Als sich die „Alltagspunk“-Legende SUPERNICHTS 2017 auflöste, klang dies nach einem endgültigen Abschied. Doch schon kurz nach der Trennung meldete sich der Kern der Band überraschend mit dem neuen Projekt DETLEF zurück. 2018 erschien das erste Album „Kaltakquise“. Nun steht die zweite LP „Supervision“ in den Startlöchern. Grund genug, die Kölner zum Gespräch zu bitten. Am Interview nahmen teil: Detlef Meurer (Frank), Detlef Löber (Achim) und Detlef Damm (Dave).
Bei unserer letzten Begegnung wart ihr noch SUPERNICHTS und es klang damals so, als wäre das mit der Musik zumindest mittelfristig vorbei. „Veränderte Lebensumstände“ habt ihr damals ins Feld geführt, die zur Auflösung der Band geführt hätten. Da überrascht es doch ein wenig, dass ihr mit DETLEF dann kurz darauf wieder durchgestartet seid.
Detlef Meurer: Das war damals eine diplomatische Antwort.
Detlef Löber: Bei SUPERNICHTS war es am Ende so: Zwei hatten Bock auf mehr und zwei hatten eigentlich überhaupt keinen Bock mehr. Dementsprechend schlecht waren auch die späten SUPERNICHTS-Konzerte. Das lag aber ausschließlich an uns, nicht am Publikum. Da musste man sich trennen.
Einfach mit leicht veränderter Besetzung als SUPERNICHTS weiterzumachen, kam aber nie in Frage?
Detlef Meurer: Du kannst nicht über zwanzig Jahre mit mehr oder minder den zwei gleichen Leuten Musik machen und dann sagen, ich mach das jetzt mit anderen weiter.
Detlef Löber: So was hat keinen Stil. Wäre auch sehr unfair dem dritten Detlef gegenüber gewesen.
Detlef Damm: Ich kannte die anderen aber schon eine Weile. Wenn der SUPERNICHTS-Basser Michael keine Zeit hatte, bin ich eingesprungen. Frank hatte mich damals gefragt, ob ich bei der Abschiedstour aushelfen könnte und ich habe natürlich zugesagt. Da habe ich mir den Arsch abgefreut und habe die Setlist von ungefähr vierzig Liedern gelernt. Während der letzten Konzerte haben wir gemerkt, dass wir drei sehr gut zusammen funktionieren. Als Typen, aber eben auch als Band.
Vierzig Lieder bei SUPERNICHTS macht ungefähr eine Reinspielzeit von fünfzig Minuten. Das Gleiche kann man wohl auch über DETLEF sagen. Im Grunde habt ihr an eurem Stil nichts geändert. Dass ihr vom Label immer als der „militante Arm von SUPERNICHTS“ angekündigt werdet, kommt wohl auch nicht von ungefähr.
Detlef Löber: Wobei die Formulierung von uns kommt!
Detlef Meurer: Das würde ich so bestätigen. Aber das ist auch klar, immerhin haben Achim und ich seit Jahren zusammen Musik gemacht. Hinzu kommt, dass ich zum Ende von SUPERNICHTS recht viele Lieder gesungen habe, zumindest auf den neueren Platten. Achim auch ein paar. Und Dave ist mit der Musik großgeworden.
Ist das bei euch wie bei DIE ÄRZTE? Wer den Song schreibt, singt ihn auch?
Detlef Meurer: Meistens. Wobei wir bei der aktuellen Platte schon geguckt haben, wer was am besten singen kann. Es sind ein paar Songs drauf, die David geschrieben hat, die aber von mir oder Achim gesungen werden.
Ich habe DIE ÄRZTE jetzt auch eher erwähnt, um elegant auf DIE TOTEN HOSEN überleiten zu können. In einem alten Interview von 2002 habt ihr euch auf die Frage, welche Band ihr besser findet, einstimmig auf die Berliner geeinigt. Zusammen in den Saufurlaub nach Kopenhagen zu fahren, wie ihr es für euer jüngstes Musikvideo getan habt, hat aber schon eher Hosen-Charakter.
Detlef Löber: Also, diesen Gang-Charakter haben wir schon in jedem Fall. Aber DIE TOTEN HOSEN interessieren mich schon länger nicht mehr als DIE ÄRZTE. Was Campino da gerade macht, dieses Beat-Ding, das ist ja grauenhaft! Diese Liverpool-Sache, das ist absolut fürchterlich. Das ist ja auf so vielen verschiedenen Ebenen totaler Dreck. Man kann auch in Würde einfach mal sterben. Die Berliner sind schon sprachlich viel gewitzter. Ich höre total gerne mit meiner kleinen Tochter DIE ÄRZTE, weil das total cool ist, um Kinder an geiles Deutsch heranzuführen. So was haben DIE TOTEN HOSEN eben nie drauf gehabt. Das ist Abitur gegen Hauptschule – Abitur gewinnt.
Detlef Meurer: Ich will aber noch mal ’ne Lanze für die Hosen brechen. „Opel-Gang“ und so weiter, bin ich mit groß geworden, finde ich geil, aber ich habe auch diese aktuelle Live-Dokumentation gesehen und das hat schon Druck auf der Bühne. Die Leute haben auch Einstellungen, die gut sind. Das ist schon Punk. Über die Songs kann man sich streiten, aber die Typen sind nicht verkehrt.
