THE DATA BREAK aus Darmstadt gingen vor zwei Jahren aus den eher derben, extremen Hardcore-Spielarten zugewandten Formationen ACHEBORN, SIX LESS LIVING, NARSAAK sowie BASTARD KING hervor, doch davon ist heute nichts mehr zu hören, der stilistische Schwerpunkt, der in der Gründungsphase noch mit "Punk, Trash, Indie, Wave" bezeichnet wurde, liegt heute bei letzteren beiden Genres. "Clap!", das Debüt-Album, entstanden in der Obhut von Dirk Kusche in dessen Kuschelrock-Studio, ist ein mitreißendes Stück postpunkiger Popmusik, bei dem an zentraler Stelle die prägnanten Synthie-Bleeps stehen. Gitarrist und Sänger Jens beantwortete meine Fragen.
Darmstadt also. Eine Stadt mit lustigem Namen, die erstaunlich oft in Tourplänen auftaucht, die aber kaum jemand kennt. Was macht man da, wie findet man sich zusammen?
Darmstadt ist ein nettes großes Dorf mit ausgeprägter alternativer Szene. Hier spielt fast jeder in mindestens einer Band. Punk regiert die Stadt. Und das sogar fast wörtlich. Denn im Stadtparlament sitzt die Partei "Uffbasse", deren Spitzenkandidat früher Sänger der Darmstädter Punklegende ARSCHGEBUIDEN war und heute noch bei KACKOPHONIA singt. Es ist schon ziemlich gemütlich hier und bestimmt mal einen Halbtagesausflug wert.
Vor zwei Jahren erschien euer erstes Demo, jetzt ist das Album raus. Ein anstrengender Weg oder ein einfacher Reifeprozess?
Sowohl als auch. Da wir mit unseren ersten Demos keine wirklich zählbaren Erfolge einfahren konnten, hieß es einfach weitermachen. Wir wussten ja selbst, dass wir noch nicht da waren, wo wir hin wollten. Es hat sich zwar immer was entwickelt, aber es hat auch immer irgendwas gefehlt. Erst als Lari dazukam, und mit ihm ein neues Element - die Synthies -, fühlte sich der Sound vollständig an. Ab da haben wir viel am Sound gearbeitet. Manches passierte einfach so und manchmal mussten wir uns richtig quälen, aber wir wussten alle, dass es sich lohnt. Wir sind froh, dass das Album endlich raus ist, und damit ein Kapitel abgeschlossen ist. Jetzt können wir an neuen Songs arbeiten. Die werden bestimmt wieder ein bisschen anders sein, denn auf der Stelle treten können und wollen wir nicht.
Wie sieht eure musikalische Sozialisation aus? Und was habt ihr, falls alt genug, Anfang der Achtziger gehört, Hardcore oder Synthie-Wave?
Ich weiß nicht genau, was die anderen Anfang der Achtziger gehört haben, denn wir waren ja gerade mal im Grundschulalter. Ich weiß, dass ich 1982 in meiner Schultüte eine MC der deutschen Fußballnationalmannschaft zusammen mit Michael Schanze zur WM in Spanien hatte. Die hab ich dann auch gehört. Das ist schon eher Hardcore.
Apropos: Wie kommt man von eher dem lauten, derben Hardcore zugetanen Bands zu DATA BREAK?
Ich glaube einfach, es wurde uns zu langweilig. Es gab auf diesem Feld für uns nichts Neues mehr zu entdecken. Immer schneller, härter und schräger zu werden, verliert irgendwann seinen Reiz. Und da wir im Grunde unseres Herzens alle Popper sind, versuchen wir uns nicht länger wütend zu geben. Leute zum Tanzen zu bringen ist eine neue Herausforderung. Bisher klappt das noch nicht zu unsrer vollsten Zufriedenheit, aber wir sind zäh!
"Clap!" ist eure Platte betitelt, auf dem Cover zwei klatschende Hände - die von Fantômas, weil so blau? Spielerei, Konzept? Und was haltet ihr auf Konzerten von penetranten Über-dem-Kopf-Klatschern, die denken, sie wären im Stadion?
Das Cover mit den Händen und der Titel basieren auf dem Song "Hairy snake", in dem es oberflächlich betrachtet darum geht, was man mit seinen Körperteilen anstellen kann, und wie, wenn man sie richtig einsetzt, daraus ein Tanz entsteht. Aber eigentlich geht es darum, dass jede noch so kleine Geste oder Mimik einen Effekt auf die Umwelt hat, und dass man diese mit Bedacht wählt. Klatschen zum Beispiel ist ja was ziemlich Harmloses. Es kommt aber immer darauf an, was man beklatscht. Dass die Hände blau sind, hat nur einen Grund - es sieht funky aus. Zu Über-dem-Kopf-Klatschern habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Von der Bühne ausgesehen, finde ich die schon okay. Die denken wahrscheinlich auch gar nicht, dass sie im Stadion sind, sondern wollen nur keinem wehtun. Das ist doch sehr löblich.
