DAVID J

Foto

... über BAUHAUS, LOVE AND ROCKETS und seine Soloplatte

Bassist David J. Haskins war 1979 Gründungsmitglied von BAUHAUS, er schrieb unter anderem die Lyrics zu ihrer ersten Single „Bela Lugosi’s dead“, die zu einem der wichtigsten Songs des klassischen Gothic Rock avancierte. Nach der Auflösung von BAUHAUS war David J in zahlreichen genreprägenden Bands wie ab 1985 bei den fulminanten LOVE AND ROCKETS aktiv – zusammen mit seinem Bruder und BAUHAUS-Schlagzeuger Kevin Haskins und BAUHAUS-Gitarrist Daniel Ash –, die mit ihrer Coverversion des Songs „Ball of confusion“ (im Original von der Motown-Legende THE TEMPTATIONS) einen respektablen Hit landeten und bis 1999 sieben Alben einspielten. David J wirkte zudem auf zwei Alben der Formation THE JAZZ BUTCHER mit und war Gastmusiker bei JANE’S ADDICTION und PORNO FOR PYROS. Als Solomusiker spielte er in der Zeit von 1983 bis 2003 außerdem sieben Soloalben ein. Später entdeckte er seine Affinität zu Theater und Kabarett und komponierte die Musik für eine Aufführung von Samuel Becketts Stück „Cascando“.

Ganz neue Wege beschritt er, als er selbst ein Theaterstück mit dem Titel „Silver for Gold (The Odyssey of Edie Sedgwick)“ und die dazugehörige Musik schrieb. Die Idee hierzu kam David J bei einem Abendessen mit seinem Freund, dem Grafiker Shepard Fairey (der seine größte Bekanntheit im Zuge des Wahlkampfes während der US-Präsidentschaftswahlen 2008 mit seinem Plakat „Hope“ für Barack Obama erreichte). Sedgwick war, wir erinnern uns, einst eine der Musen von Andy Warhol. 2007 reaktivierte David J für einige Konzerte LOVE AND ROCKETS, um auf dem kalifornischen Coachella-Festival einige Tribute-Songs für Joe Strummer zu spielen, und ein Jahr später gab es eine kurze BAUHAUS-Reunion mit dem Album „Go Away White“. Nachdem David J seit einiger Zeit verschiedene Projekte verfolgt, unter anderem erschien im Frühjahr 2010 die Split-Single „Tidal Wave Of Blood“ mit der aus San Francisco stammenden Sängerin Jill Tracy, arbeitet er gegenwärtig an seinem seit acht Jahren ersten Soloalbum mit dem Titel „Not Long For This World“.

David, du hast kürzlich eine Vinylsingle mit der stilprägenden Dark-Cabaret-Künstlerin Jill Tracey veröffentlicht. Wie ist es dazu gekommen?

Viele befreundete Musiker haben mir von Jill erzählt und sehr interessante Sachen über sie berichtet. Einige meinten, wir seien uns sehr ähnlich, und so ist es zu unserer Zusammenarbeit gekommen. Und als wir uns das erste Mal trafen, hat die Zusammenarbeit sofort geklappt. Ich verehre Jill sehr.

Inhaltlich dreht sich bei deinem kommenden Album alles um das Thema der Sterblichkeit. Wieso?

Um ehrlich zu sein, habe ich dieses Thema nicht bewusst gewählt, sondern es ist sozusagen eher zu mir gekommen und hat mich gefunden. Ich habe festgestellt, dass ich über all die Jahre immer wieder Songs mit diesem Thema geschrieben habe und so ist eher zufällig eine Art Konzeptalbum zu diesem Thema entstanden, es war aber nie so beabsichtigt. Und überhaupt, was erwartest du von einem alten Goth-Rocker?

Du finanzierst dein neues Album in völliger Eigenregie über die Plattform Kickstarter, auf der Fans vor der Veröffentlichung auf bestimmte limitierte Versionen des Albums, die meist besonders gestaltet und limitiert sind, bieten können. Glaubst du, das ist die Zukunft für Künstler?

Absolut! Davon gehe ich schwer aus. Das ist wie in den alten Tagen des Punks, als der allgegenwärtige D.I.Y.-Spirit die Bands dazu brachte, alles selbst zu machen, von der Gestaltung des Artwork, dem Vertrieb bis hin zur Finanzierung. Und so halte ich das jetzt auch bei meinem neuen Album. Ich möchte, soweit wie möglich, alles selbst steuern und auf den Weg bringen.

