BEDOUIN SOUNDCLASH

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Einen Blick hinter den Horizont

Eher durch Zufall bin ich vor sieben Jahren auf BEDOUIN SOUNDCLASH aus Kanada gestoßen, als ich erfuhr, dass BAD BRAINS-Bassist Darryl Jennifer für die Produktion von deren Song „12:59 Lullaby“ (vielleicht auch bekannt durch die Verwendung in der amerikanischen Serie „Grey’s Anatomy“) zuständig war, der Vorab-Single zum 2007er-Album „Street Gospels“ (SideOneDummy). „12:59 lullaby“ ist für mich einer der besten Reggae-Pop-Songs ever und so wollte ich mehr von BEDOUIN SOUNDCLASH erfahren. Ende 2006 waren sie im Rahmen der Eastpak Antidote-Tour das erste Mal in Deutschland, was zeigt, wie szeneübergreifend diese Band doch ist. Nach einem Besetzungswechsel am Schlagzeug erschien 2010 das derzeit aktuelle Album „Light The Horizon“ auf dem bandeigenem Label Pirates Blend Records, das ich über Umwege auf Vinyl aus England bekam, da hierzulande nur für viel Geld erhältlich. Für mich das bisher beste Album der Band, und auch wenn das jetzt alles schon eine Weile zurückliegt, BEDOUIN SOUNDCLASH seit 2006 nicht mehr in Deutschland waren und man sicherlich nicht mehr mit neuem Material in diesem Jahr rechnen kann, wollte ich die Band schon immer mal kontaktieren. Gründungsmitglied und Bassist Eon Sinclair beantwortete mir einige Fragen über den Status quo und die Philosophie der Band, das neu gegründete Label und einiges Interessantes mehr.

Eon, was hat sich seit Veröffentlichung eurer letzten Platte „Light The Horizon“ so getan?

Wir waren weltweit auf Tour. In erster Linie spielten wir in Kanada und den USA, waren aber auch in England, Indien, China und Australien. In diesem Jahr arbeiten wir an anderen Projekten, um unser eigenes Label Pirates Blend aufzubauen. Es wird also einige interessante Veröffentlichungen geben.

Andere Bands veröffentlichen fast jährlich ein Album. Ihr geht da weitaus spartanischer vor. Welche Philosophie steckt hinter eurer Arbeitsweise?

Jay und ich haben immer erst dann Platten veröffentlicht, wenn wir das Gefühl hatten, Musik, Texte und Aussage sind stimmig. Wir schreiben ja nicht des Schreibens wegen. Stattdessen bearbeiten wir gemeinsam unsere Ideen, und erst wenn wir fühlen, dass das Resultat es wirklich wert ist, gehört zu werden, gehen wir damit an die Öffentlichkeit. Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir mit jeder unserer Veröffentlichungen sehr lange touren können und schätzen es sehr, so viele Erfahrungen auf unseren Reisen in der Welt machen zu dürfen. Zu Hause konzentrieren wir uns wieder auf das Komponieren und können alles Erlebte auf uns wirken lassen.

Auf euren Alben bedient ihr euch verschiedenster Gastmusiker, diverser Samples und anderer Technik. Wie transportiert ihr diese Atmosphäre zu dritt auf die Bühne?

Wir dachten immer wieder mal darüber nach, für einzelne Auftritte und auf Tour weitere Musiker zu engagieren. Vereinzelt haben wir mit einer Bläsersektion gearbeitet. Des Weiteren verwenden wir auch auf der Bühne diverse live eingespielte Instrumentals. Ganz tolles Material von wirklich hervorragenden Musikern, mit denen wir immer wieder mal zusammenarbeiten. Aber auch die Samples finden in unseren Live-Sets Verwendung, wenn auch in etwas veränderter Form.

Seit Gründung der Band waren Jay, Pat und du eine Einheit, gab es keinen Besetzungswechsel, bis Schlagzeuger Pat Pengelly 2009 die Band verließ und 2010 von Sekou Lumumba ersetzt wurde. Warum der Wechsel?

