DISCO//OSLO

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Deutschpunk aus dem Spaßbad

Vier Jahre ist es her, dass ich DISCO//OSLO zur Veröffentlichung ihres Debüts in Berlin interviewt habe. Jetzt endlich ist das zweite Album da, es heißt „Tyke“ und ist wieder voller herrlich wütender Deutschpunk-Songs. Vor ihrem Konzert in Köln sehen wir uns wieder und ich muss aufpassen, mit der Band tatsächlich über Musik und nicht nur über Wasserrutschen und Elefanten zu sprechen.

Wieso hat das so lange gedauert mit dem zweiten Album? Was ist passiert?

Bulli: Zwei von uns wohnen in Hannover, zwei in Oldenburg und da ist nicht so viel Zeit.

Tenzin: Irgendwann war da so ein Loch, dann haben wir uns zusammengerauft und gesagt, dass wir endlich mal wieder eine neue Platte rausbringen. Von da an ging es ziemlich gut voran, wenn auch meistens übers Internet, weil wir nicht geprobt haben.

Julian: Wir haben ja 2014 auch noch die EP rausgebracht. Das neue Album ist die letzten zwei Jahre über entstanden.

Bulli: Also alle zwei Jahre eine neue Platte, ist doch alles gut, haha.

Christoph, du bist neu in der Band. Wo kommst du her, was machst du und wieso bist du jetzt der Schlagzeuger von DISCO//OSLO?

Christoph: Weil Tom in Rente gegangen ist. Der hat mehrere Projekte und musste Prioritäten setzen.

Bulli: Das war nichts Persönliches, es gab keinen Streit oder so.

Tenzin: Seit wir 15 sind, kennen wir uns alle, die anderen drei kennen sich schon seit sie klein waren. Es ist super cool, wir sind gute Freunde und es ist schön, mit alten Freunden in einer Band zu spielen, das macht Spaß.

Bulli: Es gibt einfach viele Bands, die gar nicht miteinander reden, die gar nichts miteinander zu tun haben.

Ich sehe schon die Überschrift: „DISCO//OSLO sind nicht die PIXIES“.

Bulli: Ich kenne voll viele, die so sind. Die spielen nur mit irgendwem zusammen, weil die in einer Band spielen wollen. Hätte ich ja keinen Bock drauf. Bei uns ist das anders, wir waren heute zum Beispiel im Spaßbad.

Tenzin: Und letzte Woche waren wir Wasserski fahren!

Christoph: Wir haben uns heute das erste Mal gestritten und da ging es darum, ob wir zwei oder vier Stunden im Spaßbad bleiben.

Bulli: Ich bin immer noch für vier! Letzte Woche, als wir von Hamburg nach Berlin gefahren sind, wollten wir ins Rutschen-Paradies in Wismar. Das ging aber zeitlich nicht. Dann haben wir geguckt, wo der nächste See zum Schwimmen war. Da konnte man aber nur Wasserski fahren.

Julian: Da haben wir uns aber auch schon gestritten, wie lange wir da bleiben. Ein paar Tage später waren wir in Potsdam im Schwimmbad.

Tenzin: Wir machen ziemlich viel im Wasser.

Christoph: Wir sind eigentlich so ein Badeclub, der nebenbei Musik macht, haha.

Schwimmbäder sind zwar super, aber lasst uns über das neue Album reden. Was hat sich für euch im Speziellen geändert mit der neuen Platte?

Julian: Die erste Platte haben wir komplett im Proberaum aufgenommen, diesmal waren wir mit Role in der Tonmeisterei in Oldenburg. Das hat man einfach gemerkt, Role geht an solche Sachen ganz anders heran.

Bulli: Der hat anderes Equipment und jahrelange Erfahrung.

Julian: Wir haben zehn Gitarrenverstärker ausprobiert. Das Coole bei Role ist auch, dass er für vieles Verständnis hat.

Bulli: Manche glauben, das alte Album sei aggressiver gewesen. Das wirkte einfach nur härter, das liegt aber einfach am Sound. „Tyke“ klingt wärmer und weicher.

Tenzin: Ich finde es auch insgesamt runder. Wenn man das durchhört, passt alles besser zusammen. Beim ersten Album waren das eben die Songs, die wir fertig hatten und dann aufgenommen haben. Jetzt haben wir uns ein paar Gedanken mehr gemacht.

Ich hatte bisher nicht das Gefühl, dass man von euch so viel hört, obwohl deutschsprachiger Punkrock in den letzten Jahren ja durchaus erfolgreich ist. Woran liegt das?

Tenzin: Wir haben uns nicht groß vorgenommen, mega durchzustarten. Für uns ist das ein Hobby, das uns Spaß macht, aber mehr Zeit können wir nicht investieren. Im vergangenen Jahr war es sehr ruhig, weil wir Songs schreiben wollten. Da haben wir nur fünf Shows gespielt. Sonst spielen wir um die zwanzig. Die erste Platte hat ganz gut die Runde gemacht. Nicht zu vergleichen mit Bands wie LOVE A oder so, aber das ist okay.

