BAD NERVES

Foto© by Bekky Calver

Aus alt mach neu

Mit der Band BAD NERVES fühlt es sich so an, als würde man in der Zeit zurückreisen. Gegründet haben sie sich zwar erst im Jahr 2015 – vom Sound her könnte man aber meinen, dass die Briten bereits in den 1970er Jahren stattgefunden haben. Die treibende und energiegeladene Mischung aus Punk und Rock’n’Roll scheint jedenfalls gut anzukommen. Immer öfter stolpert man im Netz oder auf Tourplakaten über die Band, und niemand Geringeres als Billie Joe Armstrong von GREEN DAY hat sich bereits als großer Fan geoutet. Sänger Bobby Bird erzählt uns, welche Vision er mit BAD NERVES verfolgt und woraus die Band ihre Inspiration zieht.

In einem anderen Interview habt ihr mal erzählt, dass es mit eurer Band Ende 2015 losging. Die Idee kam, nachdem ihr Musik von Jay Reatard – Ruhe in Frieden – und RADIOACTIVITY gehört habt. Gab es einen ausschlaggebenden Moment, in dem dir klar war, dass du mit BAD NERVES loslegen möchtest?

Wir wollten langfristig gar keine Band sein. Wir haben ein paar Songs geschrieben und hatten das Ziel, ein eigenes Album an der Wand hängen zu haben. Und jetzt sitze ich hier acht Jahre später und rede mit dir. Mein Bandkollege Will und ich haben vorher an unterschiedlichen Projekten gearbeitet. Wir beide haben schließlich BAD NERVES gegründet. Wir haben damals gemerkt, dass sich die Zeit in unseren damaligen Bands dem Ende zuneigt. Zu der Zeit habe ich zum Beispiel in der Garage meines Vaters viel mit LoFi-Musik herumexperimentiert. Will schrieb mir eine Nachricht und fragte, ob wir etwas in Richtung Rock’n’Roll machen wollen, und ich dachte mir: Klar, warum nicht. Will hat mir daraufhin Musik von Jay Reatard und RADIOACTIVITY zugeschickt. Ich habe damals viel David Bowie oder THE BEATLES gehört und kannte bis auf RAMONES und THE CLASH kaum Bands aus diesem Bereich. Die hohe Energie, die Aggressivität und die gleichzeitig poppigen Melodien haben mich aber direkt begeistert. Diese Musik vereint das Beste aus beiden Welten. Es hat mich echt überrascht, dass ich darauf nicht früher gestoßen bin.

Ist es schwierig, sich bewusst von anderen Bands inspirieren zu lassen und gleichzeitig einen eigenen Stil zu entwickeln?
Am wichtigsten ist es, sich nicht unter Druck zu setzen. Der Kopf muss frei sein, wenn ich an neuer Musik arbeiten möchte. Am liebsten gehe ich ins Studio und schaue einfach, was passiert. Manchmal habe ich vorher bereits irgendeine Songidee in mein Handy gesummt. Wenn ich mal keine Inspiration habe, ist es für mich eine große Hilfe, ein wenig Musik zu hören. In manchen Fällen ist es auch völlig in Ordnung, ein bisschen bei anderen zu klauen. Man nimmt zum Beispiel die Tonfolge eines Songs und kreiert daraus etwas völlig Eigenes. Auf unserem neuen Album „Still Nervous“ gibt es zum Beispiel einen Song, der ein wenig an „Heroes“ von David Bowie erinnert. Die Nummer hat zwar das gleiche Gitarrenriff, ist aber trotzdem etwas völlig anderes.

Man hört auf jeden Fall, dass du richtig Spaß beim Musikmachen hast. Das passt zu dem DIY-Modus, mit dem euer erstes Album entstanden ist. Ihr habt in besagter Garage aufgenommen und Freunde von euch haben die Songs abgemischt und gemastert. Ist dieses Set-up aus eurer damaligen Situation heraus entstanden oder wolltet ihr damit eine bestimmte Ästhetik erzeugen?
Das war unseren damaligen Verhältnissen geschuldet. Wir hatten genug Geld für Essen und mehr nicht. Deshalb hatten wir echt Glück, dass wir die Garage meines Vaters nutzen konnten. Am Anfang habe ich mich noch monatelang damit beschäftigt, wie man Songs richtig mischt. Ein Demo aus dieser Zeit namens „Bad Kid“ kann man sich immer noch online anhören. Irgendwann habe ich diesen Sound genommen und meinem guten Freund und Produzenten Mike Curtis an die Hand gegeben. Am Ende haben wir alles neu aufgenommen und mit ihm unser erstes Album fertiggestellt. Es ist großartig, mit Freunden an Musik zu arbeiten, weil sie emotional dabei sind und nicht nur, weil das Finanzielle stimmt. Mike hat damals keinen Cent bekommen, obwohl wir rund zwei Jahre an dem Album gesessen haben.