Ich weiß nicht so recht. Wenn du darüber jammerst, dass die CDU deine Songs auf ihren Veranstaltungen spielt, bist ja wohl du das Problem, nicht die CDU.
Detlef Meurer: Ja, stimmt. Könnte ich mich auch drüber aufregen. Aber da sind wir wieder bei dem, was Achim gesagt hat, das ist eine Frage des Songwritings.
Detlef Löber: Das sind Düsseldorfer, die sind in der Regel ziemlich spaßbefreit. Das hat mit der Genetik zu tun. Als Kölner lache ich darüber, das ist Millionenstadt gegen Dorf.
Jetzt haben wir uns verheddert. Es sollte ja eigentlich um eure Single „Ich hasse Kopenhagen obwohl ich noch nie da war“ gehen.
Detlef Löber: Vielleicht sollten wir da mal etwas beichten. Das Video ist selbstverständlich nicht in Kopenhagen gedreht worden. Um einen kurzen Trip zu machen, ist Kopenhagen viel zu weit weg und – hipstermäßig – viel zu teuer. Ich schwöre dir, wir waren noch nie in Kopenhagen, finden es aber trotzdem scheiße.
Detlef Meurer: Was du im Video siehst, ist Pilsen, in Tschechien. Man erkennt es an dem Bier, das wir trinken.
Detlef Löber: Ohne Scheiß. Wir haben es ein paar Tage unkommentiert gelassen. Aber es kamen bald die Ersten, die meinten: Hm, da stimmt doch was nicht. Vermutungen waren: Breslau, Posen, Prag. Matt Greasejar hat es auf Facebook als Erster richtig erraten. Credits nach Duisburg!
„Ich hasse Kopenhagen obwohl ich noch nie da war“ ist so ein klassischer SUPERNICHTS-Song. Sehr im Ohr geblieben ist mir aber auch „Deutsche Männer“. Das finde ich für euch eher untypisch. Ich vermute mal, dass du, David, den geschrieben hast? Der Onkelz-Diss „Nur die Besten sterben dumm“ vom ersten Album ist auch von dir, oder?
Detlef Damm: Ja, das ist richtig. Die beiden Songs haben ja auch eine recht ähnliche Message. Es geht um selbstbewusst auftretende Typen, die aber saudumm sind und nicht reflektieren. Das Schlimmste daran ist, dass sie nicht wissen, dass sie dumm sind. Davon gibt es viel zu viele in Deutschland. Der Weg ist immer „sehr steinig“ und „hart“. Leider findet das auch in der Punk-Szene statt. Das ist ein immenses Problem, gut, dass es von uns angesprochen wird.
Detlef Löber: Ich muss an DIE TOTEN HOSEN denken.
Detlef Meurer: Da gibt es ganz viele Bands. Je öfter man so was macht, desto erfolgreicher wird man damit, habe ich mittlerweile das Gefühl.
Detlef Löber: Man muss auch sehr viel „Whoa-whoa“ machen in den Refrains. Das ist auch ganz wichtig. „Whoa-whoa, Baby, es ist hart, Baby, ich bin alleine, Baby, ich zieh das durch, whoa-whoa“. A-Mol, F, C, G, whoa, Baby, alles klar.
Detlef Damm: Es gibt auf Spotify Deutschrock-Listen, da weiß ich bei den ersten fünf Songs nicht, sind das Punk- oder Fascho-Bands.
Detlef Löber: Erstaunlicherweise kommen viele dieser Bands aus, na ...? Düsseldorf!
Detlef Meurer: Oder Umgebung! Manche sind vom Niederrhein.
Detlef Damm: Diese Liedtitel allein: „Steh auf“, „Bleib dir treu“. Das sind so simple Mechanismen. Das ist nicht mehr Punk.
Detlef Löber: Ja, aber du musst so simpel vorgehen, wenn du so ein großes Publikum haben willst. Die spielen für die abgehängte, ungebildete Landjugend. Die braucht diese Bestätigung. Der einsame Wolf „geht seinen Weg“, die brauchen das. Um diese Leute buhlen viele.
Detlef Meurer: Rumgejammer, egal ob bodenständig oder intellektuell verpackt, da sind wir raus. Sofort.
Nun sitzen wir hier und es wurde Corona-bedingt gerade ein neuer Lockdown angekündigt. Stell ich mir mies vor, wenn man neue Songs am Start hat und gerne spielen würde.
Detlef Löber: Wir hatten für dieses Jahr etliches geplant, was nun weggebrochen ist. Gemeinsam mit KNOCHENFABRIK wollten wir auf einer ganzen Reihe von Festivals spielen, das ist nun alles auf 2021 verschoben. Für unbekanntere Bands wird das ein größeres Problem werden als für uns. Wie sollen die überhaupt an Konzert-Slots kommen, wenn so viel nachgeholt wird? Und wenn Konzerte wieder möglich sind – gibt es die Läden dann überhaupt noch? Das ist die größte Sorge, die ich im Augenblick habe. Kleine Locations wie hier in Köln zum Beispiel der Sonic Ballroom, unser Wohnzimmer und Heimathafen, die gucken jetzt erst mal ganz schön sparsam.
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