Jay, Pat und ich arbeiteten wirklich sehr hart, um aus BEDOUIN SOUNDCLASH das zu machen, was wir heute sind. Aber wie das über so einen langen Zeitraum eben so ist, entwickelt man sich in verschiedene Richtungen, so dass wir sowohl in künstlerischer Ausrichtung als auch in Sachen Entwicklung der Band immer weniger einer Meinung waren. Außerdem gab es zwischen uns unnötige Spannungen, die es im Nachhinein wirklich nicht wert waren. Sekou war ein Segen für uns und für mich persönlich ist er einer der talentiertesten Schlagzeuger, mit denen ich bisher zusammenarbeiten durfte. Außerdem ist er eine gefestigte Persönlichkeit und hat als Musiker und Mensch schon immens viele Erfahrungen gesammelt. Das alles macht ihn zu einem perfekten Bandmitglied. Die Chemie stimmt zwischen uns.

Warum habt ihr euch damals nach einer Platte von Raz Mesinai benannt?

Zu der Zeit, als wir mit der Band anfingen, besaß Jay die Platte „Bedouin Soundclash“. Ein Freund von uns begleitete uns damals mit einer Djembe und irgendwie erinnerte es Jay an die Musik auf diesem Album. Jay fand, dass das doch ein cooler Bandname sei. Mir gefiel er auch, ohne nur ansatzweise daran zu denken, dass er zwölf Jahre später immer noch präsent sein könnte.

Wie erklärt ihr euch euren Erfolg?

Ich glaube, es liegt an der ehrlichen Art. Viele Menschen finden sich darin wieder. Jay schreibt äußerst kraftvolle Texte. Geschichten über Gemeinschaft, soziale Systeme, Freundschaft oder über uns. Darin liegt unser Erfolg. Uns war auch immer sehr wichtig, auf unseren Konzerten eine lebendige und positive Grundstimmung und Hoffnung zu vermitteln.

Euer Erfolg lässt sich nicht zuletzt auch an den poppigen und eingängigen Arrangements trotz des allgegenwärtigen Offbeats und weiterer moderner Einflüsse erklären. Welche Künstler haben euch maßgeblich beeinflusst?

Da denke ich beispielsweise an Kardinal Offishall, K-OS, GRAND ANALOG, Diplo/Major Lazer, SOUTH RAKKAS CREW, Damian Marley, Salaam Remi, Stephen McGregor, WARD 21, Ticklah, Roots Manuva, Stephanie Mackay, Assassin oder Natty, um nur einige wenige zu nennen.

Einen immensen Schub eures Bekanntheitsgrades in Kanada und Großbritannien erfuhrt ihr durch einen Werbespot und eine Fernsehserie, bei der jeweils einer eurer Songs verwendet wurde. Wie kam es dazu?

Die Möglichkeiten ergaben sich durch einfache Kontaktaufnahme der Produktionsfirmen mit uns. Sie fragten an, ob sie die jeweiligen Stücke verwenden dürften. In Großbritannien arbeiteten wir zusätzlich mit einem Verlag zusammen, der sich um ähnliche Platzierungen unserer Stücke kümmern sollte, schließlich ist die Reichweite, die man auf diese Weise in nur wenigen Sekunden schafft, definitiv eine der besten Möglichkeiten, seine Musik in sehr kurzer Zeit so vielen Menschen vorzustellen.

Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang Reggae-Musik?

Reggae ist für mich erst einmal ein Grundrhythmus, mit Betonung auf dem Offbeat. Aber Reggae ist auch ein gewisses Gefühl, das sich in Roots, Lover’s Rock, Dancehall, Conscious, Dub und einigen anderen Subgenres findet. Für BEDOUIN SOUNDCLASH ist Reggae im wahrsten Sinn des Wortes Soul Music; Musik, bei der die Leute ihre Seele offenbaren können. Der Riddim ist neben dem Offbeat der Herzschlag des Reggae und somit genießt ein Reggae-Bassist sicher mehr Respekt als jemand, der den Bass bei einer Rockband zupft.

Wie bist du zum Bass gekommen und welche anderen Musiker auf diesem Instrument faszinieren dich?

Reggae ist Musik, die vor allem Schlagzeuger und Bassisten liebt und wie für sie gemacht ist. Meine Eltern wollten, dass ich das Bassspiel lerne. Mein Vater spielte Bass und es war auch immer einer im Haus. Und mit 13 Jahren war ich groß genug, um mit dem Instrument umzugehen und damit anzufangen. Mir gefallen die Basslines von Aston Barrett, James Jamerson, Leonard Hubbard, als er noch bei den ROOTS spielte, oder der Musik von Raphael Saadiq. Es gibt so viele coole Basslines.