BACHRATTEN

Foto© by Martin Siebert

Im Schatten der Kunsthochschule

DIE CIGARETTEN aus Hamburg machen es, HEIM aus Bamberg haben es gemacht und BACHRATTEN aus Kassel fangen jetzt auch damit an. Sie treten das Fuzz-Pedal bis zum Anschlag durch und singen dazu auf Deutsch. Das klingt fast wie eine Reminiszenz an den schlurfigen US-Slacker-Rock der Nineties. Bloß nicht aus der Ruhe bringen lassen und immer aussehen wie kurz nach dem Aufstehen. Mit ihrem Debütalbum „Durch dich durch“ sind BACHRATTEN auf der Indie-Landkarte aufgeploppt und haben auf der Karte ein Fähnchen in den roten Punkt von Kassel gerammt. Dort hängen sie mit Bands wie SUCK oder CATCH AS CATCH CAN ab und sind wie die beim Hamburger Label La Pochette Surprise. Welche Rolle die Stadt Kassel und die Kunsthochschule dabei spielen, erzählen Sänger Yusuf Dapgin und Schlagzeuger Leonard Eckert.

Wie hat das alles angefangen mit BACHRATTEN? Habt ihr vorher schon in anderen Bands gespielt?

Yusuf: Los ging es vor etwa sechs Jahren, damals habe ich mit unserem anderen Gitarristen Daniel ein Proberaumprojekt gestartet. Daniel und Leonard haben damals noch in einer anderen Garage-Band namens SICK TEETH gespielt. Erst haben wir einfach nur Bier getrunken und ein bisschen herumgeträllert. Dann kam Leonard als Schlagzeuger dazu und in der Trio-Besetzung gab es BACHRATTEN ungefähr seit 2019.
Leonard: Anfangs haben wir noch punkigere Songs gespielt, die sind auf unserer Sieben-Track-EP „Peter“ gelandet. 2022 kam unser Bassist Martin dazu und damit hat sich auch unser Sound verändert. Alles ist ein bisschen softer und fuzziger geworden.

Warum wolltet ihr, dass eure Musik softer wird? Was war die Idee hinter eurem Sound?
Yusuf: Das kam einfach so. Irgendwann war mir das Punkige ein bisschen zu stumpf. Ich stehe eigentlich voll auf Sixties-Popmusik, deshalb wollten wir uns einfach musikalisch weiterentwickeln. Dazu kamen dann noch Grunge-Einflüsse und die deutschen Texte. Das war ein ganz organischer Prozess. Wir fanden, das gibt’s nicht so wirklich oft, dieser Gedanke hat uns gefallen.

Für mich klingt das wie die deutsche Antwort auf die US-Slacker-Bands aus den Neunzigern, wie PAVEMENT, DINOSAUR JR. oder Beck.
Leonard: Daniel und ich sind große Fans von DINOSAUR JR. Vom Sound her wollten wir noisy und grungy bleiben, aber was Attitüde und Texte betrifft, ein bisschen poppiger werden. Die Songs sollten ein bisschen länger und komplexer werden. Nicht nur Strophen und Refrains. Natürlich sind auch ein paar Garage-Tracks auf dem Album, wie „Südstadt“, da können eben wir nicht aus unserer Haut.
Yusuf: Mir war diese Garage- und Punk-Szene anfangs relativ fremd. Ich komme eher aus der BEATLES-Ecke. Dann habe ich Daniel und Leonard kennen gelernt und diesen Garage-Sound zu schätzen gelernt.

Wie seid ihr auf den ungewöhnlichen Bandnamen BACHRATTEN gekommen?
Yusuf: Hinter unserem Proberaum fließt ein kleiner Bach. Da habe ich irgendwann mal eine Ratte beobachtet. Und dann haben wir uns bei unseren ersten Sessions spontan einfach BACHRATTEN genannt. Das klang richtig schön punkig, deshalb haben wir es beibehalten. Ich habe aber tatsächlich schon mehrmals drüber nachgedacht, den Bandnamen zu ändern, weil er zu unserer jetzigen Musik nicht mehr so gut passt. Letztendlich haben wir uns aber gegen eine Änderung entschieden.

Welche Chancen hat man als Band, sich in Kassel zu entwickeln? Seid ihr dort in der Szene gut vernetzt?
Leonard: Es gibt die Bar Mutter und der damalige Besitzer Udo Schulze hat auch noch die Goldgrube eröffnet. Das war lange ein Mekka für Garage- und Punk-Konzerte für wenig Geld. Die Läden haben nachhaltig unseren Musikgeschmack geprägt, bis Udo 2018 völlig überraschend gestorben ist. Mit SUCK und CATCH AS CATCH CAN gibt es auch ein paar richtig gute Garage-Bands in Kassel. Inzwischen laufen in der Goldgrube mehr Metal-Shows. Udo fehlt auf jeden Fall. Momentan brechen uns die Venues ein bisschen weg. Es gibt hier und da mal offene Proben. Auch mit Proberäumen ist es schwieriger geworden in Kassel und die Preise sind ganz schön gestiegen.

