Mit „Hotel Bleu“ steht derzeit Album Nummer vier des zum Trio geschrumpften Pop-Punk-Ensembles aus Richmond, Virginia in den Startlöchern. Dank der verschwimmenden Grenzen zwischen Pop und Punk gibt es darauf viel zu entdecken und besonders die Experimentierfreude steht bei ihnen im Vordergrund. Wir unterhalten uns mit Sänger Ollie Baxxter über die Entwicklung der Band in den letzten Jahren und den Stand der Dinge in einer seltsamen Welt.
Es sind bereits drei lange Jahre seit eurem letzten Album „The Raging Sea“ vergangen, was das Album zu einem Kind der Pandemie macht. Was hat sich für euch seitdem verändert?
Ich glaube, wir haben eine ganz schöne Entwicklung hingelegt. Persönlich und mental wie auch musikalisch. Bei „The Raging Sea“ war einfach das Problem, dass das Album inmitten der Pandemie veröffentlicht wurde und daher einfach nicht die Beachtung fand, die es verdient hätte. Wir konnten es keinem Live-Publikum vorstellen. Gerade deswegen ist „Hotel Bleu“ für uns so ein besonderes Album und wir werden alles daran setzen, es mit einem Knall zu präsentieren. Wir hatten die Vorstellung im Kopf, ein Album zu schreiben, das eine breitere Masse anspricht. Wir werden alle nicht jünger und würden gerne die nächsten Schritte wagen, was Touren angeht, aber auch allgemein die Möglichkeiten, die sich uns bieten.
Ihr seid nur noch zu dritt. Wie hat das die Dynamik der Band beeinflusst?
Wir sind selbst genervt von den vielen Besetzungswechseln in den letzten Jahren. Deswegen tun wir uns auch sehr schwer damit, ein neues festes Mitglied zu präsentieren. Das Gute ist aber, dass wir echt viele Leute kennen und somit nie ein Problem damit haben, für Shows und Touren einen Schlagzeuger zu finden. Die Dynamik zwischen uns hat das zum Glück nicht wirklich beeinträchtigt, da wir in den letzten Jahren quasi immer auf die gleiche Weise gearbeitet haben.
Die Welt im Jahr 2023 ist ein echt seltsamer Ort. Wie seht ihr das ganze Chaos?
Ich habe immer riesige Probleme gehabt, meinen Platz in der Welt zu finden. Ich dachte immer, der Grund dafür wäre, dass ich aus ärmlichen Verhältnissen komme und mich nie mit dem Rest der Gesellschaft sozialisieren konnte. Genau so fühlt es sich manchmal als Erwachsener an. Man steht quasi in einem konstanten Wettbewerb, wer der Abgefuckteste ist, und hofft dabei, nicht abgefuckter zu sein als die Person, die neben einem steht. Viele Leute fühlen sich sehr einsam. Einsam aufgrund der rasanten Entwicklung in unserer Gesellschaft, einsam aufgrund der Entscheidungen, die Politiker für uns treffen. Es gibt zu viele Übergriffigkeiten und zu wenig Platz zum Leben. Es zerreißt mich, wenn wir in eine neue Stadt kommen und ich sehe, wie viele Menschen auf der Straße leben müssen. Überall auf der Welt leiden Menschen. Ich versuche, den Leuten mit Hilfe unserer Musik etwas Durchhaltevermögen und Selbstliebe zu vermitteln, aber es tut weh, nicht mehr tun zu können.
Wie ist eure Herangehensweise an neue Musik und hat sich diese über die Jahre verändert?
Ich glaube, früher hat mir mein Ego beim Schreiben etwas im Weg gestanden. Ich habe immer gedacht, die Hörer müssten sich mit meinen Problemen identifizieren können. Heutzutage will ich einfach positive Songs schreiben, die man interpretieren kann, wie man es will. Früher habe ich geschrieben, um Dinge zu verarbeiten, und war sehr ichbezogen. Davon habe ich mich gelöst. Heute geht es mir nicht mehr darum, mir selbst zu helfen, sondern anderen ein gutes Gefühl zu geben. Allgemeiner gesprochen haben wir aufgehört uns zu limitieren. Manchmal musst du in der Musik Dinge einfach passieren lassen. Eine gute Bridge, ein tolles Solo? Lass es passieren. Lass die Musik für sich stehen und lass den Zuhörer es genießen können.
Was hat euch im Hinblick auf „Hotel Bleu“ am meisten beeinflusst?
Ich liebe einzigartige Stimmen. Ich mag es total, wenn eine Stimme für sich selbst steht, auch ohne Musik. Ich bin musikalisch sehr stark durch THE CURE sozialisiert worden. Als weitere Einflüsse der Band und für unseren Sound würde ich BRIGHT EYES, INTERPOL, Corbin, The Weeknd, JOY DIVISION, KINGS OF LEON, THE BEATLES und TAKING BACK SUNDAY nennen. Beim Schreiben von „Hotel Bleu“ haben wir ununterbrochen JIMMY EAT WORLD gehört.
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QUICKFIRE-RUNDE
Lieblingstourpartner?
THIS WILD LIFE – eine unfassbar hart arbeitende Band, die immer am Start ist, wenn man sie braucht.
Lustigste Tourgeschichte?
Sehr früh in unserer Bandgeschichte wurden wir eingeladen, nach einer Show bei jemandem zu übernachten. Wir haben also mitten in der Nacht unseren Kram in das Haus gekarrt und sind schlafen gegangen. Als am nächsten Tag die Sonne aufging, haben wir gemerkt, dass wir in einem Abbruchhaus geschlafen haben. Es gab keine Möbel, keinen Strom und so ziemlich alle anderen Häuser in der Straße waren komplett vernagelt. Es stellte sich heraus, dass die Leute, die uns mitgenommen hatten, eigentlich nur eine Party in einem verlassenen Haus schmeißen wollten. Wir waren damals verdammt naiv und lachen noch heute über diese Nummer.
Lieblingskonzertlocation?
The Rave in Milwaukee. Allein die Geschichte des Venues und wer schon alles dort gespielt hat – unfassbar!
© by - Ausgabe # und 20. Juli 2020
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