BULBUL

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Das ist doch kein Noise-Rock!

„Da war übrigens noch ein Chris vom Ox da, der uns interviewen wollte!“, begrüßte mich Didi, BULBULs Schlagzeuger, bei dem Konzert im Schokoladen. „Ja, klar, guter Scherz“, dachte ich, nachdem die drei sich schon bei dem Interview am Nachmittag als ausgemachte Spaßvögel (Achtung, schlechtes Wortspiel: Bulbul ist auch der Name eines Vogels) erwiesen hatten. Aber weit gefehlt, und als mir Roland alias Deerhunt zwei Minuten später voller Überzeugung die gleiche Geschichte auftischt, bin ich geneigt sie zu glauben, und der Exile-On-Mainstream-Labelchef kann sie dann schließlich auch verifizieren. Hätte ich Idiot also mal einen Blick in die Ox-Planungsliste geworfen! Aber sicher, wie ich mir war, dass eh niemand das Trio aus Österreich hierzulande kennt – völlig zu Unrecht, versteht sich! –, hatte ich felsenfest geglaubt, dass ich mich als Einziger für die Band interessiere. Und habe damit glatt einem Kollegen die Arbeit abgenommen. Die letztlich darin bestand, trotz der unsäglich lauten Nebengeräusche das sehr schöne Gespräch mit Fredl, Gründer, Gitarrist und Sänger von BULBUL, Didi („nebenbei“ auch noch Schlagzeuger der famosen FUCKHEAD), und Roland halbwegs nachzuvollziehen.

Mit einer längst zweistelligen Diskografie, die alles von 3“- und 5“-CDs über Tapes bis hin zur 12“-LP und Samplerbeiträgen umfasst, die seit 1996 mal in Eigenproduktion, mal bei Trost, mal bei Mego oder Rock Is Hell und aktuell bei Exile On Mainstream erschienen sind, könnte man BULBUL getrost als eine Institution in Sachen Noise-Rock betrachten – wenn sie denn bekannter wären. Was meines Erachtens aber einfach an dem mangelnden Geschmack großer Teile der Menschheit liegt – siehe hierzu die Sammlung großartiger Verrisse auf bulbul.at. Mit ihrer Mischung aus Noise-Rock, Metal, Jazz, Improvisation und mittlerweile auch einer feinen Prise Pop sind sie weitaus origineller als 99,9 Prozent aller anderen Krachbands, und nicht zuletzt spricht für die sympathische Truppe, dass man ihren Songs auch den Witz und zugleich die Ernsthaftigkeit anhört, mit der sie zu Werke gehen. Nicht zu verachten sind schließlich auch die Liebe zum Detail, die im Artwork steckt, und erst Recht die Energie, die sie als Live-Band entfalten.

Ich habe heute herausgefunden, dass BULBUL im Hebräischen auch „Schwanz“ heißt.


Fredl: Ja, aber nur bei kleinen Jungen.

Roland: So wie bei uns „Spatzerl“ oder „Vögerl“ – oder wie sagt ihr dazu?

Ich kenne nur „Zipferl“ im Bayrischen ... Wie sieht’s denn mit eurer Bandgeschichte aus?

Fredl: Die Bandgeschichte schaut so aus: Einer macht was, dann kommen zwei andere dazu, dann hauen sie einen wieder raus, dann kommt wieder einer dazu ...

Didi: Habt ihr den wirklich rausg’haut oder ist der von selber gegangen?

Roland: Es begann mit einer Person ...

Fredl: ... und einem Staubsauger.

Roland: ... und dem wurde ganz schnell langweilig, dann waren es drei Personen, weil es lustiger ist, dann einer weniger, weil der nicht gut dazu passte.

Ich kann auch das Interview aus dem Big Load von vor zwei Jahren abschreiben, da steht eh alles drin. Da bliebe dann nur die eine Frage offen, was aus der Idee geworden ist, die erste Platte, die Eiserne, noch mal komplett mit Band einzuspielen, nachdem du, Fredl, die zuerst alleine eingespielt hattest.

