DAILY THOMPSON

Foto© by Jonas Wenz

Schlaflos in Seattle

Mit ihrem sechsten Album „Chuparosa“ machen DAILY THOMPSON noch einmal einen großen Schritt zurück in die 1990er Jahre, nachdem schon der Vorgänger „God Of Spinoza“ jede Menge Grunge- und Alternative-Vibes versprüht hatte. Das neue Album klingt in jeder Note nach Seattle und bringt das Gefühl für den Sound dieser Stadt zurück in die Neuzeit. Dazu passt, dass die drei Dortmunder Stoner-Rocker:innen die sechs ausladenden Songs in einem Vorort von Seattle aufgenommen haben. Für Danny, Mephi und Bubbles war der Trip in den Nordwesten der USA ein echtes Erlebnis, wie sie uns erzählen.

Der Einfluss der 1990er Jahre auf „Chuparosa“ ist unüberhörbar. Woher kommt das?

Danny: Ich bin 1975 geboren, habe die 1990er Jahre also musikalisch komplett mitgemacht. Bubbles ebenfalls und daher kommt das auch. Diese ganzen Bands aus Seattle wie SOUNDGARDEN, PEARL JAM oder NIRVANA habe ich total aufgesaugt. Danach kamen noch KYUSS dazu. Irgendwann habe ich auf MTV „100%“ von SONIC YOUTH gesehen und war total geplättet. Dann kamen ALICE IN CHAINS oder PIXIES. Wir haben „Chuparosa“ am Anfang als sehr kuschelig empfunden und waren uns unsicher, ob wir so was überhaupt machen können. Ist das noch Stoner oder kann das weg? Haha. Aber im Endeffekt sind wir total zufrieden mit dem Album. Der Sound ist wirklich super geworden.
Mephi: Ich bin zu jung dafür, ich habe das nicht direkt miterlebt, aber ich feiere diese Musik auch. Unfassbar, wie viel geile Rockmusik es in den 1990er Jahren gab. Als wir „Chuparosa“ aufgenommen haben, haben wir uns gefühlt, als würden wir ein neues Album von STONE TEMPLE PILOTS einspielen, weil jeder Song Elemente von einer anderen Band enthält.

Das Album klingt nicht nur nach Seattle, ihr habt „Chuparosa“ sogar ganz in der Nähe aufgenommen. Wie ist die Idee entstanden?
Mephi: Danny und ich waren schon Anfang 2023 für eine Woche in Seattle und haben dann noch drei Wochen Los Angeles drangehängt. Da haben wir Tony Reed getroffen, der hat dort mit seiner Band HOT SPRING WATER ein Konzert gespielt. Da haben wir ihn gefragt, ob wir bei ihm aufnehmen könnten. Er hat das erst belächelt, aber ein paar Monate später hat er uns geschrieben, was uns das in etwa kosten würde. Mit Mastering und allem. Im Endeffekt war es mit Flug und Unterkunft ähnlich teuer, als ob wir ein Studio in Deutschland gebucht hätten. Also haben wir uns entschieden, dass wir uns das leisten können. Dass wir uns diesen Traum erfüllen, in Seattle ein Album aufzunehmen. Wir hätten nie gedacht, dass es klappt, aber jetzt haben wir das knallhart durchgezogen.
Danny: Das ist einfach eine tolle Erfahrung gewesen. Nicht nur dort ins Studio zu gehen. Wir waren insgesamt 14 Tage drüben und nach sieben Tagen war das Album schon im Kasten. Also hatten wir noch ein paar Tage für uns. Wir hatten ein Haus über Airbnb gebucht, das war ganz günstig. Dann kamen noch zwei Kollegen aus Dortmund vorbei, die haben sich auch daran beteiligt, so konnten wir uns das gut leisten.

Ihr habt mit Bob Welch von FU MANCHU auch einen prominenten Gast auf dem Album. Wie kam das?
Mephi: Wir saßen mit Tony im Studio und haben gerade „I’m free tonight“ aufgenommen, als er irgendwann zu uns sagte: „Das klingt irgendwie nach FU MANCHU. Soll ich Bob fragen, ob er für den Song ein bisschen Gitarre spielt?“ Und wir so: „Ernsthaft?“ Dann hat er ihm über WhatsApp eine Nachricht geschrieben und ein paar Minuten später kam eine Antwort von Bob: „Na klar, ich bin sowieso gerade mit FU MANCHU im Studio.“
Danny: Das war überhaupt nicht geplant, aber es hat uns natürlich sehr gefreut. Bob hat uns zwei Soli zur Auswahl geschickt, die haben wir dann aufgeteilt und von beiden einen Part verwendet, so hat es super zu unserem Stück gepasst. Das war natürlich ein Gimmick, bei dem wir nicht nein sagen konnten. Aber live kann man den Song auch gut ohne das Solo spielen. Das war uns wichtig.

