ beim TOMTE-Rennstall in Hamburg. Und schon zwei Jahre später das monumentale Album „Kingdom Of Fear“. Doch 2016 ist alles anders bei den Texanern, die lange als Independent-Big-Band vermarktet wurden, wie uns Sänger Jesse Moore im folgenden Interview erklärt.

Jesse, das neue Album „Better Off“ wirkt auf mich total abgespeckt. Weniger Songs, weniger Musiker und weniger Stimmen.

Das ist eine sehr treffende Analyse. Ich mag den Gedanken, in dreißig Minuten auf den Punkt zu kommen, nach so einem epischen Album wie „Kingdom Of Fear“ mit 14 Songs und über einer Stunde Spielzeit. „Kingdom Of Fear“ war einfach in jeder Beziehung riesig. Die Aufnahmezeit im Studio war enorm lang und auch emotional war es eine schwierige Phase für mich, meine Mutter wurde damals wegen Brustkrebs behandelt. Zu dieser Zeit war die Band noch größer, wir hatten aber auch einige Teilzeit-Mitglieder. Aber als wir von unserer Europatour zurückkamen, begann es sich zu verwandeln. Wir hatten erfahren, was es bedeutet, professionelle Musiker zu sein. Viele haben die Band verlassen, weil das mit dem Touren zu kompliziert wurde. Man muss vielleicht seine Arbeit kündigen, seine Familie alleine lassen, und damit waren einige unglücklich. Wir mussten uns also neu erfinden und unseren Sound weiterentwickeln. Viele Arrangements von „Kingdom Of Fear“ konnten wir zu sechst überhaupt nicht mehr umsetzen.

Durch die Verkleinerung des Line-ups hat sich der Sound der Band also automatisch mit verändert?

Natürlich. Auf der anderen Seite musst du natürlich wissen, dass wir keines unserer alten Alben live aufgenommen haben. Die Hälfte aller Instrumente habe immer ich eingespielt, zum Beispiel alle Klavier- und Orgelspuren. Wir hätten also ins Studio gehen und erneut unseren alten großen Sound produzieren können. Doch diesmal sollte es einfach anders klingen, und zwar so wie wir als Band, wenn wir alle zusammen in einem Raum spielen.

Das muss doch furchtbar anstrengend sein, mit so vielen Leuten unterwegs zu sein. Man muss immer auf jemanden warten und ohne Ende diskutieren, oder?

Das ist wie ein Schulausflug mit einer großen Klasse. Es ist schon eine Kraftanstrengung, zehn Leute dazu zu bringen, den Atlantik zu überqueren und dafür ihre Ehefrauen zu Hause zurückzulassen. Man wächst aber sehr schnell zusammen, wenn man gemeinsam unterwegs ist und jeden Abend zwei Stunden auf der Bühne steht.

Das Thema des Vorgängeralbums „Kingdom Of Fear“ war die große Angst, die von Politikern in den Medien geschürt wird, damit sie ihre Ziele durchsetzen können. Worum geht es bei „Better Off“?

Genau genommen ist „Better Off“ inhaltlich eine Fortsetzung von „Kingdom Of Fear“. In den letzten Jahren hat sich ja auch herzlich wenig geändert. Wir haben die Inhalte aber diesmal musikalisch anders verpackt. In drei Songs geht es ganz konkret um den Klimawandel. „Better Off“ ist ein Aufruf zum Handeln, damit den Leuten bewusst wird, dass sie in ihrem persönlichen Leben auch Dinge verändern und dazu beitragen können, dass sich die Situation verbessert.

Zum Auftakt des Albums hört man die Stimme eines Wissenschaftlers. Wer ist das?

Das ist Richard Buckminster Fuller – Erfinder, Philosoph, Architekt und Universalgelehrter. Er schwört auf die Vorteile von Nachhaltigkeit und weist auf die Zusammenhänge globaler Vorgänge hin. Er hat erforscht, wie Menschen gut leben können und gleichzeitig weniger Einfluss auf die Umwelt nehmen. Er versucht seine Zuhörer zu überzeugen, wie wichtig es ist, in Einklang mit der Natur zu leben. Ich habe schon einige Bücher von ihm gelesen, in denen mögliche Ansätze vorgestellt werden, wie die Welt anders sein kann. Vor fünf Jahren hatte ich noch nicht einmal von ihm gehört, jetzt ist er mir sehr wichtig. Seine Worte motivieren mich jeden Tag, etwas zu verändern. Ich mag es einfach, wenn man Musik konsumiert und dabei sogar noch etwas lernt.

Für das Coverartwork habt ihr ein altes Ölgemälde von Thomas Cole verwendet. Wie kam es dazu?

