Den sich noch vor kurzem auf Tour zu seinem Soloalbum „Bingo“ befindenden Bela B. vor das Mikrofon zu holen, war ja Ehrensache, aber statt zu einem schnöden Interview baten Joachim und ich den Mann im Düsseldorfer Tor 3 lieber zum Blind Date. Und nicht nur, dass Bela sich verdammt gut geschlagen hat und über ein umfassendes Musikwissen verfügt, er ist dazu auch ein sympathischer und freundlicher Kerl, der ganz froh schien, statt der ewigen selben Fragen mal ein bisschen aus dem sprichwörtlichen Nähkästchen plaudern zu können. Das sich anschließende Konzert war dann auch sehr schön anzuschauen, gerade von der VIP-Tribüne aus und mit vom LOS HELMSTEDT-Schlagzeuger angebotenen Backstage-Bier in der Hand.
„Some velvet morning“, Lee Hazlewood & Nancy Sinatra
Das ist Nick Cave, oder? Nein, Quatsch, das ist Lee Hazlewood.
Wie hast du es geschafft, Lee Hazlewood als Gastsänger für „Lee Hazlewood & das erste Lied des Tages“ zu bekommen?
Ich habe den einfach gefragt.
Na ja, einen Lee Hazlewood fragt man doch nicht einfach so.
Doch, wir mussten nur rausfinden, wo der steckt und wie man an den rankommt. Den Kontakt haben City Slang hergestellt, wo ja ein Lee Hazlewood-Tributesampler erschienen ist. Es hat aber wegen seiner Krebserkrankung, wegen der er auch wieder aus Schweden in die USA zurückgegangen ist, lange gedauert, bis er zugesagt hat. Erst kam nur ein Fax mit 15 Punkten, zu welchen Bedingungen er die Sache machen will, und das Ding war genauso lustig und zynisch wie er selbst ist. Er reise nicht First, sondern Business Class, weil sein Name Hazlewood und nicht Sinatra wäre, er spreche und sänge nicht über Nancy und so weiter. Er ist für vier Tage nach Berlin gekommen, wo wir den Song dann aufgenommen haben. Später war ich sogar zu seinem siebenundsiebzigsten Geburtstag eingeladen, was zwar mit dem Spiel um den dritten Platz der Fußball-WM zusammenfiel, wofür ich eine Karte hatte, aber da musste ich eben Prioritäten setzen. Irgendjemand hat gesagt: „Du wirst noch genug Weltmeisterschaften erleben, er aber nicht mehr.“, haha. Hazlewood hat aber sogar für elf Dollar einen Sportkanal gemietet, damit wir die Spiele sehen konnten. Zu der Zeit hat auch ein Franzose eine Dokumentation über Lee Hazlewood gedreht, und mich – in Hazlewoods Pool liegend und Hazlewoods Bier trinkend – interviewt. Ich könnte jetzt noch Stunden darüber erzählen, das war schon ein geiles Erlebnis.
„Where the wild roses grow“, Nick Cave & Kylie Minogue
Okay, DAS ist Nick Cave und ich weiß auch, worauf ihr anspielen wollt, aber versucht ruhig mal, meinen Song „Hab keine Angst“ dazu zu singen, haha.
Aber sie klingen schon recht ähnlich ...
Ja, das sagt jeder. Okay, es geht in dem Song um den Tod, ein Mann und eine Frau singen und es ist dieselbe Stimmung, also schon dicht dran. Wobei ich den Song gar nicht geschrieben habe, ich habe nur den Text geschrieben, zusammen mit meiner besten Freundin. Und sie sagt, der Song hätte sie dabei nicht beeinflusst, wobei sie zu der Zeit sicher eine Menge Nick Cave gehört hat. Ich will mich jetzt nicht rausreden, ich habe das beim Aufnehmen auch so empfunden, dass das sehr ähnlich ist, aber mir ist nichts eingefallen, was wir noch anders machen sollen. Es sind nicht dieselben Akkorde, es ist anders arrangiert, wir haben Mandolinen, Cave hatte Streicher. Aber ich finde das nicht schlimm, das ist ein so großartiges Lied, an das sich jeder erinnert; das letztendlich Kylie Minogues Karriere vom Teeniestar zur ernst zu nehmenden Sängerin besiegelt und Nick Cave ins Bewusstsein von Millionen Menschen gerückt hat. Es ist einer seiner besten Songs und die Welt hat genug Platz für einen zweiten Song, der so ähnlich klingt, haha.