Didi: Ja, das haben wir gemacht, jetzt sind wir froh, dass wir’s gemacht haben, lässig ist es aber nicht geworden. Die liegt halt jetzt irgendwo im Archiv.

Fredl: Es gibt ja eh eine Nummer von der Eisernen auf der Neuen.

Roland: Ein Remake des Smash-Hits „The lack of the key“!

Ihr seid ja gerade im Moment richtig viel auf Tour, auch in Deutschland.

Fredl: Im Juni haben wir für die Platte halt so eine kleine Präsentationstour gemacht und jetzt wieder für drei Wochen. Aber das ist heute schon wieder der letzte Abend. Im Oktober geht es noch weiter mit unserem „extended project“ BULBUL/TUMIDO, da spielen wir dann noch zehnmal. Aber hauptsächlich in Österreich.

Wie sieht dieses „extended project“ aus?

Fredl: TUMIDO ist eine Band aus Oberösterreich, eigentlich nur Bass und Schlagzeug, aber auch so Multi-Instrumentalisten. Mit denen spielen wir dann zu fünft, also mit zwei Schlagzeugen, zwei Bässen und einer Gitarre. Und auf der Tour spielen wir halt dann drei Sets, eins TUMIDO, eins BULBUL und eins gemeinsam.

Improvisiert ihr die gemeinsamen Stücke? Ihr habt ja auch einmal eine ganze Woche im Wiener Rhiz jeden Abend ein Impro-Set gespielt.

Fredl: Bei unseren Sachen improvisieren wir nur so zehn Prozent, aber mit TUMIDO improvisieren wir viel, mindestens die Hälfte, und im Rhiz haben wir jetzt ja auch wieder eine Serie. Bei der letzten Serie, wo es achtmal in einer Woche war, da waren 100 Prozent improvisiert. Da haben wir jeden Nachmittag die Gäste getroffen und irgendwas besprochen ...

Didi: 86 Prozent Impro! Einmal haben wir ein normales Set gespielt.

Fredl: Und jetzt haben wir eben wieder so eine Serie, zum Zehnjährigen vom Rhiz – und auch zum circa Zehnjährigen von BULBUL. Da werden wir aber vorher mit den Gästen proben und fungieren dann eher als Backing-Band. Aber wir spielen auch so übers ganze Jahr einmal im Monat im Rhiz.

Nehmt ihr von den Impro-Sachen auch was auf? Ihr macht ja ständig irgendwelche „obskuren“ Releases.

Fredl: Wir nehmen ganz viel selbst auf, teils nur stereo, teils auf Acht-Spur-Bandmaschine. Jetzt auf Tour hatten wir in Antwerpen einen Off-Day und waren im Studio. Wir haben auf diese Weise schon den Großteil des Albums auf acht Spuren vorproduziert und davon haben es vier Lieder aufs Album geschafft.

Und was ist mit der Live-Geschichte?

Fredl: Die Konzerte im Rhiz nehmen wir alle auf Zehn-Spur mit dem Computer auf und schauen halt, was dabei rauskommt.

Roland: Aber von dem Fitze-Fatze von vor zwei Jahren kommt nichts raus. Oder höchstens in fünfzehn Jahren.

Fredl: Wenn wir wieder daheim sind, arbeiten wir auch erst mal mit einer „angesagten“ Wiener Bassklarinettistin zusammen.

Wie kam es, dass ihr mit der neuen Platte bei Exile On Mainstream seid und nicht mehr bei Trost?

Fredl: Mit Trost hatten wir schon länger nichts mehr gemacht – vor vier Jahren ist die letzte Platte von uns auf Trost rausgekommen. Und generell lag einfach der Wille zur Veränderung in der Luft. Wir wussten schon, dass der Trostler gut ist und dass er es machen kann, aber wir dachten uns: „Jetzt probieren wir mal was anderes.“ Und Exile On Mainstream war eben der Einzige, der sich zurückgemeldet hat.

Roland: Das war auch der Einzige, den wir gefragt haben!

Fredl: Nein, das stimmt nicht.

Didi: Ein paar Hirngespinste hat es schon gegeben, Ipecac zum Beispiel.

