C.AARMÉ

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Musik für die Welt

Die schwedische Band mit dem eigenwilligen Namen veröffentlichte 2004 auf Burning Heart ihr erstes Album und begeisterte mit sehr direktem Hardcore-Punk alter Schule. Und da hätte was daraus werden können, wenn „Vita“ von 2006 nicht völlig untergegangen wäre. Mit dem dritten Album „World Music“, Anfang 2010 auf Nois-O-Lution erschienen, wird nun ein neuer Anlauf gewagt, allerdings nicht in der Tradition der Aggro-Punk-Attacken des Debüts, vielmehr ist die Formation aus Göteborg zur fiebrigen Noise-Rock-Band gereift. Bassist David Sundqvist beantwortete meine Fragen.

Du weißt, wie es geht: Du hast drei Minuten Zeit, um dich den Leuten in deiner Klasse vorzustellen. Dann mal los ...

C.AARMÉ ist kontrolliertes Chaos, wie ein schneller Zug oder ein tanzender Kran. Es ist diese Mischung aus wahnsinniger Intensität, gezügelter Aggression und fragiler Schönheit, die unseren Sound einzigartig macht. Außerdem sind wir eine umwerfende Live-Band!

Normalerweise steht „World Music“ ja für schreckliche Hippie-Musik. In eurem Fall klingt „World Music“ ganz anders, was also ist eure Definition oder Idee dahinter?

Die Idee, es als „World Music“ zu bezeichnen, rührt von einer Kritik am modernen Kolonialismus. Wir nehmen all diese verschiedenen Musikstile, die es so gibt, behaupten, sie wären alle dasselbe, werfen sie alle in einen Topf und nennen es „World Music“. Und so sehen wir auch die Welt, denn wir machen das mit allem, sei es nun Kultur oder Wirtschaft. Alles, was nicht unserer westlichen, zivilisiertem Lebensweise entspricht, ist irrelevant. Das gilt auch für Musik, wodurch daraus am Ende eine schönes Gleichnis wird. Wenn man aus etwas keine Hamburger, iPhones oder Geld machen kann, dann hat es für uns auch keinen Wert, was eine ziemlich arrogante Sichtweise ist, denn grundsätzlich bedeutet es, wir halten unseren Lebensstil für den einzig Wahren. Denk an die modernen Kreuzzüge unserer neuen Glaubensbekenntnisse: Wissenschaft und Technik. Regionale, ureigene Kulturen und Wirtschaftskreisläufe werden ausradiert, das läuft ja schon seit ein paar Jahrhunderten oder Jahrtausenden so. Letztendlich begründet es die ethische Basis, auf der wir unser alltägliches Leben führen, bestimmt die Leitkultur, die uns vorgibt, wie wir zu leben haben. Aber da unsere Musik nicht besonders zugänglich ist, war es auch einfach ein netter Weg zu sagen: Hier ist Musik, von uns für die Welt. Niemand wird ausgeschlossen!

Bei dem Versuch, eure Musik zu beschreiben, fallen mir Bands ein wie JESUS LIZARD, GANG OF FOUR, STEAKKNIFE oder auch eure früheren Labelmates THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY und DIVISION OF LAURA LEE bezogen habe. Wo würdest du mir zustimmen, wo eher nicht?

Mit T(I)NC und DOLL verbindet uns wirklich nur das alte Label. Uns hatte auch der gleiche Typ gesignt, der offenbar dachte, wir hätten viel gemeinsam, aber ich wüsste nicht, was das sein soll. Wir benutzen die gleichen Instrumente und kommen alle aus Schweden, klar. Aber ich denke, von der Attitüde her haben wir mehr mit GANG OF FOUR gemeinsam. Das Wichtigste ist der Groove.

Euer erstes Album klang noch etwas anders, das war im Prinzip ziemlich rudimentärer Punkrock. Woher rührt dieser Wandel, oder sollte ich sagen: Weiterentwicklung?

Na ja, ich denke, wir sind als Musiker und Menschen generell gewachsen, wobei keiner von uns so einen typischen Punkrock-Background hat. Klar, wir lieben Bands wie BLACK FLAG und die MISFITS, aber generell denke ich, dass uns mehr die Attitüde des Punks entspricht als das musikalische Genre.

