Diese Frage stellen CHAOSBAY auf ihrem neuen Album. Frontmann und Sänger Jan Listing spricht darüber, welche Ängste die Berliner Band damit anspricht und welche besonderen Merkmale das Album prägen.
Ihr macht Progressive Metalcore. Viele sagen, das sei die Königsdisziplin wegen der technischen Komplexität. Stimmst du dem zu? Und warum habt ihr euch für dieses Genre entschieden?
Ja, wir sehen Progressive Metal als sehr anspruchsvoll an und das war auch unser Ausgangspunkt. Bands wie DREAM THEATER, PAIN OF SALVATION und PORCUPINE TREE haben uns stark beeinflusst. Schon unser Debüt „Vasilisa“ von 2015 war ein klassisches Konzeptalbum in diesem Stil, und wir streben an, technisch anspruchsvolle Musik zu machen. In den letzten Jahren haben wir Metalcore hinzugefügt, inspiriert von Bands wie BRING ME THE HORIZON und ARCHITECTS. Diese Fusion von Progressive Metal und Metalcore prägt unseren aktuellen Sound. Lustigerweise entdeckte ich erst später, dass es dazu sogar einen Wikipedia-Artikel gibt!
Gibt es auf eurem neuen Album ein Stück, das technisch besonders anspruchsvoll ist?
Ja. Wir haben kürzlich angefangen, die neuen Songs zu proben, und da merkt man erst, wie anspruchsvoll sie wirklich sind. Heute läuft es ja oft so, dass die Songs zuerst geschrieben und produziert werden, bevor man sie überhaupt das erste Mal zusammen als Band spielt – gerade wenn die Mitglieder wie wir in verschiedenen Städten leben. Der Song „Psycho“ ist definitiv eine Herausforderung. Wir werden sehen, ob wir den in der kurzen Zeit sauber hinbekommen.
Und wie sieht es gesanglich aus? Gibt es da auch Stücke, die dich besonders fordern?
Gesanglich ist das momentan „Don’t kill me“, unsere aktuelle Single. Vor allem weil ich den Part von unserem Gastsänger Tyler Ennis von OF VIRTUE mit übernehmen muss. Aber auch instrumental ist der Song ziemlich knackig.
Bei dem Titel „Are You Afraid?“ musste ich an den Joker denken, insbesondere an das „Why so serious?“ Gibt es eine Verbindung oder eine Anlehnung an dieses Motiv?
Interessanter Gedanke, aber tatsächlich gibt es keinen direkten Zusammenhang. Es ist jedoch so, dass das Artwork des Albums viele an ein Filmplakat erinnert, was durchaus beabsichtigt ist. Wir wollten mit dem Cover einen visuellen Eindruck erzeugen, der an Filme erinnert. Der Titel „Are You Afraid?“ ist vielmehr eine introspektive Frage, die sich an unsere Generation richtet. Es reflektiert das Gefühl der Überforderung, das viele von uns empfinden. In den Songs geht es um die Ängste und Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind – wie den Klimawandel oder geopolitische Konflikte, die zum Teil selbst verschuldet sind und zum Teil nicht. Diese Emotionen und Themen werden durch das gesamte Album hindurch behandelt.
Es enthält auch Gastauftritte von verschiedenen Bands. Jetzt darfst du lästern: mit wem hat es besonders viel Spaß gemacht und mit wem eher weniger?
Oh, da kann ich leider nicht lästern – ehrlich gesagt will ich das auch gar nicht. Es ist so, dass wir bei den Gastauftritten ausschließlich mit amerikanischen Künstlern zusammengearbeitet haben. Da wir uns nie persönlich getroffen haben, kann ich auch nicht beurteilen, wie die Zusammenarbeit im Studio abgelaufen wäre. Aber was die Remote-Arbeit betrifft, war ich mit allen Beteiligten sehr zufrieden. Jeder war super engagiert und hat großartige Leistungen abgeliefert. Besonders cool fand ich es, dass Tyler von OF VIRTUE sich sogar privat bei mir gemeldet hat, was ich nicht erwartet hatte. Das war eine nette Überraschung und hat die Zusammenarbeit noch angenehmer gemacht. Insgesamt hat es mir mit allen Gästen wirklich viel Spaß gemacht, und ich hoffe, dass wir irgendwann die Gelegenheit haben, die Songs live zusammen aufzuführen. Also, leider keine Negativberichte hier – alle waren großartig!
Gibt es auf dem Album einen Song, der dir persönlich besonders viel bedeutet? Irgendetwas, das für dich einen speziellen Stellenwert hat?
Ja, den gibt es tatsächlich. Es fällt mir schwer, nur einen Song hervorzuheben, weil alle meine „Babys“ sind, aber ich möchte gerne einen speziellen Track erwähnen: „nostalgia“. Der Song ist als Interlude gestaltet – ganz ruhig und unscheinbar, ohne verzerrte Gitarren oder große Instrumentalparts. „nostalgia“ ist wie ein kleiner nostalgischer Werbeblock, der uns aus dem Alltag herausnimmt und uns in Erinnerungen schwelgen lässt. Die Inspiration kam von dem Trend auf TikTok und Instagram, bei dem man sich verträumte Fotos aus der Vergangenheit anschaut und sich romantisch an die „guten alten Zeiten“ erinnert. Für mich ist dieser Song so besonders, weil er genau diese Emotion einfängt und mich immer wieder in diese melancholische, aber schöne Stimmung versetzt. Ich bin mir bewusst, dass der Titel möglicherweise untergeht, weil er eher unauffällig ist, aber mir war es wichtig, diesen kleinen Farbtupfer auf dem Album zu haben. Er ist mein persönlicher Herzensschatz.
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