Mit ihrem Debüt „Æther“ haben sie sich einen Namen in der internationalen Post-Black-Metal-Szene gemacht. Doch hier fühlen sich DÉLUGE eigentlich nur bedingt heimisch. Mit dem Release von „Ægo Templo“ entfernt sich die Band aus Metz weiter vom Black Metal und setzt stattdessen auf einen Sound zwischen Blast-Beats, Post-Hardcore und Post-Metal, der die emotionale Eindimensionalität des Melancholie-geladenen ersten Albums aufbricht. Gitarrist und Songwriter François-Thibaut Hordé erzählt uns etwas über das neue Album und warum sie ihre Musik gerne als „untrve Black Metal“ bezeichnen.
Bereits auf „Æther“ haben DÉLUGE den Aspekt des Sounddesigns genutzt, um eine dichte Atmosphäre zu kreieren. Diese Soundscapes und Geräuschkulissen sind ein großer Teil des künstlerischen Schaffens der Band, wie François-Thibaut erzählt. Auf dem Debütalbum waren insbesondere Regengüsse zu hören, die sinnbildlich für das Thema Melancholie standen. Hinter DÉLUGE steht denotativ die Vertonung der Sintflut (französisch: déluge), die auch in den Sound von „Ægo Templo“ eingearbeitet ist.
„Die Melancholie ist noch immer ein großer Teil unserer musikalischen Identität.“, erzählt der Gitarrist. „Jedoch verwenden wir sie diskreter als auf unserem Debüt.“ Stücke wie „Soufre“ und der Titeltrack des Albums beginnen mit Wellen, die für François-Thibaut eine mehrdimensionale Bedeutung aufweisen. „Wellen können melancholisch sein, aber auch andere Empfindungen wie Hoffnung ausdrücken“, die auf „Ægo Templo“ vor dem Gefühl der Melancholie zu verorten ist.
Die Essenz des Black Metal
François-Thibaut ist überzeugt, dass DÉLUGE nie eine wirkliche Black-Metal-Band gewesen sind. Auch wenn „Aether“ dieser Bezeichnung durchaus gerecht wurde, wie er kommentiert. „Es war ein Album, das geschrieben werden musste. Und wir mussten es so schreiben, wie es ist.“ Mit dem Nachfolger wollten DÉLUGE jedoch einen anderen Weg einschlagen. Auch weil das Leben sich in den vergangenen Jahren für alle in der Band geändert hat, wie François-Thibaut hinzufügt.
„Ich wollte, dass man sich das neue Album insgesamt einfacher anhören kann, aber zugleich die Melancholie und die Essenz unserer Musik beibehalten.“
Diese Essenz beschreibt der Gitarrist als die „primitive Energie“, die er im Black Metal fühlt und die fest im Sound von DÉLUGE verankert ist. Dennoch bezeichnen ihn die Franzosen als „untrve Black Metal“, einem Begriff, der anfangs nur als Scherz gemeint war, sich aber schnell zu einem eigenen Label entwickelte, wie François-Thibaut sagt: „Ich selbst habe Black Metal erst über Bands wie DEAFHEAVEN kennen gelernt und wollte mir niemals den Trveness-Schuh anziehen. Das ist nichts, worin ich mich wiederfinde.“ All diese Komponenten münden in einen Sound, der vielschichtiger ist, als der des Debütalbums. Mit diesem Einfluss aus Post-Hardcore und Post-Metal hoffen die Franzosen, etwas zum Genre Black Metal beitragen zu können, auch wenn sie offen zugeben, nie Teil dieser Szene gewesen zu sein.
Es scheint ein beliebtes Stilmittel geworden zu sein, dass Post-Black-Metal-Bands sich vermehrt ihrer Muttersprache widmen. Beispiele finden sich bei Bands wie MØL aus Dänemark, WIEGEDOOD aus den Niederlanden oder etwa den deutschen DER WEG EINER FREIHEIT.
Dass auch DÉLUGE in ihrer Muttersprache singen, begründet François-Thibaut wie folgt. „Solange du in deiner Musik und auch in den Lyrics wirklich ehrlich sein willst, solltest du meiner Meinung nach in deiner eigenen Sprache singen. Das Französische ist außerdem eine sehr reiche Sprache und erlaubt viele Metaphern, die in anderen Sprachen nicht funktionieren würden.“ Nur haben sich manche Bands in der Vergangenheit vielleicht etwas zu sehr mit ihrer eigenen Nationalität identifiziert.
Die Schattenseite der Szene
Kaum eine Szene steht mehr unter Verdacht, rechtsorientiert zu sein, als der Black Metal. Erst neulich hat die österreichische Post-Black-Metal-Band HARAKIRI FOR THE SKY einen Shitstorm ertragen müssen, weil sie ein Feature mit der umstrittenen Musikerin Audrey Sylvain geplant hatten. Zwar haben DÉLUGE mit HARAKIRI FOR THE SKY schon mal ein Konzert gespielt, François-Thibaut kennt die Musiker und Audrey Sylvain aber nicht persönlich, wie er anmerkt. „Ich denke, wenn sie aufgrund ihrer Einstellung mit ihr kollaboriert haben, ist das eine bewusste Entscheidung, die ich persönlich so niemals fällen würde. Wenn sie es aus musikalischen und künstlerischen Gründen getan haben und nichts von ihrer politischen Haltung wussten, ist es eine andere Sache.“
Audrey Sylvain ist Mitglied der als rechtsextrem geltenden Band PESTE NOIRE, bei der auch Neige von ALCEST fünf Jahre spielte. Neige wiederum war als Gastmusiker auf dem Debütalbum von DÉLUGE zu hören. François-Thibaut glaubt aber an die Menschen und dass sie eben Fehler machen, insbesondere wenn sie noch jung sind. „Ich denke, dass wir alle irgendwann mal etwas falsch gemacht haben. Ich habe Stéphane aka Neige einige Male getroffen und bin davon überzeugt, dass er ein wirklich guter Mensch ist. Ich weiß, dass einige seiner vergangenen Kooperationen ihn noch immer verfolgen und dass er damals sofort aufgehört hat, mit diesen Menschen zusammenzuarbeiten, als er herausgefunden hat, wie sie denken. Ich meine, wenn Menschen erkennen, dass sie sich in eine falsche Richtung bewegt haben, und das zugeben, sollten wir sie unterstützen und ihnen nicht die schlechten Entscheidungen der Vergangenheit auf ewig vorhalten.“
DÉLUGE sind sich dennoch bewusst, dass ein Teil der Black-Metal-Szene rechtsorientiert ist. Den empfindet François-Thibaut allerdings nur als kleine Minderheit: „Jedenfalls ist das nichts, womit wir etwas zu tun haben wollen.“ Vielleicht verstehen sich DÉLUGE auch deshalb lieber als untrve, denn für sie zählt einzig und allein die Musik, der sie sich mit voller Überzeugung und grenzenlosem Einsatz widmen.
© by Fuze - Ausgabe #85 Dezember/Januar 2020 und Rodney Fuchs
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