dEUS

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Repräsentanten belgischer Kultur

Wenn ich eine Liste meiner persönlichen Lieblingslieder erstellen müsste, würden sich in dieser viele Stücke von dEUS finden. Die belgische Band um Tom Barman begeistert mich seit vielen Jahren mit ihrem sehr eigenen und innovativen Stil. Nachdem ich die Freude hatte, das neue Album im letzten Heft besprechen zu dürfen, empfand ich es als besonderes Ereignis, Tom Barman auf der aktuellen Pressetour in Köln interviewen zu können, der sichtlich gut drauf war und viel zu sagen hatte.


Tom, ich habe neulich auf YouTube ein Video gesehen, wo du zu Gast im belgischen Parlament warst. Zwei Leute spielten den dEUS-Song "Instant street" und danach wurde von einer Ministerin eine Laudatio auf dich gehalten. Was hatte es damit auf sich?

Haha. Ich wusste gar nicht, dass man es im Netz sehen kann. Ich habe eine Medaille verliehen bekommen dafür, 15 Jahre populäre Musik zu machen und damit die belgische Kultur im Ausland zu repräsentieren. Das war für mich eine Ehre, als einer von drei Künstlern ausgezeichnet zu werden.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass so etwas in Deutschland möglich wäre, also dass Musiker deines Genres im Bundestag ausgezeichnet würden.

Ich glaube, die Auszeichnung ist in einem größeren Kontext zu sehen. Wir hatten Ende Oktober ein Festival gegen die extreme Rechte organisiert, das landesweit stattfand und an dem über 100.000 Menschen teilgenommen haben. Das war ein großes Kulturereignis. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es solche Auszeichnungen in Deutschland nicht gibt. In England gibt es so was, aber dort macht es die Königin und das wäre dann etwas anderes. In Belgien gab es eine demokratische Entscheidung, wer dieses Jahr ausgezeichnet würde, und dabei kamen wohl einige Sachen zum Tragen, dieses Festival, die neue Platte, die Tatsache, dass es dEUS seit 15 Jahren gibt. Ich glaube, ich hatte einfach Glück, dass die Umstände dieses Jahr so aussahen, zumal ich von allen bisherigen Preisträgern der Jüngste war, gerade mal halb so alt wie die meisten anderen. Sie machen das schon seit vielen Jahren und es ist immer ein anderes Hauptthema. Mal war es Architektur, dann Kunst und dieses Jahr eben populäre Musik.

Kommen wir zum neuen Album. Ich finde es eher untypisch für dEUS. Du hast beispielsweise mal gesagt, du magst lange Stücke, aber außer "Slow" sind die meisten Songs sehr kompakt gehalten.

Das kann sich live durchaus ändern. Es war aber kein bewusster Prozess und einige Stücke sind mit sechs Minuten durchaus ziemlich lang, haha.

Was ich meine, sind eher Songs wie "Roses" von "In A Bar, Under The Sea" oder "Bad timing" vom letzten Album "Pocket Revolution", die sich langsam steigern, bis sie schließlich explodieren.

Ich glaube, das hat mit Sicherheit mit einer anderen Herangehensweise zu tun, und dass sich unsere Besetzung im Laufe der Jahre immer wieder stark verändert hat, was natürlich neue Einflüsse mit sich bringt und andere Songstrukturen. Ja, ich mag lange Stücke, aber die Aussage bezog sich eher darauf, dass sie live viele Möglichkeiten bieten. Das ist also kein festgelegtes Statement von mir. Wir haben aber dieses Mal anders ausgewählt. Wir haben sonst immer 14 Songs eingespielt und 13 davon kamen aufs Album. Diesmal waren es 20 Songs und nur 10 davon haben es geschafft. Einige waren zu ruhig, wir wollten kein softes Album, also raus damit. Einige waren sehr Oldschool, gute Songs zwar, aber sie klangen zu sehr nach diesem oder jenem Stück, also flogen sie auch raus.