Was bedeutet der Albumtitel „Chuparosa“?
Mephi: Als Danny und ich letztes Jahr diesen USA-Trip gemacht haben, waren wir auch in Joshua Tree. Die Inspiration für den Albumtitel kam also direkt aus der Wüste. Wir hatten eine Broschüre zu den Pflanzen dort und in der habe ich den Namen Chuparosa entdeckt. Dann haben wir die schöne Pflanze dazu gefunden und uns gedacht, daraus müssen wir zumindest einen Song machen.
Danny: So kommen unsere Songs oft zustande. Man liest irgendwas und beschließt, da was draus zu machen. Wie beim Album „Oumuamua“, das haben wir nach diesem Felsbrocken benannt, der im All schwebt. Das klingt auch nicht so typisch nach Rock-Album wie „Rock The World“.

Worum geht es in den Songs? Zum Beispiel „Pizza boy“?
Danny: Bei „Pizza boy“ geht es um einen Pizza-Lieferanten, der lieber in der Sonne sitzt und kifft, anstatt seine Arbeit zu machen. Das war ursprünglich nur ein Arbeitstitel, aber den Typen konnten wir uns dann so gut vorstellen, dass wir es so gelassen haben.

Seit Ostern ist das Kiffen in Deutschland offiziell erlaubt. Was sagt ihr dazu?
Mephi: Seitdem haben wir aufgehört, haha. Es war längst überfällig, dass man kein Straftäter mehr ist, wenn man was raucht. Und wenn man jetzt aus Bayern hört, dass alle an einer Überdosis sterben und es mehr Verkehrstote gibt, dann klingt das so, als würde man in Bayern glauben, vorher hätte keiner gekifft, weil es verboten war. Diejenigen, die kiffen wollen, machen das mit oder ohne Verbot. Wir haben ja in den USA gesehen, wie easy das geregelt ist. Das ist dort ein eigener Wirtschaftszweig, der dem Staat sogar Steuern einbringt. Also ich bin dafür, aber natürlich nicht für Jugendliche.

Mit „Diamond waves“ gibt es auch ein Stück über das Meer. War das ein besonders romantischer Moment?
Danny: Überhaupt nicht. Wir hatten diese Melodie im Kopf und da habe ich mich an unsere Zeit in Los Angeles erinnert. Da waren wir in Long Beach am Strand. Der Song ist eher eine Momentaufnahme und feiert dieses Gefühl, frei zu sein und aufs Meer zu schauen – alle Probleme für einen Moment auszublenden. Die Melodie hat einfach perfekt zu einem schönen Thema gepasst und nicht etwa zu einem Text über einen Serienkiller.
Mephi: Bei diesem Song war ich mir auch unsicher, ob wir den mit DAILY THOMPSON bringen können. Ob der nicht vielleicht zu schnulzig ist. Aber Tony meinte, der Song würde ihn an PAVEMENT erinnern. Also haben wir uns gedacht, wir ballern den jetzt einfach mal so raus. Wir haben sogar noch zwei Parts ergänzt. Letztlich standen wir auch alle dahinter. Wir können ja kein Album schreiben, um irgendwelchen anderen Leuten zu gefallen. Es muss uns gefallen. Wir freuen uns auf jeden Fall schon sehr darauf, diese Songs endlich live zu spielen.

Euer Sound hat Radiopotenzial, aber die Tracks sind einfach viel zu lang. Warum braucht ihr immer so lange, um auf den Punkt zu kommen?
Bubbles: Das liegt am Tempo und an den Elementen, die wir in unsere Songs reinpacken. Da kommen wir mit drei Minuten nicht hin. Wir mögen ausladende Parts und lassen uns auch gerne ein bisschen Zeit. Drei Minuten sind schnell vorbei, aber tatsächlich gibt es vom Titelsong „Chuparosa“ jetzt auch ein Radio-Edit. Das hat sich unser Label Noisolution gewünscht. So dauert er nur knapp vier statt sieben Minuten. Das geht auch, aber in unseren Augen fehlen einfach Elemente, die uns wichtig sind. Prinzipiell machen wir uns aber keine Gedanken darüber, wie lang unsere Songs sind, die kommen einfach aus uns heraus.

Was könnt ihr uns zu dem Foto auf dem Cover verraten?
Mephi: Wir hatten in Seattle unseren Kollegen Jonas dabei, der Fotos gemacht hat. Das Covermotiv ist eines der ersten Bilder, die dort entstanden sind. Das war der erste Morgen nach unserer Ankunft. Und zwar ist es der Blick in unseren Garten. Wir hatten da eine Terrasse und das war die Aussicht auf die Nachbarhäuser. Das war so typisch amerikanisch. Und das auf dem Backcover ist die Nord Alley in Seattle, wo schon NIRVANA in den 1990er Jahren ein berühmtes Foto gemacht haben.

Ihr habt also auch ein bisschen Sightseeing gemacht?
Danny: Mephi und ich waren mal unterwegs und haben ein paar Läden abgeklappert. In Seattle findet man an jeder Ecke etwas Cooles. Wir waren zum Beispiel im Central Saloon, wo NIRVANA ihr erstes Konzert in Seattle gespielt haben und auch Bands wie SOUNDGARDEN oder ALICE IN CHAINS aufgetreten sind. Außerdem waren wir am Haus von Kurt Cobain. Da gibt es überall Spuren in die 1990er Jahre, auch abseits der touristischen Hotspots. Wenn man auf diese Musik steht, ist das schon beeindruckend. Und natürlich haben wir an der einen oder anderen Klowand auch einen Sticker von DAILY THOMPSON hinterlassen.