Wie reagiert ihr, wenn man euch packt und in den brodelnden Topf mit der Aufschrift "Dancepunk" stopft?
Es ist immer wieder interessant, welche Schublade für einen aufgemacht wird. Irgendwie passt man ja in keine so wirklich. Dancepunk ist genau so gut oder schlecht, wie alle anderen Bezeichnungen, mit denen man unsere Musik betitelt hat. Das Etikett sagt ja auch weniger über uns aus, als über denjenigen, der es uns verpasst. Ich glaube, die interessanteste Definition bisher war: "sexuelles Post-Irgendwas mit Orgel". Da hat sich doch endlich mal jemand was einfallen lassen.
Ich erinnere mich an ein Konzert in Solingen, bei dem mir vor dem Konzert vier Menschen mit schicken schwarzen Brillen gegenüberstanden, auf der Bühne dagegen waren die verschwunden. Angst, dass der Look als Konzept verstanden werden könnte ...? Oder spielt man besser, wenn man die Gesichter des Publikums nicht erkennen kann?
Ich habe gerade auf Tour versucht, mit Brille zu spielen, da ich die Leute vor der Bühne schon gerne beobachte. Aber spätestens nach anderthalb Songs hing mir das Ding dann irgendwo quer im Gesicht. Um mit Brille spielen zu können, dürfte ich mich nicht mehr bewegen, müsste weniger schwitzen oder so ein stylisches Gummiband dran machen. Gute Idee eigentlich.
Worte zu Musik müssen sein? Oder eher: Wir haben eine Message.
Wahrscheinlich eher: Worte zu Musik müssen sein. Wir haben keine eindeutige Message. Trotzdem sind die Texte nicht sinnfrei, sie sind eher fragmentarisch. Selten wird eine stringente Story erzählt, aber wenn man sich damit beschäftigen möchte, wird man die eine oder andere Botschaft entdecken, doch wir verweigern uns dem erhobenen Zeigefinger. Und manchmal klingt es auch einfach nur gut.
Weil ihr Ästheten seid: Habt ihr bestimmte Ansprüche an euer Material? Nicht wenige Bands mit Tasteninstrumenten legen beispielsweise Wert auf alte Analog-Synthies.
Wir haben schon bestimmte Ansprüche an unser Material, aber keiner von uns ist optimal ausgestattet. Da scheitert's leider am Geld, ein bisschen auch am Knowhow. Wir sind halt keine Musikmessen-Nerds. Früher, in anderen Bands, war die Hauptsache, dass es ordentlich laut ist. Heute ist das etwas diffiziler. Ob analog oder digital, ist eigentlich egal, wobei analog natürlich schon cooler ist. Entscheidend ist, dass sich die Instrumente gegenseitig ergänzen und nicht plattmachen. Dafür das passende Equipment zu finden, gehört zum Entwicklungsprozess, genauso wie das Songwriting.
Was muss man in Sachen Kusche(l)rockstudio wissen, und warum das?
Uns war es einfach wichtig, dass wir im Studio mit jemandem zusammen arbeiten, der menschlich zu uns passt, dessen Meinung uns wichtig ist und der Ahnung von dem hat, was er macht. Da wir mit ACHEBORN schon zweimal bei ihm aufgenommen hatten, wussten wir, dass Dirk der Richtige sein würde, falls er mit unserem Sound was anfangen kann, denn das Kuschelrockstudio ist ja eher bekannt für Produktionen wie MÖRSER und SYSTRAL. Und das konnte er. Beheimatet ist das Studio bei Bremen auf dem Land, im Keller von Dirks Mutti. Was die Technik angeht, ist es eher minimalistisch ausgestattet, aber dafür gibt es große Pappaufsteller von Karl-Heinz Rummenigge und Paul Breitner zu bewundern. Mehr muss man, glaube ich, nicht wissen. Außer, dass Dirk einfach ein geiler Typ ist!
Wie sieht euer Leben außerhalb der Band aus? Von André Liegl weiß man ja seit einem Ox-Interview und -Titelbild, was er macht, doch die anderen ...?
Also, Lari ist Tontechniker und macht gerade ein Praktikum in einem Filmvertonungsstudio, Bast macht gerade eine Ausbildung zum Arbeitserzieher, und ich bin Tätowierer.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #66 Juni/Juli 2006 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #64 Februar/März 2006 und Joachim Hiller