Ende der Achtziger Jahre machte mal wieder eine Band aus Hamburg in der Punk- und Hardcore-Szene auf sich aufmerksam: Aus den aufgelösten TORPEDO MOSKAU formten Arne Wagner (Bass, Gesang), Rudi Raschberger (Gitarre) und der inzwischen leider verstorbene Marc Wills (Drums) C3I. Mit Beiträgen auf den Samplern „Hamburg ’88“ und „Slam Brigade Haifischbar“ fanden C3I schnell zahlreiche Fans im ganzen Land. 1988 veröffentlichten sie auf Buback Records mit „Start“ ihr Debütalbum und waren mit ihrem schnellen, knackigen Punkrock, melodischen Gesangsbögen und persönlichen deutschsprachigen Texte auf zahlreichen Bühnen zu Hause. Doch bevor es richtig los ging, war schon wieder Schluss. 2012 dann standen C3I im Hamburger Störtebeker wieder auf der Bühne, am Schlagzeug saß nun Phill Hill. 2014 erschien die Single „Das Profil“, ehe man mit den Arbeiten zum neuen Album begann. Und tatsächlich, Anfang diesen Jahres veröffentlichten C3I auf K-Klangträger ihr zweites Album „Kurz danach“.
Fast dreißig Jahre stellen sich viele die Frage: Was hat es mit dem Bandnamen auf sich?
Arne: Der Name kommt aus Amerika. C3I ist die Formel für den atomaren Gegenschlag. Die drei C stehen für Command, Control, Communications und das I für Intelligence. Das sind die vier Grundvoraussetzungen, auf die man beim atomaren Gegenschlag achten muss. Es darf ja nicht einfach alles nur zerstört werden. Und wir sahen darin die Gegenwehr der Punks gegen die Gesellschaft, das Imperium, eigentlich gegen alles.
Die Szene nahm euch damals hervorragend auf dank eurer Samplerbeiträgen und dem ersten Album. Doch kaum wurdet ihr über Hamburg hinaus bekannter, war auch schon wieder Schluss.
Rudi: Ja, eigentlich war das damals ein recht kurzes Intermezzo. Uns gibt es jetzt seit der Reunion 2012 bereits viel länger als damals in den Achtzigern. Da waren das ja gerade mal zwei Jahre. Unsere Schlagzeuger wechselten damals bereits ständig, aber Arne und ich hielten das Ding immerhin bis 1988 noch am Laufen. Doch dann gab es immer mehr Diskussionen und Animositäten, die zur Trennung führten.
Wie ging es denn danach für euch weiter?
Rudi: Ich bin ein paar Jahre mit SHEEP ON A TREE rumgetourt. Später dann mit 3000 YEN oder kleineren Bands wie MAGNOLIA. Dann gab es noch mein Solo-Programm mit eigener Platte und Tournee. Arne gründete NOISE ANNOYS und ging damit ja ganz gut durch die Decke.
Arne: Vor C3I gab es für mich neben TORPEDO MOSKAU bereits die Band BIERSPIELER. Zeitgleich zum Split von C3I kamen die dann auf mich zu, ob wir nicht wieder gemeinsam was machen möchten. Witte sei dann an der Gitarre auch dabei und so entstanden NOISE ANNOYS. Daraus entstanden dann SQUARE THE CIRCLE, mit denen wir aber nie an die Erfolge von NOISE ANNOYS anknüpfen konnten. Wir waren inzwischen auch alle über dreißig, hatten Kinder und Jobs und so zogen wir uns ein wenig aus dem Ganzen heraus. Jetzt sind die Kinder größer, aber die eigenen Flausen im Kopf sind geblieben.
Das erklärt, warum ihr heute im hohen Alter noch oder wieder auf der Bühne steht. Aber warum ausgerechnet mit der Band, die ihr vor 24 Jahren zu Grabe getragen habt?
Arne: Rudi reiste jahrelang durch die Weltgeschichte und lebte lange in Freiburg. Als er dann aber zurück nach Hamburg zog, liefen wir uns zwangsläufig wieder häufiger über den Weg, und jedes Mal löcherte er mich damit, C3I wieder aufleben zu lassen. Eigentlich wollte ich ja nie wieder einen Bass in die Hand nehmen, aber er hat nicht locker gelassen.
Rudi: Ich hatte C3I die ganzen Jahre über nie vergessen. Wir waren viel unterwegs in unserem himmelblauen Kadett-Kombi, haben viel erlebt. Das war eine geile Zeit. Als ich dann mitbekam, dass es auch heutzutage immer noch zahlreiche Fans der Band gibt, wollte ich es unbedingt noch einmal wissen. Die Idee, die hinter C3I steckte, gefiel mir ja immer noch. Es gab durch all die Bands, in denen wir in den Jahren so aktiv waren, und durch all das, was wir im Laufe der Jahre erlebt haben, ja auch enorm viel Input, den wir haben einfließen lassen. Und mit Phill kam ja auch neuer Schwung am Schlagzeug dazu.
