DINOSAUR JR.

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Alles in Butter

Mitte Juni haben DINOSAUR JR. ein Konzert im E-Werk in Erlangen gespielt. Die einzige Club-Show in Süddeutschland in diesem Sommer war natürlich ruckzuck ausverkauft. Offiziell haben sie dabei ihr neues, viertes Album „Give A Glimpse Of What Yer Not“ noch nicht promotet, aber J. Mascis, Lou Barlow und Murph haben zwei nigelnagelneue Tracks gespielt, die vor allem nach einem klingen: DINOSAUR JR. Das Trio hatte sich 1998 aufgelöst und war 2005 in Originalbesetzung wieder zusammengekommen. Seitdem läuft es besser als je zuvor mit dem sympathischen Sonderling J. Mascis, das bestätigen Lou und Murph auch im Interview.

Könnt ihr mir den Albumtitel erklären. Was steckt dahinter?

Lou: Der stammt von J. Eine seiner üblichen Ideen. Ich habe keine Ahnung, was er damit meint.

Murph: Er spricht mit uns nicht darüber. Ich habe erst kürzlich erfahren, wie das Album heißen wird. Vorher hatte ich keine Ahnung. Typisch J. eben.

Lou: Für mich ist der Titel eher untypisch für J. Irgendwie komplizierter als die anderen Albumtitel wie „Beyond“ oder „Farm“. Du siehst, wir sind eigentlich nur die Begleitband. Haha.

Mein persönlicher Eindruck vom Album ist, dass der Sound gar nicht weit vom letzten Album „I Bet On Sky“ entfernt ist.

Murph: Ich finde, es klingt fröhlicher als das letzte Album. Das habe ich mir erst kürzlich noch mal angehört. Meiner Meinung nach sind die Songs etwas poppiger ausgefallen. Auch die Texte von J. sind positiver. Mir gefällt es gut. Ich höre einige potenzielle Radiohits auf der Platte. Keine Ahnung, woran es liegt, vielleicht kommt es durch die Produktion.

Lou: Ich denke, wir nehmen alle unsere Platten nach derselben Methode auf. Egal, ob „Beyond“, „Farm“, „I Bet On Sky“ oder das neue Album, die sind sich alle ziemlich ähnlich. Aber ich habe kein Problem damit. Wenn ich eines in all den Jahren im Musikbusiness gelernt habe, dann, dass es das Beste ist, beständig zu sein. So wie BAD RELIGION.

Murph: Da gibt es wahrscheinlich ein großes Missverständnis bei den Leuten da draußen. Wir setzen uns nicht gemeinsam hin, machen Brainstorming und denken uns zusammen neue Songs aus. Es ist eher so, dass wir einen Termin haben oder unser Manager sagt, wir sollen was Neues aufnehmen. Und diesmal hatte J. keinen einzigen Song auf Lager. Wir sind also ins Studio gegangen und haben einen kreativen Prozess gestartet. Und irgendwann hat es bei J. „Boom!“ gemacht. Das lief also alles ziemlich spontan, ohne große Planung oder Gedanken im Vorfeld. J. drückt uns dann irgendwann die Demos in die Hand und wir studieren die Songs ein.

Wie lange wart ihr diesmal im Studio?

Lou: Zwei, drei Monate. Wir hatten zwischendrin mal eine Unterbrechung, weil wir ein paar Shows in New York gespielt haben. Und natürlich hatten wir Weihnachten ein paar Tage frei. Angefangen haben wir im November und im Februar waren wir fertig.

J. spielt ja selbst auch Schlagzeug, zum Beispiel bei SWEET APPLE. Sagt er dir immer noch total penibel, wie du trommeln sollst?

Murph: Oh ja, natürlich. Er legt das immer noch alles genau fest. Was die Breaks betrifft, ist er aber schon ein bisschen lockerer geworden. Es ist inzwischen ein bisschen leichter für mich geworden, Dinge zu interpretieren oder zu modifizieren. Früher gab es da keinen Fingerbreit Abweichung von seinen Vorgaben. Jetzt kann ich hier und da auch ein paar eigene Ideen einbringen. Aber J. schreibt die Gitarren und das Schlagzeug mehr oder weniger gleichzeitig. Deswegen muss natürlich alles perfekt zusammenpassen.

Ihr wart alle ziemlich fleißig seit dem letzten DINOSAUR JR.-Album. Lou, du hast ein neues SEBADOH-Album veröffentlicht. J. hat zwei Soloplatten herausgebracht und ein neues Album mit SWEET APPLE. Macht ihr euch bei all den Releases einen Plan?