Würdest du sagen, dass euer Set-up dazu beigetragen hat, den Sound zu finden, der euch heutzutage ausmacht?
Es macht auf jeden Fall einen großen Unterschied, wenn man bei sich zu Hause aufnimmt und immer dann an Musik arbeiten kann, wenn man möchte. In einem professionellen Studio hat man meistens nicht die Zeit, einen eigenen Sound zu finden. Wir haben bereits mit Produzenten gearbeitet, die wir vorher nicht kannten und die eine andere Idee davon hatten, wie wir klingen sollen. Wir wollen als Band am Ende selbst darüber entscheiden, was unseren Sound ausmacht, denn das ist alles, was wir haben.

Billie Joe Armstrong feiert euch. Er hat euch in höchsten Tönen gelobt und bei den Grammys trug er sogar euer T-Shirt. Was ging dir durch den Kopf, als du davon erfahren hast?
Das mit dem Foto von den Grammys ist großartig. Angefangen hat das Ganze aber, indem er uns mit einem privaten Account angeschrieben hat. Wir wussten erst nicht, dass er es ist, und er hat uns über das Album ausgefragt. Er wollte zum Beispiel wissen, wo wir die Platte aufgenommen haben. Irgendwann hat er dann geschrieben, wer er ist und dass er unsere Band feiert. Danach hat er uns bei einem Festival in den Backstage-Bereich eingeladen. Wir haben uns erst die unglaubliche Show von GREEN DAY angeschaut und anschließend haben wir uns mit Billie über Musik unterhalten. Das war alles völlig surreal und mit zwanzig wäre ich wahrscheinlich total ausgeflippt. Aber in solchen Momenten merkt man, dass das alles nur Menschen sind, die gerne Musik machen. Trotzdem ist es natürlich schön, den Support von einem unserer Helden zu haben. Das gibt uns die Bestätigung, dass nicht nur wir selbst unsere Songs gut finden, haha.

Du sagtest eben, dass ihr die Band gegründet habt, um euch euer eigenes Album an die Wand zu hängen. Inwieweit haben sich deine Ziele über die Jahre verändert?
Das klingt vielleicht komisch, aber erst seit vergangenem Jahr wollen wir als Band so richtig durchstarten. Vorher hatten wir nie irgendwelche Erwartungen und haben das Ganze einfach aus Spaß gemacht. Jetzt sind wir an einem Punkt, dass wir wie eine vernünftige Band klingen. 2022 war ich mit meiner Freundin in London unterwegs und wir unterhielten uns darüber, dass ich für die Musik meinen Job hinschmeißen möchte. Das war damals eine harte Entscheidung, weil alles im Leben einfach verdammt teuer ist. Und plötzlich lief jemand mit unserem Merch vorbei. An einem anderen Tag war ich im Zug und direkt neben mir stieg jemand mit einem unserer Shirts ein. Das sind neben den Alben und Shows diese Momente, in denen man merkt, was man bereits erreicht hat. Wir wollen als Band weiter wachsen. Wir wollen Musik machen, so viele Gigs wie möglich spielen und viele neue Leute kennen lernen. Ich versuche, mich immer wieder daran zu erinnern, das alles bewusst zu genießen, weil es schnell passieren kann, dass man Dinge als gegeben hinnimmt. Kurz vor dem Lockdown hatten wir einen Auftritt, auf den wir ehrlich gesagt keine große Lust hatten und bei dem wir uns nicht wirklich willkommen gefühlt haben. Als wir von der Bühne gingen, waren wir froh, dass es vorbei war. Anschließend konnten wir ein Jahr lang nicht live spielen. Das war ein richtiger Weckruf für uns und seitdem versuchen wir als Band, immer unser Bestes zu geben.