Okay, eine langweilige Frage, aber ich muss sie stellen, um sicher zu gehen, dass ich einigen Leuten erzählen kann, wie gut euer Album ist: Wie spricht man euren Bandnamen richtig aus? Und hättet ihr es euch nicht leichter gemacht, einfach ein „The“ an den Anfang zu setzen und hinten irgendwas Einfaches, ohne Punkt und Akzent?

Du musst das C getrennt sprechen. Es kommt von dem schwedischen Namen C. Hamré, so hieß früher mal ein Nachbar von unserem Sänger Jessie und unserem Gitarristen John Ola, es war außerdem unser ursprünglicher Bandname. Vor der Veröffentlichung unseres ersten Albums mussten wir ihn jedoch ändern und so wurde C.AARMÉ daraus.

David, deine E-Mail-Adresse lässt den Schluss zu, dass du noch in einer anderen Band namens THE KICK aktiv bist, welche weniger nach Punkrock, sondern nach Goth/Synth-Pop klingt. Ist es eine andere Persönlichkeit von dir oder schlagen einfach zwei Herzen in deiner Brust?

Ja, du hast Recht, THE KICK ist mein Soloprojekt. Bei C.AARMÉ bin ich nicht der Hauptsongwriter und auch erst 2007/08 eingestiegen. Ich habe definitiv eine Schwäche für Dark Electronica, aber auch alle anderen Mitglieder von C.AARMÉ haben noch andere Projekte am laufen, so bleibt man kreativ. Es hilft uns, fokussierter und kompromissloser Musik zu machen.

Euer selbstbetiteltes Debütalbum kam 2004 bei Burning Heart raus und hatte auch gute Reviews. Beim zweiten Album „Vita“ jedoch gab es in Deutschland überhaupt keine Presse und ich war, ehrlich gesagt, überrascht, dass es überhaupt existiert, als ich während meiner Recherche darauf stieß. Ich vermute mal, es hat etwas damit zu tun, dass sich Burning Heart zu der Zeit mehr und mehr aus dem Business zurückzog ...

Burning Heart haben ganz offensichtlich keinen guten Job bei der Promotion unseres zweiten Albums gemacht. Irgendwann zu der Zeit begann das Label auseinander zu fallen und ich weiß noch nicht einmal, ob „Vita“ außerhalb Skandinaviens überhaupt einen richtigen Release hatte.

Meine Geheimagenten haben herausgefunden, dass ihr neben Musik noch weitere Interessen habt. Zum Beispiel Tennis.

Wir tragen halt gerne kurze Hosen. Und wir stehen auf dieses Start-Stop-Ding.

Oder Hunde.

Neben Valium sind sie der beste Ersatz für enge Freundschaften.

... und Hundetraining.

Eine große Faszination für Verhaltensforschung und Cesar Millan, den Hundetrainer. Ist wohl der Zustand vor dem „Kinderkriegen“.

... oder auch dystopische Literatur.

Wenn die Welt um dich herum auseinander fällt, kann es beruhigend sein, so etwas wie „Brave New World“, „1984“, „Fahrenheit 451“ oder „The Road“ zu lesen. So gefickt wie da sind wir wenigstens bis jetzt noch nicht.

Nicht zu vergessen: Das Maximum der weltweiten Erdölförderung, „Peak Oil“.

Ein Thema, das mir Angst macht und noch weit davon entfernt ist, richtig angegangen zu werden. Was passiert, wenn wir das Fördermaximum erreicht haben und die Menge danach abfällt, was nach Meinung vieler Geologen bereits passiert ist? Die Preise werden explodieren und wir können nicht ausreichend Nahrungsmittel nur aus erneuerbaren Ressourcen herstellen. Elektrizität wird uns nicht dabei helfen, Dünger und Pestizide herzustellen.

Dann ist er nicht mehr weit, der Untergang der westlichen Zivilisation, die Apokalypse.

Vor uns sind schon 26 oder 28 Zivilisationen untergegangen und wir tun alles, um es ihnen nachzumachen. Gibt es denn ein größeres Problem, als die Tatsache, dass wir den einzigen Planeten töten, auf dem wir leben können, und das auch noch verdammt schnell? Wir müssen anfangen, unsere Geschichte und die, die sagt, wer wir sind und wo unser Platz auf der Welt ist, neu zu schreiben. Frag dich doch mal selbst, wer ist mehr angewiesen auf den anderen: die Menschen oder die Natur? Könnte die Natur eher auch ohne uns überleben oder könnten wir ohne die Natur überleben? Die Welt brennt und ich frage mich, wann ist es genug? Wann ist es zu spät?