Lou: Einen Plan gibt nicht. Letztes Jahr habe ich ein Soloalbum veröffentlicht und dieses Jahr will ich noch eine eigene EP nachlegen.

Murph: Seit dem letzten Album sind etwa drei Jahre vergangen und wir hatten alle ein bisschen Zeit zur Verfügung. Ich habe auch ein Sideproject namens DUMB NUMBERS, mit denen ich im August auch ein neues Album veröffentliche. Wir mussten einfach was machen, weil uns sonst schnell langweilig wird.

Aber DINOSAUR JR. ist immer noch Nummer eins in der Rangliste, oder?

Lou: Für uns auf jeden Fall, denke ich. Für diese Band interessieren sich einfach die meisten Leute. Und solange J. mit uns beiden weitermacht, wird das so bleiben. Ich selbst bin jetzt auch wieder in die Gegend gezogen, in der J. und Murph leben.

Lou, du hast zwei Songs für das neue Album geschrieben. Die beiden Tracks singst du auch selbst. Warum eigentlich?

Lou: Ich habe sie ja schließlich auch geschrieben. George Harrison hat auch Songs für die BEATLES geschrieben und sie dann selbst gesungen. Bei jeder Platte, die wir mit DINOSAUR JR. aufnehmen, mache ich mir einen Plan, was ich machen möchte. Auf den alten Platten wollte ich mit meinen Songs immer eine dunklere Stimmung einbringen. Und bei dieser Platte wollte ich einen Song mit viel Akustikgitarre schreiben. Außerdem einen Song, bei dem J. Bass spielt. Also spielt J. beim letzten Song auf der Platte Bass und nicht Gitarre. Und beim nächsten Album möchte ich, dass J. mit mir zusammen bei einem meiner Songs singt.

In der Vergangenheit gab es ja viele Streitigkeiten in der Band. Vor Jahren habt ihr euch aufgelöst, jetzt seid ihr seit elf Jahren wieder zusammen. Gibt es inzwischen mehr Harmonie in der Band?

Murph: Verglichen mit den frühen Jahren auf jeden Fall. Und in den letzten Jahren ist es noch mal besser geworden. Natürlich ist es manchmal immer noch schwierig mit J. Und ich fühle mich ab und zu immer noch wie eine Brücke zwischen Lou und J. Aber es hat sich alles sehr gut entwickelt. Wir sind einfach erwachsener geworden und außerdem haben Lou und J. inzwischen Kinder. Ich denke, dadurch haben sie gelernt, Kompromisse zu schließen. Und wir haben auch nicht mehr die Energie, um ständig zu streiten. Das war früher einfach zu viel Drama. Es ist leichter, gut miteinander auszukommen.

Seht ihr euch auch regelmäßig abseits der Konzerte? Ich habe gehört, J. lebt jetzt in Berlin.

Lou: Er verbringt eine Menge Zeit in Berlin, weil die Familie seiner Frau von dort kommt. Aber er hat immer noch sein Haus und sein Studio in Massachusetts.

Murph: Die meiste Zeit ist er in Massachusetts. Er ist vielleicht mal einen Monat zur Weihnachtszeit in Berlin, oder so.

Lou: Berlin ist eine Art zweites Zuhause für ihn. Sein Sohn hat hunderte Verwandte in Berlin und wächst zweisprachig auf.

Murph: Die ganze Familie ist gerade mit uns auf Tour. Seine Frau Luisa ist also Deutsche, sein zweites Zuhause ist Berlin und außerdem fährt er einen Volkswagen. Wird J. langsam zum Deutschen?

Lou: Nein, glaube ich nicht. Ich habe ihn noch nie ein Wort deutsch sprechen hören, haha.

Murph: Erst kurz vor der Tour hat er sich einen neuen VW Golf gekauft. Sein neues Spielzeug.

Im Dezember habt ihr zum dreißigjährigen Jubiläum eures Debütalbums von 1985 – damals hieß die Band noch DINOSAUR – sechs Nächte am Stück im Bowery Ballroom im New York gespielt. Immer das komplette Album. Wie war es?

Lou: Das war großartig. Mir hat es großen Spaß gemacht.

Murph: Wir hatten jeden Abend Special Guests auf der Bühne. Zum Beispiel waren Lee Ranaldo, Kim Gordon, Bob Mould, Henry Rollins und Jeff Tweedy von WILCO dabei. Es waren sehr intensive Konzerte. Aber es ist alles super gelaufen und hat großen Spaß gemacht.