Der Name des neuen Albums ist auch der Name des frisch eingerichteten neuen Studios. Steht "Vantage Point" dabei eher für den aktuellen Blickwinkel der Band, oder manifestiert sich darin ein Aussichtspunkt, was die Zukunft von dEUS angeht?

Beides ist richtig. Der Albumtitel hat auch mit Belgien zu tun. Früher war ich etwas angepisst, wie groß der Unterschied in der Wahrnehmung von Bands aus England, den Staaten oder Belgien ist. Als belgische Band musst du doppelt und dreifach soviel geben, um wahrgenommen zu werden. Ich sehe das aber inzwischen nicht mehr als Schwachpunkt, denn Belgien hat diesen von dir angesprochenen strategischen Aussichts,- oder Ausgangspunkt, von dem aus man vertrauensvoll operieren kann. Wir sind von all diesen Einflüssen umgeben, verbinden sie mit unseren eigenen und haben daher die idealen Voraussetzungen.

Du hast eben die vielen Besetzungswechsel angesprochen. Ihr seid jetzt schon seit dem letzten Album die gleichen Leute, wobei du aber das einzige Mitglied der Originalbesetzung bist.

Nicht ganz, Klaas Janzoons ist schon seit dem ersten Album "Worst Case Scenario" dabei, aber da gab es die Band schon einige Jahre. Was die Besetzung davor angeht, wäre ich dann tatsächlich der Einzige, vorher gab es noch viel mehr Wechsel. Bei "Worst Case Scenario" war es das erste Line-up, bei dem eine wirklich gute Band-Chemie vorhanden war. Belgien ist aber sehr klein, deswegen gibt es in fast jeder Band Leute, die noch viele Nebenprojekte haben, weil sich alle untereinander kennen. Natürlich gab es auch immer mal Egoprobleme, aber viele Trennungen verliefen in Freundschaft, nach dem Motto: "Tom ich mag dich, aber ich will meinen eigenen Kram machen." Das ist aber jetzt Vergangenheit. Dennoch haben viele gute Bands solche Wechsel durchgemacht. Mit ehemaligen Mitgliedern einiger Bands kann man zwei Fußballmannschaften zusammenstellen. Wir bauen gerade etwas Großes auf mit dEUS und es herrscht die gleiche Energie wie bei "Worst Case Scenario" vor.

dEUS ist ja bekanntlich das lateinische Wort für "Gott". Gibt es eine Bedeutung hinter der Schreibweise des Bandnamens?

Nein, nicht wirklich. Diese Schreibweise kommt noch aus den Anfangstagen. Ein großes D steht in diesem Zusammenhang für Gott und ein kleines für einen wohlerzogenen jungen Mann. Mit diesem Unterschied haben wir den Bandnamen in der Vergangenheit immer erklärt. Der eigentliche und echte Grund für den Bandnamen ist aber der, dass es sich um dabei einen Song von "Life's Too Good" handelt, dem ersten Album von Björks damaliger Band THE SUGARCUBES. Ich war damals 17 und habe diesen Songtitel als Namen für die Band genommen. Mit dieser Schreibweise fällt es mehr auf, es ist also eine ganz simple Idee, die dahinter steht.

Mir hat die Aufmachung der neuen Website sehr gefallen. Dort ist auch dieser kleine Clip von dir, wie du "Oh your god" singst und dabei auf dem Boden hockst. Machst du das immer so?

Ja, meistens. Seltsam, oder? Ich könnte nie auf einem Stuhl sitzen. Es liegt aber auch am Mikro, das ich dort benutze, denn wenn es ein großes Neumann-Teil wäre, ließe sich das gar nicht halten. Wir mögen es aber grundsätzlich, solche Situationen zu filmen, deswegen sind im neuen Studio auch überall Kameras installiert, aber diese Aufnahme war etwas anderes. Einer meiner Freunde hatte uns mal drei Jahre mit der Kamera begleitet, Backstage, private Aufnahmen, das alles. Er war zufällig gerade da, als ich den Gesang aufgenommen habe und hat das gefilmt. Wir mochten es, weil es so real ist. Das bin wirklich ich, unrasiert, mit Zigarette auf dem Boden sitzend. Und das ist tatsächlich auch der Take, der auf dem Album gelandet ist. What you see is what you hear!

