Was dem Briefmarkensammler die Blaue Mauritius, ist dem gutbetuchten Powerpop-Connaisseur von Welt eine Near-Mint-Kopie der 1979 auf dem Luggage Label erschienenen „Morse Code Messages“-7“ der CITY LIMITS aus Leeds. Extrem gut, extrem gesucht, extrem teuer. Der Band indessen nützte der posthume Sammlerwert wenig, wurden doch seinerzeit ihre Bemühungen um eine weitere Veröffentlichung seitens der Plattenlabels stets mit Ignoranz beantwortet. Am 13. Mai 2017 nun hatte die Band endlich die Gelegenheit, sämtliche Zweifler der Vergangenheit anlässlich ihrer Release-Party der bei Queen Mum Records erschienenen Vinyl-Retrospektive „To Hull And Back“ in Berlin Lügen zu strafen. Ohne Frage, für die Band war das nicht einfach nur irgendein Konzert, sondern ein ganz besonderer Moment, bei dem Familie, Freunde und sämtliche Wegbegleiter natürlich nicht fehlen durften. Darüber, wie all das überhaupt erst möglich wurde, sprach ich mit Sänger Ted Waite.
Ted, 37 Jahre nach Erstveröffentlichung ist endlich eine LP mit den ganzen alten Aufnahmen erschienen. Wie fühlt es sich an, dieses Ziel endlich erreicht zu haben?
Absolut großartig! Ich war 21, als wir die von dir genannte Single veröffentlichten, und nun bin ich 58 Jahre alt, was die Wartezeit betreffend wohl so etwas wie ein absoluter Rekord ist. Dennoch ist es wunderbar zu wissen, dass unsere Musik nach all diesen Jahren noch immer eine Bedeutung für andere Menschen hat.
Würdest du sagen, dass Zeit letztendlich doch alle Wunden heilt? Denn obwohl John Peel von eurem Song begeistert war und ihn entsprechend regelmäßig in seiner Radioshow gespielt hat, fiel das Interesse der Plattenfirmen damals eher mäßig aus.
Ich denke nicht, dass es allzu große Wunden aus dieser Zeit gab, die hätten geheilt werden müssen, sondern versuche, mich auf die Gegenwart zu konzentrieren, darauf, dass uns die ganze Planung und Arbeit für diese Platte unglaublichen Spaß bereitet hat. Es hängt wohl auch davon ab, wie viele Kopien des Albums wir dann am Ende wirklich verkaufen werden, hahaha. Was die Verantwortlichen der Plattenfirmen von damals allerdings sicherlich verwundert, ist die Tatsache, dass „Morse Codes Messages“ bei eBay inzwischen Preise von weit über 250 Pfund erzielt. Die Gründe, warum wir es damals nicht geschafft haben, sind sicherlich in einer Kombination verschiedener Faktoren zu suchen. Vielleicht haben wir uns einfach nicht genug von anderen Bands abgehoben und sicherlich haben wir niemals diese magische Formel für einen wirklichen Hit gefunden, der das Potenzial hatte, richtig einzuschlagen und auch auf Radio 1 und nicht nur in der Peel-Show gespielt zu werden, denn letztendlich war leider genau das ausschlaggebend. „Morse code messages“ war da zwar wirklich nah dran, doch obwohl ich diesen Song, genau wie alle anderen von uns aus dieser Zeit, wirklich liebe, eben einfach nicht nah genug. Rückblickend denke ich manchmal, dass wir zu früh aufgegeben haben. Uns hat einfach der Antrieb, der absolute Wille gefehlt hat, um mehr aus uns zu machen und die Opfer zu bringen, die notwendig sind, um aus einer ganz netten provinziellen Band eine zu machen, die es auch auf die Bühnen des restlichen Landes schafft.
Trotz dieser Tatsache habe ich nicht den Eindruck, dass ihr deswegen frustriert oder verbittert seid, sondern stattdessen eher die besonderen Momente aus dieser Zeit im Vordergrund stehen.
Weißt du, diesbezüglich einzelne Dinge hervorzuheben, ist wirklich schwer, denn eigentlich ist es doch das große Ganze, was zählt. Natürlich hatten wir großartige Gigs in der Haddon Hall in Leeds oder auch in Hull, ebenso gab es auch fantastische Auseinandersetzungen und Momente während so einiger Proben von uns. Doch das Wichtigste ist, mit deinen Freunden in einer Band zu sein, und herauszufinden, dass man Songs schreiben und spielen kann, die andere Menschen hören wollen. Das ist das Besondere, was ich niemals vergessen werde!
Anders als bei vielen Bands aus dieser Zeit, die zumeist die SEX PISTOLS als entscheidenden Einfluss nennen, war es bei euch primär Elvis Costello. Was war für euch das Besondere an seinem ersten Album und inwiefern hat es euch als Band verändert, denn immerhin hattet ihr euch ja schon 1973 mit völlig anderen Ideen gegründet?