Julian: Es hätten alle Bock, mehr Konzerte zu spielen. Es gibt aber auch privat viele Gründe, die einem da einen Strich durch die Rechnung machen.

Tenzin: Wir bekommen immer mehr Anfragen, als wir spielen können. Das ist schade, aber wir müssen ja auch arbeiten.

Warum heißt euer neues Album wie ein Elefant?

Bulli: Wenn man den Hintergrund der Elefantin kennt, dann ist das einerseits eine Hommage, aber natürlich auch eine gesellschaftliche Parallele. Tyke hat ihr Leben lang in Ketten gelebt und irgendwann ist sie ausgebrochen und hat sich zur Wehr gesetzt. Sie wurde erschossen, was übel ist, aber es geht auch um gesellschaftliche Ketten. Irgendwas gibt es doch immer. Das geht schon damit los, wenn man keinen Personalausweis hat. Dann bekommt man nicht mal einen Büchereiausweis in Deutschland, kein Konto, nichts.

Tenzin: Aber die Geschichte ist auch wichtig, um darauf aufmerksam zu machen, was schiefläuft. Tiere im Zirkus oder im Zoo einzusperren zur Unterhaltung von Menschen ist nicht lustig.

Bulli: Wenn man den Namen nicht kennt, klingt das erst mal komisch.

Tenzin: Ich hab das von Julian am Telefon gehört: „Wir könnten unser Album ,Tyke‘ nennen!“ Und ich so „Teig?“, und habe das überhaupt nicht verstanden.

Ich dachte erst an ein norddeutsches Kaff.

Bulli: Ja, oder eine friesische Insel. Das hat mit einem Elefanten gar nichts zu tun.

Julian: Bei Facebook hatte auch jemand gefragt, was „Tyke“ heißt. So werden wohl auch die Bewohner aus irgendeiner Region in England bezeichnet.

Mir ist aufgefallen, dass ihr noch immer wütend klingt. Was ihr aber nicht macht, ist, Parolen zu brüllen. Findet ihr, Punkrock funktioniert heute besser ohne Parolen?

Christoph: Ich bin kein Fan von sehr direkten Texten, Freiraum gefällt mir. Die Leute, die die Musik hören, sollen ihren Teil zum Lied beitragen und es interpretieren können. Ich mag es, wenn Texte eine Collage darstellen aus verschiedenen Bildern und der Song am Ende eine Stimmung überträgt.

Tenzin: Man schnallt aber sofort den Gesamtzusammenhang. Es gibt viele Bands, bei denen muss man Songs fünfmal hören, bis man irgendetwas kapiert. Bei dir, Christoph, ist zwar Raum für Interpretation, aber man versteht, worum es geht. Musik ist nicht das richtige Medium, um wissenschaftliche Analysen von gesellschaftlichen Problemen abzuhandeln.

Julian: Aber auf Wissenschaft oder Themen aufmerksam zu machen.

Christoph: Oder sich mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen.

Ist nicht gerade auch eine ganz gute Zeit für Punkrock? Es gibt ja schon viele gute deutsche Punkrock-Bands im Moment – aber glaubt ihr, die können noch was bewegen?

Tenzin: Dieses Genre „schlauer Studentenpunkrock“ oder wie auch immer man das nennen will, dieser typische Deutschpunk, ist gerade recht erfolgreich, aber eigentlich schon länger.

Julian: Mag sein, dass viele Bands nicht mehr so direkt sind wie früher. Wenn man an SLIME denkt mit „Sie schießen wieder“, das ist schon cool, wenn Songs entstehen, die genau das ansprechen, was gerade los ist. Wenn Bands das beim Namen nennen. Es gibt aber auch viele Bands, die sowas ganz bewusst umschreiben.

Bulli: Es gibt auf jeden Fall noch viele Leute, die sich negativ über PEGIDA und AfD äußern, das kommt aber jetzt auch mal aus anderen Genres. Es ist gut, dass sich da viel politisiert, schau dir ANTILOPEN GANG an. Ist mir doch egal, ob das nun Punkrock ist, ich höre auch andere Musik.

Was genau wollt ihr verändern? Ihr thematisiert Dinge wie Tinder und Selfies, schimpft darauf, Leistung bringen zu müssen. Warum geht euch das so auf die Nerven?

Christoph: Wenn man zwischen den Zeilen liest, erkennt man aber auch, dass wir Spaß an der Sache haben, wir sind ja nicht nur wütend.

Bulli: Wenn man nur einmal die Nachrichten schaut, was da alles abgeht, das ist doch kaum auszuhalten. Da passiert nur negative Scheiße. Umso älter man wird, umso schneller kommt man in die Leistungsgesellschaft rein. Wir fangen an zu arbeiten, da merkt man sehr, wie schwierig es ist, da rauszukommen und da nicht mitzumachen.