BIOHAZARD

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Letzte Ausfahrt Brooklyn

Anlässlich des neuen BIOHAZARD-Albums „Means To An End“ und hartnäckig kursierenden Gerüchten über eine baldige Auflösung der Band gab es einiges zu klären. Rede und Antwort per Telefon stand mir Billy Graziadei, seines Zeichens Sänger und Gitarrist der Band. Entgegen meiner Befürchtungen, Billy würde sich wegen der Auflösung seiner Band mit konkreten Antworten zurückhalten, stellte er sich als sehr gesprächig heraus. Es gab Interessantes zu erfahren, unter anderem auch über seine neue Band SUICIDE CITY.

Hi Billy, wie geht’s?

„Ich komme gerade erst von der Arbeit. Ich gehöre zur Arbeiterklasse, Mann! Ich stehe um fünf Uhr morgens auf und arbeite mir den ganzen Tag den Arsch ab. Weißt du was? Viele Leute würden sich schämen, das zuzugeben, aber ich bin stolz darauf, mit harter Arbeit meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Alleine die Musik ernährt mich und meine Familie nicht mehr.“

Kannst du mir in kurzen Worten erzählen, was in den letzten zweieinhalb Jahren zwischen „Kill Or Be Killed“ und „Means To An End“ passiert ist?

„Es gab ein großes Desaster im Studio. Nach acht Monaten harter Arbeit am neuen Album verloren wir alles. Es war schrecklich! Zuerst wusste ich gar nicht, was ich tun sollte. Stell dir vor, du hast acht Monate an einem Buch gearbeitet, hast deine ganze Kreativität und dein Herzblut da rein gesteckt, und dann ist alles zerstört. Aber schnell habe ich dann realisiert, dass man Negatives auch in Positives umwandeln kann. Das ist die Art von BIOHAZARD, wir haben uns gegenseitig nach vorne gepusht. Wir hatten auf einmal die Chance, alles neu und besser zu machen. Am Ende entstand mit ‚Means To An End‘ ein Album, das viel besser geworden ist, als wir uns vorher überhaupt vorstellen konnten. Somit war das rückblickend das beste Desaster, das mir in meinem Leben passiert ist, haha.“

Es gab einen Wechsel in eurem Line-up. Scott Roberts ist nun der neue Mann an der Gitarre. Kannst du mir etwas über die Gründe für den Wechsel und den Einfluss von Scott sagen, den er auf das neue Album gehabt hat?

„Nun, es ist schwer, mit BIOHAZARD zusammen zu arbeiten. Wir sind schwierige Charaktere. Alle Gitarristen, an die wir dachten, kamen aus Brooklyn und sind wie Brüder für uns. Trotzdem funktionierte es nicht. Die Art, wie wir sind, wie wir spielen, und unsere Erwartungen ließen sich mit den meisten eben nicht vereinbaren. Bis wir dann Scott fanden, der diese Position letztendlich bekam. Einfluss hat er meiner Meinung nach weder auf mich noch auf die anderen ausgeübt. Was er aber gemacht hat: Er hat den Platz an der Gitarre, seit Bobby wegging, perfekt ausgefüllt. Besser als jeder andere. Er trägt viel zur Live-Energie der Band bei. Es ist zwar schade für mich, dass wir als Band nun nicht mehr so weitermachen, wie wir es gewohnt sind, aber als Gitarrist passt er sehr gut zu uns. Er kennt unsere Musik genauso gut wie wir, er ist ein Fan der ersten Stunde.“

Wie ist die Produktion gelaufen? Beim letzten Album habt ihr ja alles selbst gemacht. Wie war es diesmal? Warum habt ihr nicht zum Beispiel Tue Madsen (BARCODE, HATESPHERE) engagiert, der ja sehr angesagt ist?

„Ja, du hast Recht, es gibt zur Zeit viele gute Produzenten da draußen. Aber weißt du was, Bruder, ich bin ein sehr großer Kontrollfreak. Ich habe eine Vision und die möchte ich nicht verlieren, indem ich einem anderen meine Ideen erst erklären muss. Wir haben die letzten drei Alben ‚Uncivilization‘, ‚Kill Or Be Killed‘ und ‚Means To An End‘ alle im Underground Sound-Studio aufgenommen und alles war immer komplett anders, weil wir die Möglichkeit hatten, immer die Vision umzusetzen, die wir gerade hatten. ‚Means To An End‘ ist eine großartige Platte geworden und ich bin sehr stolz darauf! Genauso wie BIOHAZARD werde ich auch meine neue Band SUICIDE CITY selbst produzieren. Ich hätte nie gedacht, dass ich noch einmal so glücklich und aufgeregt sein würde, in einer Band zu spielen. Alles, was ich bisher kannte, war BIOHAZARD, und ich habe immer hundert Prozent gegeben. Wer konnte ahnen, dass es möglich sei, mit jemandem zusammen zu spielen, der musikalisch und kreativ genauso fokussiert ist, wie ich es bin. Es ist wie eine Chance, die Dinge noch einmal so zu erleben, wie es in den frühen BIOHAZARD-Tagen war, aber auf eine bessere Art. Ich fühle mich jetzt besser in der Lage, Dinge auszudrücken als damals bei BIOHAZARD. Mit SUICIDE CITY ist alles sehr erfrischend. Um noch mal auf die Produzentenfrage zurück zu kommen: Ich halte es nicht für ganz ausgeschlossen, in Zukunft mit einem Produzenten zusammen zu arbeiten. Weißt du, bei allem, was du machst, musst du aufgeschlossen für neue Dinge sein, egal, ob das in deiner Beziehung ist, ob du Anwalt, Arzt oder sonst was bist. Wenn du dich zu sehr auf einzelne Dinge konzentrierst, verlierst du den Blick für das gesamte Bild.“

Wie kann man sich den SUICIDE CITY-Sound vorstellen?