Obwohl wir gut 200 Meilen von London entfernt lebten, bekamen wir natürlich die ganzen Veränderungen mit, die 1977 in der Musik stattfanden, doch „My Aim Is True“ war für uns die eine ausschlaggebende Platte, weil sie zeigte, dass New Wave auch ohne Pogo möglich war, weil sie die Haltung von Punk mit wirklichem musikalischen Können verband. Auf dieser Platte waren so abwechslungsreiche Song wie „Red shoes“, „Less than zero“ oder „Alison“, die komplexe Texte mit atemberaubenden und trotzdem unmittelbaren Melodien kombinierten. Oh, das Cover war natürlich auch überragend. Natürlich hatten wir als verpickelte Teenager mit unserer Band bereits verschiedene Dinge ausprobiert, mit unterschiedlichen Stilen experimentiert, aber durch diese Platte 1977 hatten wir endlich das Gefühl, das gefunden zu haben, was wir auch wollten. Uns als Punkband zu versuchen oder zu präsentieren, wäre zum einen schlicht unehrlich gewesen und zum anderen, ohne das abfällig zu meinen, auch ein musikalischer Rückschritt, denn wir konnten weit mehr als drei Akkorde. Wir fanden damals für uns einfach heraus, dass wir so ein Teil des Zeitgeistes sein und gleichzeitig unsere musikalischen Möglichkeiten nutzen könnten. Ich will da ganz ehrlich sein, denn ich befürchte, wir waren einfach keine „bored teenagers“, die sich gegen die Ungerechtigkeit der Gesellschaft auflehnen. Wir wollten Popstars sein. Wir nahmen zwar die Energie von Punk auf, doch es wäre eine arg geschönte Version der Wahrheit, uns als Anti-Establishment zu verkaufen. Im Gegenteil, wir wären froh gewesen, ein Teil des Establishment zu sein, „Top of the Pops“ eingeschlossen.
Wie muss man sich die Musikszene und das Leben in Leeds selbst zur damaligen Zeit vorstellen, vor allem auch im Gegensatz zu London?
Leeds hatte eine sehr starke Musikszene mit vielen großartigen Bands, an fast allen Tagen der Woche fand irgendwo ein Gig statt, aber es war nicht mit Camden oder der Kings Road zu vergleichen. Viele der Bands gab es, wie auch uns, bereits vor der Punk-Explosion und die meisten versuchten, ihren Stil danach anzupassen, um neue Stile wie New Wave oder Powerpop zu reflektieren. Da sich die Musikindustrie zu dieser Zeit größtenteils nur auf London fixierte, war es unglaublich schwer, als Band auf sich aufmerksam zu machen, wenn du nicht von dort kamst. Eigentlich hattest du nur zwei Möglichkeiten: Entweder, du hast die A&R-Typen auf irgendeine Art und Weise überzeugt, dass sie unbedingt zu dir kommen und dich sehen müssen, oder du hast die Reise nach Süden auf dich genommen, in der Hoffnung, dass dort jemand von dir Notiz nimmt.
Dass sich dann Jahre später ein Powerpop- und Punk-Fanatiker aus Berlin bei euch meldet, um eine Platte mit CITY LIMITS zu machen, habt ihr wahrscheinlich nicht erwartet.
Hahaha, definitiv nicht, aber es war eine tolle Überraschung! Angefangen hat alles mit einer E-Mail von Bruce Rogers, der den „My Life’s a Jigsaw“-Blog betreibt. Bruce hatte auf seiner Seite etwas über unsere erste Single geschrieben und wollte wissen, was mit den Songs „Dancing in the heat“ und „No regrets“ passiert ist, die für unsere zweite Single geplant waren. Nachdem ich ihm die Songs und einige zusätzliche Infos für seinen Blog geschickt hatte, fragte er, ob wir genug Material für ein Album hätten und daran interessiert wären, mit einigen Labels zu sprechen, die er kannte. Er erzählte mir von Kidnap und seinem Label Queen Mum Records und plötzlich nahmen die Dinge ihren Lauf. Kidnap war absolut großartig und hat unglaubliche Arbeit bei diesem Projekt geleistet. Er hat sich wirklich um alles gekümmert, Artwork, Fotos, Linernotes und und und, so dass wir nun nicht einfach nur ein Album haben, sondern eine ewige Erinnerung an diese kurze Zeit in unserem Leben, als wir dachten, dass alles möglich wäre.
Wie wird es für euch weitergehen?
Es gibt noch eine Menge Songs aus der Zeit nach „Dancing in the heat“ und „No regrets“, die wir nie aufgenommen haben und die ich gerne für die Nachwelt festhalten würde. Wer weiß, vielleicht wären manche sogar gut genug, um den Typen von Arista zu beeindrucken, der unsere Songs damals mit „Close but no cigar“ kommentierte, also „knapp daneben ist auch vorbei“. Nach diesem verrückten Jahr, das hinter uns liegt, kann mich nichts mehr überraschen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #134 Oktober/November 2017 und Dirk Klotzbach
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #129 Dezember16/Januar17 2016 und Dirk Klotzbach