Das war Zufall. Eigentlich wollte einer unserer Kumpels das Artwork machen, das ging aber irgendwie nicht voran. Dann habe ich angefangen, in Geschichtsbüchern über das Ende des römischen Imperiums zu recherchieren. Und dabei sind mir die Parallelen aufgefallen zwischen dem Untergang Roms und modernen Weltreichen. Dann bin ich bei einer Internet-Suche auf dieses Gemälde von 1836 mit dem Titel „Destruction“ gestoßen. Den Maler Thomas Cole kannte ich vorher gar nicht. Aber mit diesem Bild ließ sich die Bedeutung des Albumtitels „Better Off“ hervorragend illustrieren, und welche Konsequenzen bestimmtes Handeln hat. Es setzt unsere Zukunft in einen historischen Kontext. Wenn wir so weitermachen, wird sich die Vergangenheit wiederholen.

Die Platte erscheint beim Hamburger Label Grand Hotel van Cleef, gemischt hat „Better Off“ TOMTE-Keyboarder Simon Frontzek. Ihr pflegt enge Kontakte nach Deutschland.

Deutschland ist wie ein zweites Zuhause für uns. Wir würden als Band wahrscheinlich schon gar nicht mehr existieren, wenn wir nicht die Möglichkeit bekommen hätten, in Deutschland zu spielen. Unsere Karriere läuft dort viel besser als bei uns daheim in den Staaten. Wir haben in Amerika nicht einmal ein Label, sondern verkaufen die Tonträger über unsere eigene Website. In Amerika zu touren ist extrem schwierig. Wir mussten unsere Termine für den Herbst absagen, weil wir nicht genug verdient hätten, um die Kosten wieder einzuspielen. Allein der Support von Grand Hotel in Deutschland ermöglicht es uns immer noch, Musik zu machen und Platten aufzunehmen.

Ihr spielt also keine Tour zu „Better Off“ in den Staaten?

Wir waren im September in Amerika unterwegs, es ist aber sehr schlecht gelaufen, deshalb haben wir die zweite Hälfte abgesagt. Die Hälfte der Shows haben wir für unseren Mischer gespielt. Wir haben viele Stunden hier auf der Straße verbracht und eine Menge Geld verpulvert. Zudem sind die Bedingungen hier ganz anders als in Deutschland. Da bekommt man in jedem Venue ein Essen, Drinks und eine Unterkunft. Davon kann man in den USA nur träumen. Um ehrlich zu sein, gibt es hier in den Staaten kaum Interesse für unsere Musik. Ich bin etwas ratlos, denn in Deutschland sind unsere Konzerte gut besucht, selbst wenn uns dort noch niemand kennt. Wir haben schon alles Mögliche versucht, hier ein Label zu bekommen, aber leider erfolglos. Keine Ahnung, warum. Das ist sehr frustrierend.

Du selbst wohnst inzwischen nicht mehr in Texas. Ist Austin eigentlich immer noch ein gutes Pflaster für Musiker?

Das hat sich gewaltig geändert. Als Künstler ist es dort inzwischen sehr schwer zu überleben. Alles ist viel teurer geworden, und die Gier in dieser Stadt ist völlig außer Kontrolle geraten. Es ist schon lange nicht mehr die Stadt, in die ich vor zehn Jahren hergezogen bin. In meinen Augen ist die Entwicklung ähnlich wie in San Francisco, als in den späten Neunzigern der Dot.com-Boom kam. Austin wandelt sich auch gerade in eine Tech-City. Und die neue Technologie hat eine Menge Leute angelockt. Die gleichen Leute, die vor Jahren Silicon Valley gegründet haben, kommen jetzt nach Austin. Es geht hier also immer mehr um die neuesten Trends und die schicksten Restaurants. Als wir mit EAST CAMERON FOLKCORE angefangen haben, gab es noch jede Menge Kommunen, die sich gegenseitig unterstützt haben. Keiner von uns hatte jemals erwartet, dass wir einen Plattenvertrag bekommen. Das Leben in Austin war damals billig genug für uns, um unsere Kunst zu machen und nicht fünfzig Stunden die Woche arbeiten zu müssen.

Seit dem 8. November hat Amerika einen neuen Präsidenten: Donald Trump. Was sagt du dazu?

Es wird jetzt wirklich Zeit, nach Deutschland zu ziehen! Jetzt sind wir ziemlich am Arsch. Er ist ein ignoranter, schwachsinniger Rassist, der nicht in der Lage ist, dieses Land zu regieren. Es ist einfach nur peinlich. Es werden eine Menge beängstigende Dinge passieren, es wird wohl ziemlich chaotisch werden.