„Ich kann mich endlich musikalisch und vor allem textlich völlig frei entfalten. Wenn ich Songs für BIOHAZARD geschrieben habe, hatte ich immer Angst, dass die Sachen nicht genug BIOHAZARD entsprechen würden. Viele Sachen hatten einfach nicht den richtigen BIOHAZARD-Vibe, nicht die richtige Energie. Das ist jetzt alles anders! Meinen ganz eigenen Sound zu kreieren, tut mir sehr gut. Unsere Einflüsse kommen von den MISFITS, RAMONES, THE CURE, JOY DIVISION und BLACK SABBATH.“

Das aktuelle BIOHAZARD-Album „Means To An End“ ist ein typischer Metal-Hardcore-Bastard, eure Frustration und Wut in Songs wie „My life, my way“ und „Filled with hate“ ist förmlich greifbar. Im Gegensatz zum letzten Album „Kill Or Be Killed“ klingt ihr wieder mehr nach „Urban Discipline“, also „back to the roots“?

„Viele Leute sagen das, aber weißt du was? ‚Urban Discpline‘ haben wir Anfang der 90er Jahre gemacht, und ich konnte nie von der Musik leben. Heute habe ich viel mehr Verantwortung als früher, ich bin verheiratet und habe eine wundervolle Tochter. Ich habe inzwischen viel mehr Respekt vor dem Leben und speziell für die Menschen, die ich liebe. Als ich merkte, dass ich von der Musik nicht leben kann, war ich gezwungen, einen Job anzunehmen. Ich reiße mir seit langer Zeit jeden Tag den Arsch auf, um zu überleben, muss halt den Scheiß machen, den ich machen muss. SUICIDE CITY und meine Familie helfen mir, mit allem klar zu kommen. Mit SUICIDE CITY fühle ich mich gerade genauso gut, wie in der Anfangszeit von BIOHAZARD. Ich liebe unsere beiden älteren Alben ‚Uncivilization‘ und ‚Kill Or Be Killed‘, aber sie entstanden vor einem anderen Hintergrund als ‚Urban Discipline‘. Als ‚Means To An End‘ entstand, fühlte ich mich mental, ökonomisch, physisch und emotional genauso wie Anfang der 90er mit BIOHAZARD. Also bin ich nicht zu meinen Wurzeln zurückgekehrt, das sind einfach meine Wurzeln.“

Für euer Coverartwork habt ihr Ioannis, einen bekannten Künstler verpflichtet. Kannst du mir ein wenig mehr zum Artwork sagen? Die Skyline, der Friedhof mit dem BIOHAZARD-Logo auf dem Grabstein – könnte das das letzte BIOHAZARD-Album sein?

„Ioannis ist ein Freund von mir. Er hilft mir, meine Visionen umzusetzen. Ich denke, das Artwork passt gut zur Musik. Der Junge ist das Symbol für die Jugend. Das war immer eine große Sache bei BIOHAZARD. Zum Friedhof: Die Zeiten sind sehr schwer heute. Deine Eltern können zwar sagen, dass sie es damals auch schwer hatten, aber das ist in keiner Weise mit heute zu vergleichen. Wir haben ständig ‚Alarmstufe Orange‘ in Amerika, die zweithöchste Sicherheitsstufe. Kannst du dir das vorstellen? Die ganze Sache geht von Amerika, jetzt nach London und in alle Welt. Es sind schwere Zeiten angebrochen und ich fühle mich nicht mehr sicher heute. ‚Means to an end‘ eben. Darum geht es ... Ob das nun die letzte BIOHAZARD-Platte ist? Nun, über die Jahre habe ich eines gelernt: ‚Never say never‘. Aber wir haben uns auseinandergelebt. Evan dreht jetzt Pornos. Das ist seine Entscheidung und ich unterstütze ihn auch. Darum ging es immer bei BIOHAZARD: ‚My life, my way, so don’t judge me for how I want to live my life‘. Ich kann ihn also nicht dafür verurteilen, was er jetzt macht. Ich für meinen Teil werde weiterhin Musik machen. Ich habe meine neue Band und bin glücklich damit. Wenn sich in Zukunft etwas ändert, dann nur, weil ich es so will. Das ist das Leben, das ich gewählt habe. Was in Zukunft passiert? Keine Ahnung, die Dinge ändern sich jeden Tag. Es gibt immer etwas zu sagen. Im Moment bin ich einfach sehr glücklich darüber, weiter Musik machen zu können.“