Das Album heißt „Durch dich durch“. Was ist der Gedanke dahinter?
Yusuf: Ich hatte da einen BEATLES-Track im Kopf: „I’m looking through you“ vom Album „Rubber Soul“. Das habe ich einfach übersetzt und binnen zehn Minuten einen Song dazu geschrieben. Das hat uns so gut gefallen, dass wir die ganze Platte so genannt haben. Überhaupt sind viele Songs in kürzester Zeit entstanden.

Die erste Single heißt „Streichelzoo“. Das klingt nach einem Sonntagsausflug.
Yusuf: Ich gehe tatsächlich oft mit meiner Freundin in den Streichelzoo, obwohl es da eigentlich gar nicht so geil ist, weil ein paar Tiere da leider nicht so schön gehalten werden. Vorher haben wir immer Trockenfutter oder Grünzeug wie Petersilie gekauft und die Tiere dort gefüttert. Ich bin großer Fan von einfachen, alltäglichen Themen. Ich sehe eine Blaumeise und freue mich. Ich liebe Songs, die von solchen Dingen handeln. Es muss nicht immer politisch sein.

Mein Lieblingssong ist „Kiel“. Da geht es um einen spontanen Trip in den Norden.
Yusuf: Da hat meine Freundin gesagt: „Yusuf, lass uns mal in den Norden fahren.“ Dann habe ich immer nur gemeint: „Lass uns das machen.“ Aber irgendwie hat es nie geklappt. Nach ein paar Monaten hat sie dann gesagt: „Du hast doch gar keinen Bock drauf.“ Am Ende haben wir uns ein viel zu teures Airbnb gebucht und haben es durchgezogen. Das ist noch so eine Geschichte, die mitten aus dem Leben gegriffen ist.

„Sugarmama“, den Opener des Albums, finde ich auch spektakulär.
Yusuf: Ich habe eine Weile kein BAföG bekommen, weil mir noch Formblätter gefehlt haben. Da war ich ganz schön knapp bei Kasse. Also kam mir irgendwann die Idee, es wäre doch cool, wenn es eine Sugarmama gäbe, die alles bezahlt, haha. Nur so eine Spinnerei.

Wie lange habt ihr an dem Album gearbeitet?
Leonard: Die ersten Tracks haben wir im November 2022 in der Kulturwerkstatt Karnak aufgenommen und im April gab es noch mal eine zweite Session in unserem Proberaum, bei der wir den Rest recorded haben. Geschrieben und ausgearbeitet haben wir die Songs binnen eines halben Jahres. Aufgenommen hat uns Felix Margraf, der auch schon SUCK und CATCH AS CATCH CAN produziert hat. Der kann selbst super Schlagzeug und Gitarre spielen, hat sich aber in den letzten Jahren aufs Aufnehmen und Produzieren von Bands spezialisiert.

Ihr seid kaum in den sozialen Medien vertreten. Absicht oder Zufall?
Yusuf: Facebook haben wir nicht, weil ich das zu altmodisch finde. Auf dem Handy hat doch keiner mehr Facebook. Seit einem Jahr etwa sind wir auf Instagram und auf Spotify jetzt auch seit kurzem. Anfangs haben wir unsere Tracks einfach auf Bandcamp gestellt und gehofft, dass sie dort entdeckt werden. Wir haben lange nicht viel Wert auf soziale Medien gelegt.
Leonard: Als Yusuf und Daniel noch zu zweit waren, war es eher ein Spaßprojekt. Unsere Ambitionen als Band sind erst in den vergangenen zwei Jahren gewachsen. Als wir uns entschieden haben, ein komplettes Album aufzunehmen und professioneller zu werden. Wir studieren und arbeiten aber noch alle und daran wird sich so schnell auch nichts ändern.

Womit bezahlt ihr eure Miete? Was macht ihr abseits der Band?
Yusuf: Unser Bassist Martin und ich studieren an der Kunsthochschule in Kassel. Ich konzentriere mich momentan aber eher auf die Musik. Leonard verdient sein Geld als Sozialarbeiter in der Jugendhilfe. Daniel hat auch an der Kunsthochschule studiert, aber abgebrochen und arbeitet inzwischen als Koch in einer Gaststätte, in der er schon in seiner Unizeit immer nebenbei gejobbt hat.

Spielen auch die documenta und die Kunsthochschule eine Rolle für euch?
Yusuf: Wir sind tatsächlich schon bei der documenta aufgetreten. Das war vor zwei Jahren auf eine kleinen Nebenbühne auf der Karlswiese. Da haben wir noch zu dritt gespielt. Auf der Hauptbühne hat damals eine krasse Punkband aus Kyoto gespielt: OTOBOKE BEAVER. Die waren super, von denen hat sogar schon Dave Grohl geschwärmt. An der Kunsthochschule studiere ich eigentlich Film und bewegtes Bild, deshalb habe ich auch schon einige Musikvideos für BACHRATTEN gedreht, geschnitten und gemischt.
Leonard: Ein paar Connections gibt es dadurch schon. In der dortigen Siebdruckwerkstatt können wir zum Beispiel unsere T-Shirts drucken. Unser Bassist Martin studiert Grafikdesign und Daniel hat Fotografie studiert. Wir brauchen also eigentlich kaum Hilfe und können alles DIY machen.