Du führst ja bei vielen dEUS-Videos selbst Regie und hast auch den Film "Anyway the wind blows" gemacht. Leider habe ich den ihn nie gesehen.

Er ist in Deutschland nie erschienen, was schade ist, denn er ist bislang in 13 Ländern auf DVD veröffentlicht worden. Ich habe neulich mit jemandem gesprochen, der mir sagte, er habe den Film auf YouTube gesehen,und darüber war ich regelrecht beleidigt, weil wir den Film in Cinemascope gedreht haben, und so etwas darf man sich nicht auf einem winzigen Stream ansehen. Ich liebe Kino zu sehr, als dass ich ihn dafür gemacht hätte.

Hast du eigentlich eine Filmhochschule besucht?

Ich habe damit angefangen, es aber nie beendet. Ich wurde rausgeworfen, weil ich beim Examen versucht habe zu mogeln. Man könnte also sagen, ich habe durchaus gelernt, wie das Filmemachen funktioniert. Insgesamt habe ich circa 20 Videos gemacht, die meisten davon für die Band.

Mich hat besonders das Video zu "Slow" beeindruckt, ein Song des neuen Albums.

Danke, das ist meine neueste Regiearbeit. Die Hauptdarstellerin ist gerade mal 13 Jahre alt. Sie ist ein unglaubliches Talent. Sie tanzt hervorragend, kann schauspielern und hat keinen einzigen Fehler gemacht. Die weiblichen Vocals bei "Slow" stammen von Karin Dreijer Andersson, einer schwedischen Sängerin und eine Hälfte des Duos THE KNIFE. Im Video wollte sie nicht mitspielen und schlug vor, ich solle stattdessen einen Transvestiten nehmen. Weil ich das aber schon gemacht habe, kam mir die Idee, ein junges Mädchen zu nehmen. Im Video tauchen ja noch zwei andere Mädchen auf, die tanzen, eine von denen ist sogar erst elf Jahre. Ich habe sie bei einem Vorsprechen gefunden, ein großes Glück, dabei auf ein solches Talent zu stoßen. Wir drehen aktuell noch ein zweites Video zu "The architect", was ich aber nicht selbst machen werde, sondern einige junge Videofilmer. Die junge Videogeneration ist nicht von den Dingen inspiriert, die für mich ausschlaggebend waren. Bei mir war Cinemascope immer wichtig, dort geht es mehr um Special Effects. Daher wird das Video ganz anders als "Slow". Es ist cool, mit jungen Leuten zusammenzuarbeiten, die gerade mal Anfang 20 sind. Dennoch sind diese Effektvideos nicht mein Ding, ich mag es mehr, kleine Filme zu drehen.

Du bist ja auch innerhalb der Band derjenige, der Regie führt. Kommt das vom Filmemachen?

Nein, es kommt daher, dass ich einfach so bin. Es geht natürlich auch immer darum, etwas zu inszenieren. Bei einer Bühnenshow genauso wie bei einem Film. Als Jugendlicher mochte ich Prince immer sehr gerne und seine theatralischen Auftritte. Das ist zwar nicht das, was wir machen wollen, aber wir machen uns viele Gedanken über unsere Performance. Die Leute kommen zu den Konzerten und bezahlen dafür Geld. Ich möchte, dass sie dementsprechend begeistert sind, denn ich erwarte ja das Gleiche, wenn ich zu einem Konzert gehe. Es geht darum, seine Ideen zu teilen und Menschen für deine Vorstellungen zu begeistern, eine Show sollte das genauso wie ein Film. Entertainment ist für mich dabei aber nicht, wie ein kopfloses Huhn über die Bühne zu jagen.