DRIFTWOOD FAIRYTALES

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Schokoladen-Punk mit Herz und Hingabe

Dass früher alles besser war, ist längst bekannt. Auch dass alles schon mal da war. Aber diese Maximen machen schlechte Laune und entsprechen keineswegs der Realität – natürlich erfindet niemand das Rad wirklich neu. Solange es aber motivierte Bands wie die legitimen Nachfolger von F-THREE gibt, findet man – insofern willig – auch in digitalen Zeiten kleine Perlen, die einem den Glauben an Punk im frühen Sinne erhalten, der sich nicht aus rudimentärem Krach speist, sondern vom Machen, Schaffen und Verändern lebt. Nachfolger bedeutet bei den DRIFTWOOD FAIRYTALES (DF) vor allem musikalische Evolution und Emanzipierung vom frühen Streetpunk hin zu vielschichtigem Power-Pop-Punk, der soundtechnisch einfach up to date und in seinem Wesen grundsympathisch ist. Nun, DF sind vier junge Herren (Zeki, Der Schöne Jan, Makke, Benis), die seit 2009 versuchen, der musikalischen Rezession etwas Greifbares entgegenzusetzen. Nicht weil man muss, sondern schlicht will. Dieser entscheidende Unterschied führt in der Konsequenz dann auch zu einer Entspanntheit, die es ab sofort auf dem Debütalbum „Trailer Parks And Unicorns“ zu hören gibt. Bei aller Freude darüber, konnte ich Bandkopf Zeki auch einige Statements zu unschönen Entwicklungen an der Spree abringen ...

F-THREE sind Geschichte, DF die Zukunft. Wie viel steckt darin noch vom Vorgänger?

Die Band war ein absolut prägender Abschnitt meines Lebens. Durch sie habe ich viele Orte gesehen, die ich vielleicht sonst nie gesehen hätte, und einige unglaublich liebe Menschen kennen gelernt. Auch wenn DF, musikalisch gesehen, nichts mehr mit F-THREE zu tun haben, sind viele der Bekanntschaften geblieben. Aus vielen wurden Freundschaften, die sich bis heute halten, was das Unterwegssein immer noch zu etwas ganz Besonderem macht. Die anderen Jungs spielten und spielen ja auch in anderen Bands und haben da eine ähnliche Einstellung. Es ist einfach schön, Teil einer Gruppe von solch lieben und offenen Menschen zu sein, die sich Gedanken machen und etwas zu sagen haben, aber dennoch wissen, wie man Spaß haben kann. Musikalisch hat ohne Zweifel eine Entwicklung stattgefunden und ich hoffe, dass diese noch weitergeht, denn das macht das Ganze so spannend für uns alle.

... und warum wird 2011 euer Jahr?

2011 ist schon jetzt eines der politisch gesehen ereignisreichsten Jahre meines bisherigen Lebens. Ich bin mir sicher, dass viele der Geschehnisse in den Geschichtsbüchern unserer Kinder auftauchen werden. Bei den meisten ist noch schwierig abzusehen, in welche Richtung die Entwicklung fortschreiten wird, und damit meine ich nicht nur Kategorien wie positiv oder negativ. Schon allein daher wird 2011 ein Jahr werden, an das ich oft zurückdenken werde. Ein zweiter, so gesehen wesentlich unwichtigerer, aber besonders schöner Grund wird sein, dass wir im Juni endlich unser Debütalbum herausbringen konnten. Wir alle sind super glücklich damit.

Das dürft ihr auch sein. Ich finde sogar, dass es hierzulande nur wenige Bands gibt, die überhaupt solche kompakten Indierock-Singer/Songwriter-Punk-Songs hinbekommen, dickes Kompliment also. Vielleicht geht ihr mit dem Debütalbum direkt durch die Decke?

Vielen Dank. Also, ich meine, natürlich kann so etwas immer passieren, aber viel wahrscheinlicher ist, dass uns durch die Platte einfach ein paar mehr Menschen kennen lernen, wir ein bisschen öfter spielen können und das Leben ein bisschen schöner wird. Alles andere, schauen wir mal ...

Bleiben wir also realistisch, mit Plattenmachen ist als Band nicht mehr viel zu holen, daher muss es die Basis-Arbeit wettmachen. Mit Studium, Arbeit und Familie im Rücken wird diese aber nicht unbedingt leichter ...

