DOWNFALL OF GAIA sind eine feste Größe in der deutschen Musikszene und haben sich in den letzten Jahren vom Crust-Underground aus vermehrt dem Post-Black-Metal angenähert. Auf dem neuen Album vereint die Band nun die frühen Wurzeln mit der musikalischen Entwicklung der letzten Jahre. Gitarrist und Sänger Dominik Goncalves spricht mit uns über den Entstehungsprozess von „Silhouettes Of Disgust“ und 15 Jahre Bandgeschichte.
Es fühlt sich gut an und ist schön, dass wir wieder was zu tun haben“, beschreibt Dominik das Gefühl, mit DOWNFALL OF GAIA kurz vor dem Release ihres neuen Albums zu stehen. Im gleichen Atemzug erwähnt er, wie komisch und nahezu ungewohnt das ist, nach drei Jahren, in denen aus Bandperspektive fast nichts passiert ist. „Wir hatten drei Shows in drei ganzen Jahren, das ist für uns schon sehr ungewöhnlich“, so Dominik. Als die Pandemie Deutschland erreichte, waren DOWNFALL OF GAIA gerade auf Tour, nun steht im Frühling 2023 eine weitere Tour an und die Band macht da weiter, wo sie aufgehört hat. Zwischenzeitlich ist das neue Album entstanden, womit sie allerdings auch erst begannen, als ein Ende in Sicht war, wie der Gitarrist und Sänger resümiert. „Wir haben in der Pandemie gar nichts gemacht. Alles lag still, kein Songwriting. Jeder hat die Zeit für sich genutzt und sein eigenes Ding gemacht, bis absehbar war, dass es wieder weitergeht.“
Fertiggestellt wurde das Album in vergleichsweiser kurzer Zeit. „Wir hatten auf jeden Fall wieder Bock. Nach der Pause gab es keinen konkreten Zeitpunkt, wann es wieder losgehen soll, aber wir hatten Hummeln im Hintern und Lust, das Ganze zügig anzugehen.“ Sechs Monate nach Beginn des Songwritings war man bereits im Studio, was auch daran lag, dass Gründungsmitglied Peter Wolff wieder Teil der Band ist und sich am Schreiben der Stücke beteiligte, so Dominik. „Diesmal war es 50/50. Bei den letzten Platten kamen die Demos und Gitarren komplett von mir. Diesmal hatte ich nur die Hälfte der Arbeit und deshalb ging alles auch viel schneller.“
Beständigkeit
Mit der Rückkehr von Peter sind wieder drei Gründungsmitglieder Teil der Band, die mittlerweile auf 15 Jahre Bestehen zurückblickt. Dass die Band so solide Bestand hat, wundert selbst Dominik manchmal. „Man hat viele Bands kommen und gehen sehen. Dass es bei uns so lange hält, ist schon ein bisschen besonders, weil die Voraussetzungen eigentlich gar nicht gegeben sind. Unser Drummer lebt in den USA, wir alle in unterschiedlichen Städten und Peter hat mittlerweile Familie, aber irgendwie läuft das.“
Dieser Abstand ist vielleicht auch etwas, das die Beständigkeit unterstützt, wie Dominik anfügt. Von der Idee einer wöchentlichen gemeinsamen Probe habe man sich schon lange verabschiedet. „Wir arbeiten zu Hause viel fokussierter und achten mehr auf Details, wenn wir Demos aufnehmen. Im Proberaum ist das alles ein großer Brei und wenn man sich dann noch jeden Mittwoch mit einer Kiste Bier trifft, um Ideen auszuprobieren, bleibt meist nicht viel hängen.“ Vielleicht ist es also die Distanz zu den anderen Bandmitgliedern, die dazu führt, dass es DOWNFALL OF GAIA schon so lange gibt.