„Hey hey my my“, NEIL YOUNG & CRAZY HORSE
Klar, kenne ich. NEIL YOUNG & CRAZY HORSE. Das habe ich auch schon mal gecovert und das hätte ich lieber bleiben lassen sollen. Ein Übersong, finde ich großartig, wobei ich überhaupt kein Freund von Neil Young bin. Ich mache mir damit zwar jetzt irre viele Feinde, aber ich finde, das ist ein super arrogantes Arschloch. Ich habe den vor Jahren mal live gesehen, er hat nur fünf Konzerte mit CRAZY HORSE in Europa gegeben, wo auch Menschen aus ganz Europa angereist sind und er hat sich geweigert, die Hits zu spielen. Den Song hier hat er extrem gekürzt gespielt und dafür irgendeinen neuen Song, als der schon vier Minuten alt war, noch mal von vorne begonnen, weil der Drummer sich verspielt hatte. Ein Jahr später war er unplugged auf Tour, und der Eintritt in der Kongresshalle in Hamburg hat 200 Mark gekostet, obwohl er nur mit Akustikgitarre, Harmonium und einem Scheinwerfer gespielt hat. Du kannst mir nicht erzählen, dass Mr. Independent nicht weiß, was ein Konzert kostet, wenn er mit drei Leuten auf Tour ist. Der macht es sich ganz schön einfach. Wenn man als Gott gilt, kann man schon mal auf andere scheißen. So einen großen Einfluss hat er auf mich nicht gehabt, er hat natürlich drei, vier großartige Songs geschrieben, aber er ist ein Musikkritiker-Liebling. Aber ich gebe zu, dass die Version, die wir mit DEPP JONES gemacht haben, richtig schlecht war, haha.
„In the dead of the night“, THE OTHER
Das sind die Jungs, die heute im Vorprogramm spielen, THE OTHER, habe ich an der Stimme erkannt. Ist das vom neuen Album? Ich finde die grundsympathisch, kenne zwar hauptsächlich nur den Sänger über einen guten Freund, aber ich habe die vor kurzem live gesehen und da ich mir für die Tour alle Bands selbst ausgesucht habe, dachte ich, für ein paar Shows kann eine Punkrockband nicht schaden. Und optisch sind die natürlich ein ganz guter Showeffekt. Ich selbst gehe optisch zwar momentan ein bisschen Richtung Elvis, was natürlich auch mit dem Alter zu tun hat, aber ich hatte auch mal so eine Devillock, 1982, als ich „Walk Among Us“ gekauft habe, aber da fing man an zu schielen und ich hatte ständig eine Bindehautentzündung von dem Schmonzes, den man da reingeschmiert hat und der einem dann in die Augen lief, haha.
„Die Kanone von Navarone“, PROJEKT KOTELETT
LOKALMATADORE, oder? Oder die KASSIERER? Oh scheiße, das ist Abels Band, PROJEKT KOTELETT. Erst am Refrain habe ich es erkannt, aber das war auch zu leise. Mensch, ich bin schwerhörig und habe einen Tinnitus. Ja, was soll ich dazu sagen? Abel ist ein guter Kumpel von mir, mit einem Hang zum Prollpunk, und ich finde das hier ist schon partykompatibel, aber zu Hause höre ich mir so was, ehrlich gesagt, nicht so gerne an. Und wenn man bedenkt, dass die alle eigentlich ganz andere musikalische Vorlieben haben ... aber das ist schon gut, die sind auf jeden Fall eine Liveband.
„Diên Biên Phú“, BOXHAMSTERS
Das kenne ich auch, aber jetzt warte ich, bevor ich was sage. Das ist nicht OMA HANS. DACKELBLUT oder etwas aus der Ecke?
Eher Richtung Gießen.
Gießen? Hm, ich habe die Platte, die ist doch noch relativ neu, oder? Die habe ich doch persönlich überreicht bekommen. Ich kenne auch die Stimme, aber ... warten wir mal auf den Refrain ...
Das sind die BOXHAMSTERS.
Ah, alles klar. Die habe ich dann doch nicht überreicht bekommen, also Glück gehabt und keine Freunde von mir jetzt verärgert. Scheiße, nicht erkannt, aber da seht ihr mal, wie gut ich noch hören kann, ähem ...
„Stuck on you“, THE BRIEFS
Das ist „New rose“, oder? Nee, das ist von „New rose“ geklaut. Kann das diese amerikanische Band sein, diese New Wave-Punks? Verdammt, wie heißen die noch? Die sind live sehr geil. Allerdings auch eine der Bands, die ich mir lieber live angucke. Wie heißen die noch? Bitzcore hat die doch für Deutschland lizensiert.
Das sind Kumpels von den SHOCKS. Die BRIEFS.