Also leichter wird es wahrscheinlich nicht, aber ich bin ja der Meinung, wenn jemand Bock auf etwas hat, dann findet sie oder er auch Zeit dafür. Wir alle haben halt Bock auf diese Band und daher machen wir uns da auch keine Sorgen, sondern schauen einfach, was so passiert. Im Moment ist alles total entspannt. Wenn wir mal eine Konzertanfrage haben und jemand nicht kann, dann ist das halt so. Alle geben ihr Bestes, dass das nicht allzu oft vorkommt. Der Schöne Jan trommelt ja noch in seiner Doom-Band, SPANCER, und unser Bassist, Benis, ist immer mal wieder mit der BLOCKFLÖTE DES TODES unterwegs.

Themenwechsel. SO 36, Schokoladen, Liebig 14, vom Tacheles ganz zu schweigen. Der Raum für Alternativkultur in Berlin wird stetig kleiner. Inwiefern betrifft euch die fortschreitende Gentrifizierung ehemaliger Kieze, wie siehst du heute den Prenzlauer Berg?

Nun, ich wohne jetzt seit knapp neun Jahren in Berlin und es ist echt heftig, was hier alles seitdem passiert ist. Ich glaube aber, dass Kreativität in dieser Stadt immer seinen Platz finden wird. Im Prenzlauer Berg gibt es zum Beispiel den Kastanienkeller, trotz der Entwicklung in der Kastanienallee (Anm. des Verfassers: Paradebeispiel für sukzessive Kommerzialisierung eines gesamten Viertels durch Spekulation, Sanierungswut und Fördermittelabschöpfung). Man muss jedoch sagen, dass die Entwicklung dort natürlich schon so gut wie beendet ist und da nur noch wenig passiert. In Neukölln und Friedrichshain geht es derzeit viel mehr ab. Da werden Menschen, die dort seit mehr als zehn Jahren wohnen oder gar aufgewachsen sind, aus ihren Wohnungen geschmissen, weil das Haus saniert und dann für höhere Mieten weitervermietet wird. Die Menschen von früher können es sich dann nicht mehr leisten, dort zu wohnen. Da aber immer mehr Leute gewillt sind, die hohen Mieten zu zahlen, steigen diese natürlich. Die Vermieter wären ja auch schön blöd, wenn sie da nein sagen würden. Im Prinzip gibt es in Berlin immer noch günstige Wohnungen, man muss nur genauer schauen. Und es lohnt sich, denn wenn man diese hohen Mieten nicht zahlt, trägt man selbst auch nicht mit bei zu dieser Entwicklung.

Absolut. Blicken wir noch mal auf die Platte. Wie schwer war es, ein williges Label zu finden und welche „Features“ bietet sie?

Ich muss wirklich sagen, dass wir mit den Labels, die unser Album herausbringen, die absolute Traumaufstellung haben. Mit dabei sind Fond Of Life Productions, Gunner Records, Hectic Society und Angry Chuck. Joe von Fond Of Life ist echt voll dabei und bezahlt auch immer das Bier und die Premium-Cola in der Astra-Stube, ohne Scheiß. Gunnar, der in Bremen Gunner Records macht, bringt ja in regelmäßigen Abständen feine Perlen aus den Staaten hier rüber, und wir sind megafroh, dass er mit am Start ist. Hannes, Basti und Ben machen in Wiesbaden ihr kleines, aber feines Label Hectic Society und waren mit die ersten, die voll an uns geglaubt haben. Aleksey macht in Russland sein Label Angry Chuck Records und der Typ ist unglaublich. Der ist mit vollem Herzen dabei und unterstützt uns, wie es nur geht. Also, wir haben da echt eine richtig schöne, kleine Familie am Start. Was das Album angeht, singen meine Mutter und meine Freundin auf dem Teil. Na, also wenn das kein fettes Feature ist, oder? Außerdem spielt Robin Völkert von DEAN DIRG/THE NOW-DENIAL das Klavier auf „As long as we still remember“ und Hadl/BIONIC GHOST KIDS hat die Orgel und die Streicher beigetragen. Was die Verpackung der Tonträger –CD und LP – angeht, wird das auch richtig schön. Vielen Dank an Tobse Meyer für das wundervolle Layout-Design. Ach, und wo wir schon bei den Danksagungen sind: Die Tonmeisterei in Oldenburg ist echt das geilste Studio der Welt. Das muss mal gesagt werden.