Ein Album, das 25 Minuten läuft, ist nicht sonderlich lang. Dennoch haben manche Bands bewiesen, dass eine solche Zeit reichen kann, um ein energisches Punkrock-Album zu machen. F MINUS dürften Spitzenreiter in Sachen kurze Platten sein, dicht gefolgt von einer Reihe spät-80er Hardcorebands. Während es aber um F MINUS eher ruhig wird, und die 80er längst vorbei sind, meldet sich der nächste Kandidat: C.AARME aus Schweden.
Deren selbst betiteltes Debüt-Album, das Anfang des Jahres auf Burning Heart erschien, schien mir im Vorfeld zwar überbewertet, als ich es hörte, war ich aber begeistert. Warum überbewertet? Ganz einfach, weil die Meldung, dass Par Stalberg von DIVISION OF LAURA LEE das Album produziert hätte, die Runde machte. Solche Meldungen rufen bei mir ein Gefühl hervor, als wolle eine Band, in diesem Falle C.AARME, sich hinter dem Namen eines anderen verstecken. Aber, falsch gedacht: C.AARME haben das energischste Schweden-Punkrock-Album der letzten 24 Monate herausgebracht. Der Sound ist ungehobelt und die Band prügelt mit einer Mischung aus den STOOGES und MC5 um sich, dass man denken mag, die HIVES hätten die Energie ihrer alten Tage wieder entdeckt.
Ich sitze also an einem sonnigen Abend im Garten des Thommy-Weissbecker-Hauses in Berlin Jessie Garon, Sänger von C.AARME, gegenüber. Selbiger schaut mich, nachdem ich u.a. die Namen HIVES und STOOGES genannt habe, mit schwer zu deutender Miene an: „Hm, du hast uns gerade als die energische Version der HIVES bezeichnet. Versteh mich nicht falsch, ich schätze es, wenn uns jemand mit den HIVES vergleicht, aber ein solcher Vergleich ist nichts, was wir anstreben. Denn wir haben komplett andere musikalische Wurzeln. Ich höre weder Punk, noch Rock‘n‘Roll noch irgendwas anderes in dieser Art. Ich bin großer Techno-Fan, kein Witz.“ Bitte, was? Ich habe, ganz ehrlich gesagt, meine Schwierigkeiten, mir jemand, der 2004 einem der besten und energischsten Rock-Alben seine Stimme gegeben hat, auf einem Rave zu Gabba zappelnd vorzustellen. Bevor ich aber meine Gedanken aussprechen kann, interveniert der Gute: „Halt, du verstehst mich falsch. Was ich sagen wollte, ist, dass wir nicht aus der Punkrock-Ecke kommen. Unser Debüt ist nur eine Dokumentation des Stadiums, in dem sich C.AARME gerade befinden. Das Album klingt komplett anders als unser erstes Demo, auf dem wir Death-Metal gemacht haben. Alles, was wir in Zukunft aufnehmen, wird hoffentlich anders klingen als unser Debüt.“
Aha! Stellt man dieser musikalischen Entwicklung gegenüber, dass es C.AARME gerade zwei Jahre gibt, wird einem deutlich, in welchem Tempo sich diese vier Herren entwickeln müssen. Worauf mich Jessie Garon angrinst und seinen Gedanken weiterspinnt: „Nachdem wir unser erstes Demo veröffentlicht hatten, haben wir Musik gemacht, die wie PORTISHEAD klingt, und erst danach kamen wir auf den Trichter, Punkrock auszuprobieren.“ Jetzt bin ich sprachlos, während mein Gegenüber weiter grinst und flapsige, aber ehrlich von sich gibt: „Na ja, wir mögen halt die extremen Seiten der Musik, du weißt nie, wo es hingeht, nur wo es herkommt. Es muss von der spielerischen Seite her extrem sein. Nimm PORTISHEAD, sie klingen ruhig, wie sie aber spielen, ist extrem.“ Nun bin ich wirklich gespannt darauf, wie sich C.AARME weiter entwickeln. Einen Sprung zurück in das frühe Stadium der Band, wo sie Jessie Garon zufolge klang wie DEICIDE, wird es hoffentlich nicht geben und ebenso hoffe ich, dass die Band sich nicht ein zweites Mal PORTISHEAD zum Vorbild nimmt. Vielleicht bin ich Purist, denn eigentlich fände ich es ganz gut, wenn C.AARME weiterhin so klingen würden, wie sie es auf dem Debüt tun: Ehrlich, Zähne zeigend und ungehobelt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #54 März/April/Mai 2004 und Simon Brüggemann
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #88 Februar/März 2010 und Joachim Hiller