Ja genau, die BRIEFS. Supergeil, aber wirklich von „New rose“ geklaut. Viele Kumpels von mir in Berlin fahren total auf die ab, fahren denen auf Tour hinterher. Aber ich komme mir da immer so furchtbar alt vor, wenn ich da stehe mit so Kiddies und mir denke: „Was regt ihr euch so auf? Das ist doch alles aus dem Buch.“ Aber die BRIEFS sind ja selbst noch so jung.
Verkleidest du dich eigentlich, wenn du bei anderen Bands vor der Bühne stehst, oder ist das für dich okay, erkannt zu werden?
Es gibt Konzerte, wo ich weiß, dass es unangenehm werden kann. So Konzerte von bekannteren Bands mit einer gewissen Breitenwirkung, da ziehe ich dann eine Mütze an, aber zu normalen Konzerten gehe ich ganz normal. Da kriege ich maximal einen Mittelfinger gezeigt. Meistens sind die Leute auch zu cool, um nach Autogrammen zu fragen oder die Kameras zu zücken, das machen die lieber heimlich, von weiter weg.
„Bela Lugosi’s dead“, NOUVELLE VAGUE
Da muss man dazu sagen, dass das eine Coverversion ist.
Okay, das ist „Bela Lugosi’s dead“. Und NOUVELLE VAGUE haben das doch kürzlich gecovert. Sind die das?
Nicht schlecht.
Die erste NOUVELLE VAGUE- Platte fand ich toll. „Too drunk to fuck“ in so einer Bar-Lounge-Version zu machen, ist grandios, aber die neue Platte finde ich ... na ja, ich habe die aber auch noch nicht so oft gehört. Ich hätte die Sängerin von der ersten Platte gerne für „Hab keine Angst“ gehabt, damit die das auf Französisch singt, dann wäre das auch noch weiter weg von Nick Cave gewesen. Aber die fand den Text scheiße. Die Version hier ist aber ganz gut.
„Ausgebombt“, SODOM
Metal-Bassdrum. Nicht schlecht, die Mischung, die ihr hier habt. Ah, das sind SODOM. Aber welches Lied? Bei welchem Lied habe ich noch mal mitgemacht? Ist das „Ausgebombt“? Lange nicht mehr gehört, haha. Es gibt so viele Geschichten zu SODOM zu erzählen. Man muss aber sagen, dass Tom Angelripper einer der weichsten und liebsten Menschen ist, die es gibt. Nur eine Anekdote: Rodrigo Gonzales war eine Zeitlang stolzer Besitzer eines Opel Kapitän, und ist damit natürlich, wie jeder Besitzer eines Opel Kapitän, irgendwann liegen geblieben. Und wer ist Mitglied im Opel-Club und ist dahin gefahren und hat meinem Kumpel Rodrigo geholfen, den Wagen abzuschleppen? Tom Angelripper!
Äh, Moment, DIE ÄRZTE sind Mitglied der Opel-Gang?
Ja, ich habe tatsächlich zweimal einen Kadett gehabt und einen Rekord, bin jetzt aber Audi-Fahrer. Ein gebrauchter A8 von ’99, Alter! Die Kanzlerlimousine, Alter! 260!
„Spirit in the sky (acoustic)“, DOCTOR AND THE MEDICS
Einer aus der Band, die das hier erfolgreich gecovert hat, wohnt in Düsseldorf ...
Erfolgreich? Ja, dann ist es Vom von den TOTEN HOSEN, der war früher bei DOCTOR AND THE MEDICS, die ich sogar in London live gesehen habe. Da waren wir Anfang der Achtziger in einem Club und die haben einen Showcase gespielt. Wir hatten LSD genommen, also nicht wir – Farin Urlaub war dabei –, sondern ich und die Leute, bei denen wir gewohnt haben und ich war so geflasht, weil da Lemmy und Ian Astbury von THE CULT rum rannten und da habe ich Vom das erste Mal live gesehen. Das Faszinierende ist ja, dass Vom damals genauso aussah wie heute. Der muss ja seitdem ganze Weltmeere von Alkohol in sich geschüttet haben und das sieht man ihm nicht an! Bei DOCTOR AND THE MEDICS fand ich damals natürlich diese beiden Gruftie-Mädchen geil, die da gesungen haben. Die nannten sich „Anandin Brothers“ und haben sogar eine Soloplatte gemacht, die ich auch habe, die ist aber scheiße.
So, das war’s. Vielen Dank.
Hey, bis auf BOXHAMSTERS war ich doch ganz gut, oder?
André Bohnensack, Joachim Hiller
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