Zur großen Überraschung haben sich BIOHAZARD, die vor rund einem Jahr noch labelfrei durch die Lande zogen, erstaunlich schnell von diesem Tiefschlag erholt und werfen dieser Tage mit Unterstützung ihrer neuen Plattenfirma Steamhammer ihre sechste, „Uncivilization“ betitelte Wutkeule unters Volk. Im Verlauf ihrer Promotour hatte ich die Gelegenheit, ein Schwätzchen mit Frontmann Evan Seinfeld zu halten, der nach nunmehr siebentägigem Interviewmarathon zwar erschöpft, aber dennoch gewohnt professionell und redefreudig auch das letzte Gespräch dieser anstrengenden Woche in Angriff nahm.
Evan, erst mal meinen Glückwunsch zum neuen Labelpartner. War es nach euren schlechten Erfahrungen im Musicbiz nicht unheimlich schwer, Vertrauen in ein neues Label zu finden?
Weißt du, wenn du von vornherein kein Vertrauen ins Musicbiz, insbesondere in dein Label setzt, kannst du auch nicht enttäuscht werden. Roadrunner haben uns damals sehr unterstützt und BIOHAZARD zu „Urban Discipline“-Zeiten mächtig aufgebaut und auch Warner haben mit dem Nachfolger „State Of The World Address“ einen wirklich guten Job abgeliefert; im Gegensatz dazu folgten dann aber mit „Mata Leao“ und „New World Disorder“ zwei Alben, bei denen der Support der Plattenfirma gegen null tendierte.
War von Anfang an eine Platte geplant, die fast bei jedem Song mit Gaststars aufwartet?
Das hat sich einfach so ergeben, da alle Gäste auf der Platte gute Freunde von uns sind. Die Grundidee war eigentlich, nur einen Song mit Sen Dogg von CYPRESS HILL einzuspielen, was wir auch als erstes in Angriff nahmen. Die Zusammenarbeit verlief aber so gut, dass wir uns dachten: „Hey, warum holen wir nicht unsere Kumpels her und lassen sie an der ganzen Sache teilhaben?“. Nach dem Track mit Sen Dogg rief ich meinen alten Freund und Mentor Peter Steele von TYPE O NEGATIVE an, dann die Jungs von HATEBREED, SLIPKNOT, Roger von AGNOSTIC FRONT, und so kamen letztendlich die vielen Gastmusiker auf die Platte. Als sich die ganze Geschichte rumgesprochen hatte, verselbständigte sie sich, so dass letztendlich nicht mehr wir es waren, die die Leute anriefen, sondern auf einmal mein eigenes Telefon nicht mehr still stand.
Dafür habt ihr euch produktionstechnisch zum ersten Mal völlig alleine aus der Affäre gezogen ...
Uncivilization“ ist das erste Album, welches wir im Alleingang produziert haben, also wollten wir auch, dass es so gut wie nur eben möglich klingt. Wir hätten die Schande für eine miese Scheibe einfach nicht ertragen, also haben wir all unsere Kraft in die Produktion einfließen lassen. Du musst bedenken, dass wir zur Zeit des Recordings weder Manager, Label oder Vertrieb hatten.
Neben dem Hauptaugenmerk - der Musik - habt ihr schon immer immensen Wert auf eure Lyrics gelegt.
Stimmt, wir haben viele Höhen und Tiefen erlebt, sind aber immer dafür eingestanden, sich niemals und von niemandem unterkriegen zu lassen und für seine Rechte und Träume zu kämpfen. Dabei haben wir über dreizehn Jahre immer das „Streetlevel“ beibehalten, welches in meinen Augen enorm wichtig für die direkte Verbundenheit mit unseren Fans ist. Sie fühlen sich persönlich angesprochen und interpretieren ihre eigene Situation in unsere Lyrics. Wir haben Songs über zerrüttete Familienverhältnisse ebenso geschrieben und durchlebt wie Songs über zerbrochene Beziehungen, Gewalt, Rassismus, Drogenabhängigkeit, zu früh verstorbene Freunde oder kaputte Kindheit. Die Leute merken unseren Texten eben die Authentizität an und erkennen sich in ihnen wieder. Das Schreiben der Texte ist für mich eine Art Selbsttherapie und für den Hörer im Idealfall eine Hilfe zur Lösung seiner eigenen Probleme.
Eure Hauptmessage ist einleuchtend, aber woher nimmst du persönlich die Kraft, dich immer wieder aus ausweglosen Situationen zu befreien?
Das resultiert genau daraus, wofür BIOHAZARD schon immer gestanden haben und auch immer stehen werden: Niemals aufzugeben und für seine Träume kämpfen. Ich werde niemals aufgeben, für meine Ziele zu kämpfen bis ich sterbe; sonst war alles umsonst. Nimm zum Beispiel diesen sogenannten „New School“-Hype. Wir haben die Grundlage dieser Musik schon vor vielen anderen Bands gemacht, aber einige der heute angesagten Formationen fühlen sich nahezu wie die Erfinder dieses Sounds. Es gibt wirklich viele gute Bands in dieser Szene, aber die Zahl der schlechten ist eben genauso hoch. Es gibt Fakes und genauso gibt es Leute, die es ernst meinen und mit Engagement für die Sache kämpfen. Diese Bands werden auch in einigen Jahren noch existieren, für die anderen interessiert sich dann aber kein Mensch mehr.
Habt ihr denn nicht auch mal Tage, an denen ihr richtig down seid?
Natürlich hat jeder von uns auch einen schwachen Punkt - schließlich sind wir auch nur Menschen. Aber du siehst schon an der Tatsache, dass wir ohne Plattenvertrag, ohne Management und Demo im letzten Jahr auf Englandtour gegangen sind, dass wir niemals kapitulieren. Wir wollten wissen, ob der Name BIOHAZARD den Leuten noch etwas bedeutet oder ob sie darauf scheißen. Die Resultate sprachen für sich: Die Tour war zu 100% ausverkauft, die Leute feierten wie eh und je, und genau das gab uns die nötige Kraft, weiterzumachen. Wir hatten nach der Tour nur noch ein Ziel im Kopf, nämlich die härteste, stärkste, brutalste und beste Platte einzuspielen und uns auf diesem Weg bei unseren treuen Anhängern zu bedanken. Für mich beschreibt nur ein Begriff die Platte: „Powerful“, vom Artwork bis zur Musik.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #50 März/April/Mai 2003 und Dominik Winter
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