Mit „Colors“ gelang BETWEEN THE BURIED AND ME im Jahr 2007 der Durchbruch. Dass das 2021 erscheinende Album nun „Colors II“ heißt, hängt für Gitarrist Paul Waggoner vor allem mit den Umständen zusammen, in denen es entstanden ist. Denn die Situation im Jahr 2021 ist mit der von 2007 stark vergleichbar, wie er im Interview feststellt.
Als wir ‚Colors‘ geschrieben hatten, wussten wir nicht, wohin wir mit dieser Musik wirklich gehören. Damit haben wir noch immer zu kämpfen. Wir haben uns jedoch entschieden, einfach wir selbst zu sein und das bestmögliche Album zu schreiben.“ Dieser Anspruch, das bestmögliche Album zu schreiben, ist nichts Neues für BETWEEN THE BURIED AND ME. Schon immer nutzte die Band ihre Möglichkeiten und erweiterte die Genregrenzen so weit wie möglich. Auch „Colors II“ folgt diesem Ansatz und offenbart einen Sound, wie wir ihn von einer solchen Band gewohnt sind. Doch „Colors II“ ist härter und besinnt sich stellenweise zurück auf die Anfänge der Band.
Ein großes Medley
Ein Song wie „The double helix of extinction“ überrascht mit einem harten Sound, den man so eher aus den früheren Tagen der Band kennt. „Es gibt definitiv einen Einfluss von ‚Colors‘, aber auch diese Heaviness, die wir auf ‚Alaska‘ hatten“, so Paul. Insbesondere die Aggression und Schnelligkeit der Riffs sieht der Gitarrist als Hommage an diese Ära von BTBAM. „Von ‚Alaska‘ bis ‚The Great Misdirect‘, es gibt eine Menge chaotischen BTBAM-Einfluss, der weniger proggy und melodisch ist. Das ist für uns selbst ein brutales Throwback in diese Zeit.“ Aber auch die progressiven Elemente haben einen großen Einfluss auf das Songwriting des neuen Albums gehabt. „Ich denke, das Album ist eine große Kulmination von all dem, was wir seit 2000 gemacht haben“, sagt Paul. „Es gibt Parts, die beziehen sich auf die Zeit unseres ‚Selftitled‘-Albums und dann gibt es wieder Tracks, die den Progressive Metal der letzten beiden Alben aufgreifen.“ Das führt dazu, dass „Colors II“ wie ein großes Medley aus den Sounds der vergangenen 21 Jahre wirkt.
Doch nicht nur der Sound erscheint vertraut. Auch einzelne Riffs, Motive und Textfragmente werden den Fans der Band bekannt vorkommen. Das Album ist voller musikalischer Zitate und Elemente, die eine Brücke zu vielen älteren Songs der Band schlagen. So ist „Human is hell (Another one with love)“ klar hörbar mit „White walls“, dem letzten Track von „Colors“, verknüpft. Diese Connections sind stellenweise auf intuitivem Wege entstanden, dennoch hatten BTBAM das Bestreben, bestimmte musikalische Motive mit auf das Album zu bringen. „Wir wollten eine klare Verbindung zu ‚Colors‘ schaffen und das neue Album nicht bloß ‚Colors II‘ nennen. Es sollte diese kleinen Nuggets geben, die man wieder erkennt“, wie Paul erklärt. Da sind jedoch nicht nur Zitate von „Colors“, sondern Elemente aus der ganzen Diskografie, die man beim ersten Hören vielleicht gar nicht wahrnimmt. „Ich bin mir sicher, dass einige Fans diese kleinen Nuggets finden werden. Es sind teilweise nur Akkordfolgen, aber sie sind bewusst dort. Wir haben versucht, es nicht zu übertreiben, aber wollten, dass es sichtbar wird.“
Künstlerischer Anspruch
Wie auch auf den älteren Alben der Band scheuen sich BETWEEN THE BURIED AND ME nicht, sich gänzlich in andere Genres zu vertiefen. So hat „Revolution in limbo“ einen Salsa-Part, der beim ersten Hören des Songs durchaus überrascht. „Ich liebe es, solche Sachen zu schreiben“, gesteht Paul. „Anfangs wollte ich nur diesen Salsa- und Latin-Vibe aufgreifen, doch spätestens als Tommy seine Vocals dazu schrieb, klang es fast schon nach französischer Café-Musik und man hat ein Szenario in Paris im Kopf.“ Dieser Einfluss habe den Part für den Gitarristen auf ein ganz neues Level gehoben und ist für ihn etwas, das BTBAM so besonders macht. „Einer kann eine ganz simple Idee haben und jeder von uns packt seine kleinen Elemente dazu. Am Ende ist ein einzelner Part auf einem ganz anderen Level. Dafür ist ‚Revolution in limbo‘ ein Paradebeispiel.“
Mit diesem durchdachten musikalischen Ansatz betonen BETWEEN THE BURIED AND ME den großen Wert des Albumformats, das im Jahr 2021 immer schwieriger zu vermarkten wird. „Das ist enorm frustrierend“, sagt Paul. „Die Aufmerksamkeitsspanne ist heutzutage viel kürzer und für Bands wie uns wird es enorm hart, da wir nach wie vor Alben schreiben.“ Auch die Auswahl einer geeigneten Single stellt eine Band wie BTBAM vor große Probleme. „Die meisten wollen kurzzeitiges Entertainment. Einen vierminütigen Song, der für die Gym-Playlist funktioniert oder Ähnliches.“ Der Hauptgrund, warum „Fix the error“ als erste Single von „Colors II“ ausgewählt wurde, war, dass er außerhalb des Albumkontexts alleine stehen kann. Die besten Reaktionen auf diese Single sah Paul jedoch darin, dass die Leute neugierig wurden, was vor und nach dem Song auf dem Album passiert. „Die Gewissheit, dass die Leute sich noch immer für das Album als Gesamtwerk interessieren, beruhigt mich enorm.“
Das beste Album der Karriere?
„Natürlich denken wir immer, dass das neueste Album unser bestes ist. Die meisten Künstler:innen denken so. Doch wir wissen auch, dass für viele ‚Colors‘ unerreichbar bleibt, weil es das Album ist, das am meisten mit den Fans resonierte. Für manch andere ist es vielleicht ‚Alaska‘ oder ‚The Great Misdirect‘.“ Darauf sind BTBAM vorbereitet und es sei vollkommen in Ordnung, stellt Paul fest. Wichtig ist dem Gitarristen einzig, dass jeder das Album als das hört, was es ist, und die Songs genießt. „Das ist meine wahre Hoffnung.“ Am Ende liefert „Colors II“ die Kulmination eines Sounds, der so vielseitig ist wie nie zuvor und sich auf fast achtzig Minuten ausstreckt. „Dieses Album zeigt die Entwicklung dieser Band vom Beginn bis ins Jetzt. Wir denken, dass es eine wirklich gute Repräsentation von all dem ist, was wir sind und wie wir als Band gewachsen sind. Es repräsentiert die ganze Geschichte dieser Band.“
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