So lange ist Keyboarder Martin Brändström schon Teil der Band, die sich 1989 gegründet hat. Eine so beständige Karriere ist keine Selbstverständlichkeit, wie der Schwede weiß. Wir sprechen über seine Band, das neue, 13. Album „Endtime Signals“ und die politische Situation in Europa.
Was, denkst du, gefällt dir so gut daran, ein Teil von DARK TRANQUILLITY zu sein, dass du da nach so langer Zeit immer noch Lust zu hast?
Nun, es wird zu einem Lebensstil. Ich bin seit 25 Jahren in der Band, und das ist ungefähr die Hälfte meines Lebens. Ich werde nächstes Jahr fünfzig. Wir haben das große Glück, im Metal-Genre zu arbeiten, weil man hier diese längeren Karrieren haben darf und man die Zeit bekommt, neue Bereiche zu erforschen und sich zu etwas zu entwickeln. Ich bin also wirklich dankbar, dass wir immer noch in der Lage sind, Platten zu machen, Konzerte zu geben, um die Welt zu reisen und die Dinge zu tun, die wir lieben. Also ja, ich habe keine Ahnung, was ich sonst tun würde. Aber ich bin wirklich, wirklich glücklich, dass ich das immer noch machen kann. Und wir spüren immer noch diesen Hunger, neues Material herauszubringen, das für uns aufregend ist.
Alle paar Jahre kommt immer wieder jemand daher und erklärt Rock- und Metal-Musik für tot. Wie schätzt du das ein?
Ach, diese Sorge hatte ich schon vor zehn, fünfzehn Jahren, ich dachte, dass es vielleicht seinen Höhepunkt erreicht hat und vielleicht nach und nach absterben wird, aber das habe ich bisher nicht erlebt. Ich habe mir neulich unsere Spotify-Daten angesehen und wir sind immer noch am besten bei einem jungen Publikum. Wir haben darüber gesprochen, dass die Band 35 Jahre alt ist, und mehr als die Hälfte unseres Publikums ist unter 35. Wir haben also wirklich das Glück, dass wir auch jüngere Leute ansprechen. Vielleicht bedeutet das, dass wir noch eine Weile so weitermachen können.
Ist das etwas, das euch motiviert weiterzumachen, zu sehen, dass eure Musik immer noch jüngere Leute begeistert?
Wir denken nicht darüber nach, wenn wir Musik machen, aber es ist ein gutes Zeugnis für unseren Output, dass wir immer noch etwas Neues und Relevantes rausbringen können, das ein neues Publikum erreicht. Dies wird unser 13. Album sein und wir sind wirklich glücklich und stolz darauf. Manchmal ist es schwierig, eine Setlist zu erstellen, weil man nicht weiß, welcher Teil unserer Fans kommen wird. Wir müssen das irgendwie ausbalancieren. Es ist aufregend, das zu sehen. Es ist aufregend, immer noch neues Terrain zu entdecken. Vielleicht ist Aufregung eher das, was ich dann fühle.
Gibt es immer noch Bands, zu denen du aufschaust, die dich inspirieren? Oder agieren DARK TRANQUILLITY eher auf eigene Faust, ziehen Inspiration aus anderen Dingen?
Ich würde sagen, dass wir unseren eigenen Kreis der Inspiration haben. Man kann sich von der Karriere anderer Leute im Metal inspirieren lassen, aber wir würden nie andere Leute kopieren. Was uns Spaß macht, ist eine Art Kombination aus vielen Dingen. Es könnte etwas sein, das uns im Leben bewegt, oder etwas, das wir in einem Film entdecken oder in einem anderen Genre, das wir irgendwie in den Metal übernehmen. Das ist es, was unseren Sound vielleicht etwas anders macht.
Du bist nicht nur Keyboarder der Band, sondern nun auch zum dritten Mal Produzent. Sind diese Rollen für dich schwierig zu koordinieren?
Ja, ich habe zwei Funktionen in der Band, und deshalb ist es schwer für mich, während der Aufnahmen gleichzeitig die Keyboards zu bedienen. Ich muss einfach darauf vertrauen, dass ich es hinterher schon finden werde. Aber in meiner Rolle als Produzent ist es meine Aufgabe, den Überblick zu haben, wonach wir suchen, und zu wissen, woher wir kommen. Ein wichtiger Aspekt unseres Sounds ist es, Melancholie mit Aggression zu kombinieren. Ich achte also darauf, das immer in unserer Produktion zu haben. Wir suchen meist zuerst nach einer Emotion. Und das muss nicht unbedingt ein Riff oder eine Melodie sein. Es ist einfach etwas, bei dem wir merken, okay, das ist es, wovon wir in diesem Song sprechen. Dann können wir alles andere weglassen und einfach dieses Gefühl erforschen und darauf aufbauen.
Wie kann ich mir das vorstellen, dass ihr zusammensitzt und darüber redet, wovon der Song handeln soll und dann mit dem Schreiben beginnt? Oder schreibst du Demos und suchst nach einer bestimmten Emotion?
Ja, so etwas in der Art. Bei den Demos, also beim Erstellen von Demos für uns, haben wir schon, wie man so schön sagt, ein Blutbad angerichtet, denn wenn wir etwas finden, ist nichts heilig in diesem Demo. Das Demo ist also so, als würdest du in den Wald gehen und nach etwas suchen. Und wenn du etwas auf dem Boden findest, das dich wirklich anspricht, dann holst du es dir. Und du lässt das ganze Gestrüpp und Gebüsch beiseite. Es ist also kein Gefühl, das wir in Worte fassen können.
Mit welchen Emotionen schaust du denn auf die Welt, was findet sich auf „Endtime Signals“ wieder?
Es ist wirklich beängstigend. Die Welt sieht jetzt ganz anders aus als noch vor vier Jahren. Im Moment befürchten wir sogar, wir können die Demokratie verlieren. Das ist kein Gefühl, das ich vor vier Jahren hatte. Nicht so, wie ich es heute habe. Wir haben einen Krieg ganz in der Nähe in Europa. Das ist auch neu für uns, in diesem Ausmaß. Ich weiß nicht, ob du unseren Sänger Michael kennst, aber vielleicht hast du ihn bei Konzerten gesehen, und er ist ein sehr optimistischer Typ. Aber als er die Texte schrieb, sagte er mir, dass das Verfassen der Texte für dieses Album wirklich therapeutisch für ihn war, um all seine Gefühle zu verarbeiten. Es ist schwer, in diesen Zeiten einen Lichtblick zu sehen. Ich denke, es ist kein fröhliches Album, aber es beschreibt in etwa, was wir empfinden, und dadurch fühlen wir uns nicht mehr so allein. Musik besitzt das Potenzial, uns zu zeigen, dass wir mit unseren Gefühlen nicht allein sind, dass andere Leute das Gleiche fühlen. Darin liegt ihre Stärke.
Die Menschen verbinden sich letztendlich durch Kunst.
Genau darum geht es.
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