Mittlerweile ist diese Art von Special Shows sehr verbreitet. Eine Band spielt ein komplettes Album von vorne bis hinten und geht sogar damit auf Tour. Ist das nicht nur Marketing?

Murph: Für mich ist das cool. Ich habe mir eine Show von WILCO angeschaut, bei der sie nur ein spezielles Album gespielt haben.

Lou: Es scheint ein Trend zu sein, der immer beliebter wird. Das hat vor ungefähr zehn Jahren angefangen. Ich halte es nicht für die großartigste Idee aller Zeiten, aber wenn die Leute diese Shows sehen wollen, warum nicht?

Murph: Wenn dir die Platte gefällt, die gespielt wird, ist es großartig.

Lou: Für uns war es keine große Sache, unser erstes Album zu spielen. Eine ziemlich einfache Angelegenheit. Ich denke für Bands, die im Studio fürchterlich komplizierte Songs produziert haben oder wenn die Songs nur mit hohem finanziellen Aufwand umzusetzen sind, ist es etwas anderes. Wir sind eine dreiköpfige Rockband, darauf sind alle unsere Songs ausgelegt. Ich schätze es sehr, wie anspruchslos wir als Band sind und wie wir spielen. Ich mag es, dass wir unsere Songs einfach raushauen, und das so schnörkellos wie die RAMONES.

Ihr habt unter dem Namen DEEP WOUND als Hardcore-Punk-Band angefangen. Welche Punkbands waren damals wichtig für euch oder sind es immer noch?

Lou: STOOGES und RAMONES natürlich. Wir mögen aber alle so viele verschiedene Sachen, dass ich unsere Einflüsse nicht auf ein paar Namen reduzieren kann. Wir haben Hardcore Punk sehr geliebt. Murph war mehr der Classic-Rock-Liebhaber. Underground-Sound in jeglicher Form ist uns allen immer noch sehr wichtig.

Murph: In den frühen Tagen war es vor allem Thrash. J. liebte damals britischen Oi!, Lou stand auf Thrash und Hardcore. Je schneller, desto besser. Bei DEEP WOUND ging es vor allem darum, superschnell zu sein. So schnell, wie es eben ging. Das war in den Achtzigern der größte Einfluss.

Ist eine Band für euch immer noch der beste Weg, Musik zu machen? Es gibt ja immer mehr junge Musiker, die alleine in ihrem Schlafzimmer sitzen und am Laptop basteln.

Murph: Ich weiß nicht, wie das funktioniert. Wenn ich das könnte, würde ich es vielleicht machen. Aber ich bin einfach zu faul, dieses Computerzeug zu lernen. Haha.

Lou: Homerecording ist viel billiger. Eine Band ist immer eine teure Angelegenheit. Ich habe auch mit einem Vierspurgerät bei mir zu Hause angefangen, so ging es bei mir los. Ich habe also Verständnis dafür und halte es für eine großartige Idee. Aber ich denke auch, dass Live-Musik nicht verschwinden wird. Schon vor zwanzig Jahren hat man uns erzählt, dass Rockmusik tot sei, Dance-Musik die Macht übernähme und jeder nur noch Jungle höre. Nichts von dem hat sich bewahrheitet. Die Idee der Rockband lebt weiter, trotz technischer Weiterentwicklungen und der DJ-Kultur. Ich weiß zwar nicht genau warum, aber es ist so.

Heute gibt es auch immer mehr junge Bands, die den Alternative Rock der Neunziger neu entdecken, wie YUCK oder BIG DEAL aus England. Was haltet ihr von diesen Bands?

Lou: Das ist ein völlig natürliche Entwicklung. Als wir angefangen haben, hat man uns nachgesagt, wir kopierten die Bands aus den Siebzigern. J. hat damals die Idee mit dem Guitarpedal wieder aus der Versenkung geholt. Wir haben das Konzept des Power Trios wiederbelebt, das man vorher von Jimi Hendrix kannte. Dass es also Bands gibt, die sich nun auf den Sound der Neunziger berufen, ist für mich nicht überraschend.

Und wer kommt jetzt zu den Shows von DINOSAUR JR.? Bei Konzerten von BAD RELIGION sind es inzwischen bis zu drei Generationen.

Murph: Bei uns auch. Wir haben neulich in Basel gespielt. Als ich draußen eine geraucht habe, kam eine Frau mit ihrer zwanzigjährigen Tochter auf mich zu. Und sie erzählte, sie hätte uns schon im Jahr 1989 gesehen. Und jetzt also mit der erwachsenen Tochter. Das fand ich ziemlich cool.