Phill: Meine erste Band waren ANTIKÖRPER. Während dieser Zeit bin ich noch bei RASTA KNAST eingestiegen und habe dort acht Jahre gespielt. Bevor ich dann bei C3I einstieg habe ich noch zwei Konzerte mit ASTA KASK gespielt. Das war wohl bis dato mein größtes Highlight und ich dachte, was soll jetzt noch kommen? Und dann kamen Arne und Rudi.
Rudi, du sprachst gerade von der Idee, die hinter C3I steckt. Was ist damit gemeint?
Rudi: Die Idee ist wohl die musikalische Umsetzung unserer Inspiration. In den Achtzigern waren wir komplett Punkrock-inspiriert und haben das mit deutschen Texten versehen, was in unserer Szene damals eher unüblich war. Rachut schrieb noch deutsche Texte, ansonsten sang man doch eher englisch. Wir waren schon sehr von dieser Punkrock-Attitüde angetan, also alles mit sehr schnell gespielten Vierviertel-Beats und somit weniger das damals angesagte Hardcore-Ding. Live war das teilweise sehr chaotisch, aber immer sehr enthusiastisch.
Arne: Deutsche Texte waren ja damals durch die Neue Deutsche Welle in der Punk-Szene völlig out. Das Thema war erst mal durch. Und wir sind da praktisch wieder gegen den Strom geschwommen. Wobei wir textlich eben nicht in die Richtung der klassischen Deutschpunk-Bands wie TOXOPLASMA oder BUTTOCKS gehen wollten. Das war nie so meins. Mir ging es immer mehr um das eigene Lebensgefühl als um das, was von außen in mein Leben getragen wird. Politische Situationen ändern sich, Menschen nicht.
Rudi: Politische Texte fand ich immer schon schwierig. Ich mag es lieber, wenn die Lyrics universell brauchbar sind und dich persönlich ansprechen.
Wie wichtig ist es trotzdem, in heutigen Zeiten als Künstler politisch Kante zu zeigen, mal unabhängig von den Songtexten?
Rudi: Ich finde es da viel wichtiger, sich persönlich zu engagieren. Ich gehe zum Beispiel auf alle Demos, die hier in Hamburg gegen die AfD stattfinden. Bei Bands ist es oft schwierig, wenn sie ihre politischen Statements sowieso nur in ihren eigenen Dunstkreis heraushauen. Das steht man dann oft und denkt, dass man das ja schon selber weiß. Das bringt mich gedanklich nicht weiter. Antifa-Fahnen auf Antifa-Veranstaltungen sind eher überflüssig. Und so ist das bei der Musik auch.
Arne: Als Band müssen wir uns da nicht direkt positionieren. Als Person muss ich das sehr wohl. Hinzu kommt, dass ich politisch auch nicht so gebildet bin, um mich da als Sprachrohr zu sehen. Ich habe meine eigene Überzeugung und hinter der stehe ich auch.
Ihr gehört ja im Grunde zu den Urvätern des Punk in Hamburg. Fühlt ihr euch immer noch als Teil einer Szene?
Arne: Eine Punk-Szene gibt es nicht. Das ist doch Käse.
Rudi: Das interessiert mich nicht. Im Gegenteil, ich finde das eher langweilig. Für mich ist in Ordnung, wenn es Leute gibt, die da so einen Kult pflegen, mir gibt das auf Dauer aber nichts, das ist viel zu eindimensional. Ich höre mir immer noch gerne neue Punkbands an und finde da auch einiges gut, aber es gibt eben darüber hinaus noch so viel mehr. Es gibt ja nichts Uninspirierenderes als beliebigen Punkrock. Es ist so vieles austauschbar. Und der Begriff Punk birgt ja heutzutage auch nur noch sehr wenig Brisanz. Ursprünglich war Punk ja auch kein Genre, sondern ein Statement. Da stand die Haltung im Vordergrund und nicht der Musikstil. Hör dir mal DISCHARGE und BLONDIE an, oder Patti Smith im Vergleich zu den SEX PISTOLS. Das würde sich heute so alles gar nicht mehr im Punk-Kontext verkaufen lassen. Mich hat da sowieso immer mehr die Kreativität interessiert, die dahintersteckte.
Arne: Vielen aus der damaligen Szene ist es ja auch geglückt, was auf die Beine zu stellen und daraus etwas, eine Perspektive für ihr weiteres Leben mitzunehmen. Das haben viele, wenn auch nicht alle für sich genutzt. Es war eine Chance, die ich auch ergriffen habe. Deswegen kann ich auch nur jeden ermutigen, den Schritt zum Punkrock zu wagen. In welcher Form das geschieht, ist dabei erstmal zweitrangig.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #132 Juni/Juli 2017 und Lars "Abel" Gebhardt
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