Wirst du mit deinem neuen Album auch in Europa auf Tour gehen?

Gegenwärtig plane ich das für Mai und Juni 2011. Es gibt eine großartige Band aus Holland namens STRANGE ATTRACTOR, mit der ich in der Vergangenheit bereits zusammengearbeitet habe, beispielsweise bei deren Song „Sleaze“ als Gastsänger. Zusammen versuchen wir, diese Tour auf die Beine zu stellen. Die Band hat mich als Special Guest eingeladen. Während ich deine Fragen beantworte, sind sie gerade mitten in der Planung und Vorbereitung. Wir werden vor allem einige Dates in Osteuropa spielen, was ich sehr spannend und aufregend finde.

Ich bin kürzlich auf ein Projekt von dir aufmerksam geworden mit dem Namen: „The David J Ensemble will be performing ,Bouquets, Wreaths & Laurels‘ a set of love songs, death songs and ,one song of glory‘.“ Kannst du mir dazu etwas sagen?

Die Idee mit dem David J Ensemble basiert auf einem alten Song von mir, eben„Bouquets, wreaths & laurels“ vom „Urban Urbane“-Album, und unser Set ist eben genau in diese drei thematischen Bereiche aufgeteilt, es dreht sich unter anderem um Grabgebinde und Lorbeerkränze. Aus dieser Geschichte stammen auch viele der „Death songs“, die sich auf meinem neuen Album „Not Long For This World“ finden: einige Songs wie „Gloomy sunday“, auch als „Lied der Selbstmörder“ bekannt und im Original von dem ungarischen Pianisten Rezs? Seress, oder „Saint James infirmary“ von Cab Calloway und eine radikal überarbeitete Version des BAUHAUS-Songs „Bela Lugosi’s dead“. Das Live-Event mit diesem Ensemble ist so eine Art „Jazz-tinged punk rock cabaret“, in das wir auch Songs aus den 20er Jahren mit aufgenommen haben.

Nachdem sich Daniel Ash nach eurem Auftritt auf dem Coachella-Festival eher negativ hinsichtlich einer weiteren Zusammenarbeit geäußert, ist das Projekt LOVE AND ROCKETS wohl endgültig auf Eis gelegt, oder?

Davon kannst du ausgehen. Gegenwärtig sehe ich keinen Ansatzpunkt, um mit LOVE AND ROCKETS weiterzumachen, und Daniel sieht das ja ebenso. Du musst einfach auch bedenken, dass ich mit Daniel fast 30 Jahre lang in verschiedenen Bands aktiv war, da ist es an der Zeit, sich auf eigene Dinge zu konzentrieren.

Bei BAUHAUS gab es eine klare Referenz an die „schlichte“ Architektur des Bauhaus der 20er Jahre. Ich nehme an, dass du immer noch einen starken Bezug zu den Zwanzigern wie auch dem Kabarett in Berlin um Kurt Weill hast.

Ich fühle mich enorm hingezogen zu all diesen kreativen Facetten der 20er Jahre in Deutschland und eben speziell an diese Phase in Berlin: das Kabarett im Berlin dieser Zeit, die Musik, die Literatur und natürlich die Malerei, die legendären Expressionisten, und die Zeit der großen Stummfilme interessieren mich nach wie vor. Diese Epoche übt eine starke Anziehungskraft auf mich aus, es ist eine einzigartige Quelle der Inspiration. Was ich immer wieder in meinen Auftritten versuche, ist diese exaltierte, die kühne Dramatik und die überbordenden Emotionen dieser Darbietungen in einen zeitgemäßen Kontext zu bringen.

Du lebst seit geraumer Zeit in Los Angeles. Ist das eine akzeptable Stadt für dich?

Auf eine gewisse Art und Weise toleriere ich diese Stadt und habe mich mehr schlecht als recht an ihre Art und ihren Rhythmus angepasst. Für mich ist es aber auch eine sehr befremdliche und anonyme Stadt, obgleich viele meiner besten Freunde dort leben, was es erträglicher macht. Was meine präferierten Städte anbelangt: Berlin ist einfach eine wunderbare Stadt.