BERSARIN QUARTETT

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Konstrukt und Klang

Thomas Bücker will nicht im Vordergrund stehen. Es geht ihm nicht darum, möglichst viele Geschichten zu erzählen. Die Musik soll für sich sprechen und allein ihre Wirkung entfalten. Ganz in Schweigen hüllt er sich jedoch nicht. Schließlich gibt es auch genug, worüber man sprechen könnte: Zum Beispiel das neue Album seines Projekts BERSARIN QUARTETT, das den schlichten Titel „II“ trägt. Eines wird im Gespräch mit dem sympathischen Münsteraner schnell deutlich: die Zurückhaltung ist keine aufgesetzte Attitüde. Bücker geht es wirklich nur um den Klang und was man damit erreichen kann.

Fangen wir mit dem Offensichtlichen an: Beim BERSARIN QUARTETT handelt es sich dem Namen zum Trotz um ein Soloprojekt, auf offiziellen Fotos bist du jedoch kaum zu erkennen – legst du es auf Rätselhaftigkeit an?

Das ist letztendlich alles ein Konstrukt, um von meiner Person abzulenken. Ich will eine Art Magie herstellen, damit man eher in die Musik eintauchen kann. Ich wollte das so identitätslos wie möglich halten. Das ist gar nicht unbedingt so böswillig gemeint, wie das zum Beispiel in einigen Zeitschriften aufgefasst wird, die dann von einer Täuschung oder Lüge sprechen. Da drückt sich eine Enttäuschung aus: Ist ja doch nur ein Typ am Computer. Tatsächlich kann ich mich mit der Identitätslosigkeit, die einem vor allem die elektronische Musik ermöglicht, sehr gut anfreunden.

Du standest eben bei deinem Konzert ganz hinten auf der Bühne.

Ja, ich will eigentlich bei der nächsten Tour am Mischpult stehen und von da aus die Elektronik bedienen. Bühne, Showlicht und die Leute mit Action zu begeistern – damit bin ich durch. Es gibt genug Bands, bei denen das irgendwie sein muss und auch gut funktioniert. Aber ich fände es klasse, wenn ich mit meiner Musik darauf verzichten kann. Wieder runterfahren in diesem Multimedia-Showzeitalter, wo es wirklich an jeder Ecke explodiert. Einfach mit zwei-, dreihundert Leuten in einem Raum sein und gemeinsam Musik hören. Das ist doch total großartig! Am liebsten spiele ich auch in kompletter Dunkelheit. Das polarisiert aber, einige Leute fühlen sich um das Eintrittsgeld betrogen, wenn sie nichts sehen.

Im Vergleich zu deinem Debütalbum hast du auch etwas runtergefahren. Man findet auf „II“ weniger Pomp und auch strukturell passiert weniger.

Nach meinem Empfinden ist das erste Album poppiger und eher zugänglicher. Auf dem gab es mehr Melodien und bei dem zweiten kommen mehr Noise-Elemente vor, ich breche aus diesem Pop-Schema ein bisschen aus. Vielleicht aber nicht ganz. Ich versuche schon, am Sound zu feilen. Es ist immer noch sehr komplex, die Tracks bestehen aus 30 bis 40 Spuren. Wenn ich einen Streicherloop habe, bastele ich vier, fünf Stunden an den Frequenzen rum. Dann schubse ich halt diesen Stringloop dahin, wo ich ihn hinhaben möchte, packe noch den Raum drauf oder schichte zusätzliche Sachen drüber. Vor allem Räume sind total wichtig, gerade bei den atmosphärischen Sachen. Es macht mir sehr viel Spaß, mit Klang zu experimentieren. Elektronische Musik ist ja immer die Suche nach Sound. Bei einigen Produktionen vermisse ich das.

Vor allem in der experimentellen und elektronischen Musik wendet man sich offenbar immer mehr vom Pompösen, Überproduzierten ab. Von vielen Seiten wird Reduktion und Minimalismus wiederentdeckt.