Ich dachte, das wäre vielleicht einer der Gründe, warum ihr jetzt auch öfter außerhalb von Österreich spielt. Weil ich den Eindruck habe, dass eben viele Sachen auf Trost nicht wahrgenommen werden.

Fredl: Ich würde sagen, dass eigentlich alles, was es an Rockmusik aus Österreich gibt, nicht wahrgenommen wird. Das interessiert, glaube ich, einfach auf der ganzen Welt keinen.

Didi: Es gibt noch eine Truppe aus Oberösterreich namens VALINA [Anmerkung: Nicht nur der Umstand, dass VALINA bei Albini aufgenommen haben, weist die als ausgesprochen gute Band aus!], die kommen relativ viel rum, aber ansonsten war es das. Für mich war das schon ein Grund, ein anderes Label zu probieren, damit man auch mal rauskommt aus Österreich. Weil in Österreich spielen wir die Veranstaltungslandschaft eh immer rauf und runter. Und dann geht es halt wieder von vorne los. Da spielst du in Deutschland vor keinen Leuten, spielst in Holland vor keinen Leuten, und so weiter ...

Euer Artwork scheint euch recht wichtig zu sein, auch wenn dazu keine weiteren Infos auf den Platten zu finden sind, zum Beispiel, wer sie gestaltet hat.

Fredl: Das machen immer verschiedene Leute, die meisten Platten sind halt gesiebdruckt ...

Didi (zeigt auf Fredl): Er macht auch gerne was selber.

Fredl: ... weil das erstens schön aussieht und zweitens, weil es ansonsten zu teuer ist bei so kleinen Vinylauflagen. Für das letzte Artwork haben wir Kati Heck beauftragt. Wir schauen auch immer, dass wir ein paar Frauen involvieren, damit das nicht so eine reine Männersache ist. Das ist teilweise schon nervig bei den Konzerten, dass da – zwar nicht zu 100 Prozent, aber fast – nur Typen kommen.

Mit typischen Rollenbildern und Geschlechterverhältnissen brichst du ja auch in deinen Texten – zum Beispiel „Daddy was a girl I liked“ – oder bei deiner anderen Band, GOOD ENOUGH FOR YOU.

Fredl: Das ist halt gerade so ein Schmäh von uns.

Glaubst du, das erreicht irgendwas? Und sei es bloß Irritation ...

Fredl: Das Problem bei uns ist, dass wir sowieso kaum jemanden erreichen. Da sind wir manchmal auch schon froh, wenn halt selbst nur Typen da sind. Es spielt natürlich eine Rolle, in welchen Magazinen du präsent bist, aber wir sind eh kaum in irgendwelchen Magazinen präsent.

Didi: Und wenn du dann in irgendeinem Metal-Magazin auftauchst, kommen halt nur Typen. Oder die bringen vielleicht noch ihre Damen mit, die aber genauso traurige, schwarz gekleidete Gestalten sind.

Roland: Wir sind aber zum Glück keine klassischen Noise-Rock-Poser.

Fredl: Ich verstehe auch nicht, wieso wir immer als Noise-Rock-Band bezeichnet werden ...

Roland: Aber ziemlichen Krawall machen wir schon immer.

Fredl: Ja, schon, aber unter Noise-Rock verstehe ich was anderes!

Didi: Für die neue Platte trifft es halt nicht mehr zu, weil die anscheinend, was man sich so sagen lässt, schon recht hörbar ist.

Roland: Der beste Ausdruck für die neue Platte bisher war „volksnah“!

Didi: Unsere „volksnäheste“ Platte?

Fredl: Wie wäre es mit: „Laute Musik aus Österreich“? Oder: „Coole Musik aus Österreich“?

Didi: Wenn wir im Bus Sun Ra hören, da merkt man auch, dass das ganz schöner Noise ist, Noise-Jazz fast schon, aber es wird halt nicht so genannt.

Fredl: Wie sind wir hier angekündigt, als „Post-Punk“?!

Didi: Na ja, es hat sich bestimmt jeder von uns mal eine Punkplatte angehört ...