Was hat sich geändert, wenn man den Prozess der letzten 15 Jahre vergleicht und berücksichtigt, dass sie mit Ausnahme des Schlagzeugers wieder in der Gründungsbesetzung agieren? „Ich glaube, nennen wir es mal ‚Professionalität‘ – in Anführungszeichen. Am Anfang war alles völlig chaotisch und wir wollten einfach nur was machen, was wir auch getan haben. Mittlerweile wissen wir, was wir wollen und wie wir das hinbekommen. Es wurde einfach alles professioneller. Aber man merkt schon den Unterschied zwischen der Zeit ohne Peter und heute. Es ist eigentlich so wie damals und das ist schön, ohne kitschig klingen zu wollen ... Es ist irgendwie alles wieder wie früher, als wir mit der Band angefangen haben.“
Back to the Roots
Meist schrieb Dominik komplette Songs, die als Demos angeliefert und dann im Kollektiv verfeinert wurden. „Jeder hat alles für sich vorbereitet und erst dann sind wir mit allen gemeinsam dran gegangen. Erst dann kamen die Drums, die Synthesizer und auch die Melodien dazu, die man noch mal ausgetauscht hat.“ Im gemeinsamen Streben nach neuer Musik zählte für die Band auch das Commitment zu den eigenen musikalischen Wurzeln. „Wir waren an einem Punkt, wo es angefangen hat, sich zu wiederholen, mal wieder. Also wollten wir was anderes machen – unsere Möglichkeiten sind aber begrenzt“, so Dominik. „Wir haben viel überlegt und dachten uns: Lasst es uns wieder wie damals machen und dem Sound eine Crusty-Ecke und mehr Schmutz zudem hinzufügen – aber ohne den Fortschritt zu verlieren. Wir wollten beide Welten miteinander kombinieren. Das, was sich ergeben hat und wo wir besser geworden sind, und das, was wir immer noch im Herzen haben, unsere Wurzeln, wo wir herkommen und was uns am meisten geprägt hat. Also dem bedeutendsten Teil unserer Bandgeschichte.“
Dieser neugewonnen Sound aus beiden Welten macht zum ersten Mal in der Geschichte der Band auch von Synthesizern Gebrauch. War das Klangbild von DOWNFALL OF GAIA stets atmosphärisch und von Gitarrenwänden geprägt, ist dieser Schritt ein logischer, worüber die Band selbst nicht lange nachgedacht hat. „Wie immer: Wir haben einfach gemacht. Die Songs haben wir so aufgezogen wie gewohnt. Viel Melodie, viel Atmosphäre und eben die Synths, die allerdings nur sparsam verwendet sind und dort platziert wurden, wo sich manche Parts vielleicht zu sehr gezogen haben. Es ist ja kein Synthpop-Album geworden, sondern hat unsere Musik dezent aufgefrischt. Es hat sich so ergeben, als die Instrumentals bereits standen und wir schauen konnten, wie man das Ganze noch abrunden kann.“
Etwas, das von Anfang an feststand, war der Plan, kürzere Songs zu schreiben. „Das war unser Ziel. Wir hatten keine Lust mehr auf Zehnminüter, die sich in Endlosschleifen verlieren. Das ist alles cool, aber war es nichts mehr für uns. Vielleicht sind wir auch verdorben durch das ganze Streaming und hören Musik nicht mehr so wie früher, aber wir hatten Lust auf Stücke, die kurz und knackig sind.“ In atmosphärischer Endlosigkeit zu enden, davor mussten sich DOWNFALL OF GAIA jedenfalls nicht bremsen.
Homogener Sound
Wenn man DOWNFALL OF GAIA etwas attestieren kann, dann dass sie ihren Sound gefunden haben und diesem über Alben hinweg treu geblieben sind. Dennoch gibt es kleine Details, wie die Synthesizer oder den weiblichen Gesang bei „Eyes to burning skies“, die diese Klangwelt erweitern. „Das ist definitiv kein Business Move. In unserem Sound wird nicht mehr viel passieren, aber kleine Spielereien wie diese sind Dinge, die man einfügen kann und die das Ganze noch mal spannender machen. Bei ‚Eyes to burning skies‘ hatten wir ein langes Intro und keine Idee, was wir damit machen sollten. Wir haben selbst versucht, clean zu singen, aber das klang ganz fürchterlich. Dann kam die Idee mit Lulu, der Freundin von unserem Schlagzeuger Michael, die zusammen leben und das Ganze schnell umsetzen konnten. Es war eine spontane Eingebung.“
Bei einem Sound, an dem sich nicht mehr viel ändern wird, wie Dominik eingesteht, besteht auch die Gefahr, dass einem die Ideen ausgehen. „Vor jedem Album habe ich diese Angst und denke, dass ich das so nicht machen kann, weil es das schon tausendmal gab. Zudem sind die Skills limitiert. Wir sind keine großen Gitarrenvirtuosen, sondern haben uns das über Jahre hinweg beigebracht. Es gibt viele Momente der Verzweiflung, wo man sich fragt, wie das Ganze fertig werden soll. In meinem Kopf klingt vieles oft ganz anders, als es über die Finger rauskommt. Viele Dinge funktionieren nicht und dadurch wird es am Ende so, wie es ist. Auch mit den Texten. Irgendwann hat man alle Wörter durchkonjugiert und das Gefühl, dass man denselben Song schon mal geschrieben hat.“ So wird es nicht einfacher, neue Musik zu schreiben.
Mögliche Kritik an einem zu einförmigen Sound von DOWNFALL OF GAIA bedeutet Dominik nicht viel. In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Band durchgesetzt und lebt auf „Silhouettes Of Disgust“ mit einem wiedergefundenen Punk-Spirit auf. „Mir ist das egal, weil ich genau so denke. Musik ist immer subjektiv und es gibt genug Sachen, bei denen ich den Hype nicht verstehe. Wenn jemand das über uns sagt, ist das okay. Es gibt zum Glück auch Leute, denen unsere Musik gut ins Ohr geht.“
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