Einerseits erleben wir paradiesische Zeiten, weil jeder mit einem Aldi-PC und im schlechtesten Falle geklauter Software die Venues rocken kann, aber der Nachteil ist eben ein inflationäres Überangebot. Kaum jemand hat eine Handschrift. Das ist ermüdend. Wenn es aber tatsächlich jemand schafft, mal wieder Elektronik über einen Amp ablaufen zu lassen, das aufzunehmen, zu samplen, zu zerstückeln oder mal wieder etwas mit einem richtigen Klavier zu machen, wäre das großartig. Für diese Klangästhetik gibt es kein Plug-in. Gerade in der elektronischen Musik stellen sich einige mit ihren Controllern hin und zeigen, was die Hardware so kann.

Wie gestaltet sich bei dir der Songwriting-Prozess? Hast du ein grobes Schema im Kopf, das du auszuarbeiten versuchst?

Giacinto Scelsi sagte einmal: „Die Musik kann nicht ohne den Klang existieren, aber der Klang existiert sehr wohl ohne die Musik. Also scheint es, dass der Klang wichtiger sei. Damit können wir beginnen.“ Der Arbeitsprozess bis zu einem fertigen finalen Track kann ganz unterschiedlich ablaufen. Es kann mit einem Loop beginnen, den ich viele Stunden höre und den Rest drumherum bastle. Ich sammle alles an Klängen und hoffe, dass ich es für den richtigen Moment wiederfinde. Ein Schema F gibt es aber nicht.

Wie ist dein Selbstverständnis? Verstehst du dich weniger als Musiker denn als Klangkünstler?

Je nach Projekt, Auftrag oder Aufgabe. Wenn ich Musik mache, bin ich Musiker. Wenn ich mich mit einzelnen Sounds beschäftige, Sounddesigner. Wenn für eine Installation Audio-Material von mir ins Spiel kommt, Klangkünstler. Wenn ich Musik von anderen Künstlern abspiele, bin ich DJ. Beim BERSARIN QUARTETT würde ich schon sagen, dass ich letztendlich Musik mache, also bin ich Musiker. Es handelt sich allerdings um ein überwiegend soundtrackähnliches Klangkonzept.

Wo du davon sprichst: Was verstehst du unter Sounddesign? Ich habe in Bezug auf „Der Mond, der Schnee und Du“ den doch etwas bösartigen Kommentar gelesen, es handle sich um „Musik für Opelwerbung“. Stößt dir das bitter auf? Ist das mit dem Soundtrack-Charakter vereinbar?

Haha, so bösartig finde ich das gar nicht. In gut gemachten Werbefilmen verschmelzen die visuelle und die akustische Ästhetik zu einer funktionierenden Einheit. Hier wird in kürzester Zeit eine imaginäre Welt auf hohem, technisch-perfekten Niveau erschaffen. Wenn man meine Musik in diesem Kontext sieht, sehe ich das als Kompliment. Zwischen Sounddesign und Musik gibt es sicherlich eine Verbindung. Ob ein Filmscore aus einem Orchester, Elektronik, einer Rockband, Dudelsäcken oder Stille besteht: Das sind ja in erster Linie klangästhetische Entscheidungen, die dem Film dienen sollen – erst dann kommt die Musik. Ich würde mit BERSARIN QUARTETT gerne einen Soundtrack liefern.

Trotzdem scheinst du deine Inspiration eher aus anderen Medien zu beziehen. Auf dem Album dankst du dem Dichter Georg Trakl, einige deiner Songtitel spielen auch auf ihn an.

Georg Trakls Gedichte strotzen nur so vor bildgewaltiger, klangmalerischer Melancholie. Das gefällt mir sehr. Viele Textzeilen sind Inspirationsquelle für meine Tracks. „Einsame wandeln still im Sternensaal“, dieser Vers hat für mich eine gewisse zeitlose, lautmalerische Sprengkraft.