Deutschlands größtes Punkrock-Festival, das Ruhrpott Rodeo am Flughafen Schwarze Heide in Hünxe bei Bottrop, hatte dieses Jahr einen ganz besonderen Special Guest auf dem Zettel. Zu bester Zeit am Freitagabend zwischen IGNITE und SONDASCHULE stand Blümchen auf der Rodeo Stage.
Ja genau, die Jasmin Sippel (ehemals Wagner), die in den Neunzigern mit Teenie-Techno-Hits wie „Herz an Herz“ oder „Bumerang“ prominent wurde. Fast eine Dreiviertelstunde lang dröhnten ihre Technobeats vom Band. Dazu performte sie in rot-silbernen Latex-Klamotten zwischen riesigen aufblasbaren Einhörnern und überdimensionalen Plüschherzen, neben Tänzerinnen mit Schmetterlingsflügeln. Das Punkrock-Publikum grölte von der ersten Sekunde an jede Textzeile mit, ließ sich von Jasmins positiver Ausstrahlung anstecken und feierte der Neunziger-Happy-Hardcore-Act völlig ab. Kurz vorher erzählte Jasmin im Ox-Interview hinter der Bühne, welche verschlungenen Wege sie nach Hünxe geführt haben.
Warum hast du bei einem Punkrock-Festival zugesagt? Viele Kollegen aus deinem Genre würden wohl eher sagen: Da passe ich doch überhaupt nicht hin. Was soll ich da?
In meiner Karriere gab es schon immer mal Ausflüge. Ich habe ja beim TURBONEGRO-Tribute-Album mitgesungen. Ein Duett mit Bela B. Und ich habe viele Freunde, die zum Teil punkaffin sind oder Punkrock-Festivals veranstalten. Natürlich kleinere, als das hier. Deshalb habe ich gar keine Gefahr darin gesehen, sondern gehofft, dass wir irgendjemandem Spaß machen. Wir wollen ja vor allem Freude vermitteln. Mir ist das ganz egal, ob das in Kategorien wie Punk oder Techno unterteilt wird. Wenn wir daran glauben, dass Musik Energie ist, dann kann die auch übertragen werden und im Idealfall gelingt das. Wir haben eine sehr freundliche Einladung bekommen. Dann haben wir gesagt: Wenn ihr denkt, dass wir in euer Programm passen, dann sehr gerne. Jetzt merke ich natürlich auch, dass es einige Leute ein bisschen aufregt, andere freuen sich, wieder andere finden es kurios. Ist doch schön, wenn man in dieser Welt noch polarisieren kann.
Gerade trittst du vor allem bei diesen Nineties-Revival-Shows auf. Ende März seid ihr vor 58.000 Zuschauern in der Arena auf Schalke aufgetreten. Unterscheidet sich denn der Auftritt beim Ruhrpott Rodeo von den ganz normalen Blümchen-Shows?
Wir haben unsere Show tatsächlich nicht angepasst, weil ich ja als Blümchen eingeladen bin. Den Leuten ist ja bewusst, für welche Musik ich als Blümchen stehe. Genauso wollten sie es haben und genauso bringen wir es auf die Bühne. Musikalisch ist das eine völlig andere Sache als das normale Programm. Aber die Beats von Punkrock sind ja auch schnell, zum Teil haben einige Bands sogar schnellere Beats als ich. Hinterher sind wir alle schlauer. Wir haben Bock und ich glaube, dass wir hier viele Freunde finden werden.
Wie geht es denn mit Blümchen weiter? Ihr seid ja für diese Nineties-Revival-Tour eigens aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Was kommt jetzt?
Wir spielen natürlich weiter Konzerte. Das machen wir ja erst seit März. Insofern gibt es Blümchen jetzt erst seit rund 90 Tagen wieder auf der Bühne. Seitdem habe ich nicht einmal zehn Konzerte gegeben. Das fängt also jetzt erst an und ich muss auch erst schauen, wie ich mich damit fühle. Ob das mein Leben schöner macht oder eben nicht. Wenn ich das Gefühl habe, dass es passt, dann kann ich mir auch neue Musik vorstellen. Es gibt viele Künstler, die Songs von mir remixen wollen. Es gibt viele Anfragen für Duette. Da muss ich mir erst mal gut überlegen, ob jetzt die ganz große Maschine wieder angeworfen werden muss.
Wie nimmst du eigentlich aktuell deine eigene Musik wahr, also 20 Jahre später?
Ich finde sie immer noch megacool. Ich habe bei meinen Konzerten selbst den größten Spaß, weil ich die Energie und die Power liebe. Ich mag, dass die Lieder so hymnenhaft sind und zum Mitsingen einladen. Ich bin ja selbst ein Kind der Neunziger. Für mich ist das so, als ob ich meine eigene Party veranstalte. Das war auch meine Motivation nach 20 Jahren. Das geht eben nur, wenn man immer noch Liebe für diese Musik empfindet. Gott sei Dank sind wir natürlich heute anders, aber weil ich eben Blümchen nicht sein muss, sondern kann, funktioniert es für mich.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #145 August/September 2019 und Wolfram Hanke