BABY LOU

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False Metal? Oi!

Das Saarland hat eine neue Vorzeigeband, die sich gekonnt im Punkrock- und Rock’n’Roll-Dschungel zu behaupten weiß: Die Rede ist von BABY LOU aus Saarbrücken, die jüngst ihr Debüt „Fresh Water In A Dirty Glass“ auf 141 Records aus Hamburg veröffentlicht haben. Bereits Kollege Mechenbier zeigte sich in der letzten Ox-Ausgabe von diesem Album verzückt. Wollen wir also fix mal mit Sänger und Gitarrist Marco etwas mehr über dieses Baby erfahren.

Vorab Glückwunsch zu eurem gelungenen Debüt, das ihr allerdings bereits 2008 aufgenommen habt! Wieso hat das so lange gedauert, bis ihr endlich aus dem Quark gekommen seid?

Die Instrumentalaufnahmen wurden aus Zeit- und Kostengründen in drei verschiedenen Sessions im Sommer/Herbst 2008 begonnen. Aus gesundheitlichen Gründen – eine Mandel- und Kehlkopfentzündung – konnte der Gesang bis April 2010 nicht abgeschlossen werden. Endloses Warten, Scheitern und noch mehr Warten. Es war unklar, wie es mit den Aufnahmen und der Band weitergehen sollte. Beschissene Zeiten. In manchen Fällen schweißt das eine Band enger zusammen, in unserem Fall gab es einen Knall. Wir entschieden uns, zu zweit weiterzumachen. Alle Querelen, Misserfolge und Ängste hinter uns zu lassen, dicke Beats vom Band zu schicken und, egal, was passiert, und egal, was andere über ein Punk-Duo denken mögen, wieder live zu spielen. Dann ging es auf Label-Suche.

Ihr seid mittlerweile wieder zu dritt und habt einen Drummer aus Fleisch und Blut in euren Reihen. Wer ist der junge Mann?

Olli Jungmann hat uns mit LOVE A zusammen in Saarbrücken live gesehen. Olli ist mit Stefan von LOVE A befreundet und wollte eigentlich nur Fotos machen. Am gleichen Abend hat er uns gefragt, ob er Teil von BABY LOU sein darf, und ist uns bis zum Proberaum gefolgt. Seitdem kommt er jede Woche.

Wie war das vorher? Ist es nicht merkwürdig, mit einem Drum-Computer live aufzutreten? Ich finde, zu viel Technik macht die Musik am Ende gar kaputt beziehungsweise uninteressant.

Wer bei einer Live-Performance von Jens Friebe zu einem Drum-Computer ausrastet und vor Freude dabei weint, sieht das wohl etwas anders. Gerade im Punk oder auch Pop kann ein Drum-Computer zum Statement werden. Für uns waren und sind Samples und Drums vom Band schon immer eine Bereicherung unserer Möglichkeiten und gerade in Verbindung mit echten Drums passieren wirklich interessante Dinge. Ist es nicht oft so, dass Bands sich auch hinter schlechten Sounds verstecken müssen, nur um authentisch zu wirken? Ehrlich gesagt, ist der Sound für uns absolut zweitrangig. Die Songs müssen brennen! Zu viel oder zu wenig Technik rückt dann in den Hintergrund. Einem echt geilen Song kann der Sound überhaupt nichts anhaben! Oi! Merke: HipHop mit echten Drums stinkt.

Ihr seid ja auch nicht mehr die Jüngsten. Wie bewertet ihr die Entwicklung der Musik generell, vielleicht auch für eure Region? Schließlich gab es im Saarland ja mal eine recht angesagte Hardcore/Punk/D.I.Y.-Szene, doch was ist aus Clubs wie dem AJZ Homburg oder dem P-Werk in Blieskastel geworden? Gibt es noch eine „Szene“?

Die gute, alte Szene ... Dem Begriff stehen wir prinzipiell etwas skeptisch gegenüber. Gerade im Bereich Hardcore-Punk wird das Konstrukt „Szene“ gerne dazu benutzt, andere bewusst auszugrenzen. Leider entstehen so immer wieder gewisse Monokulturen, in denen wir uns eher ungern bewegen wollen. Wir pflegen Kontakte zu Bands und Konzertgruppen aus den unterschiedlichsten musikalischen Bereichen. Wir versuchen etwa, uns neuen Stilen nicht zu verschließen, sondern eher von ihnen zu lernen. Respektvoller Umgang miteinander, ohne zuviel Testosteron, ist genau unser Ding. Beide legendären Clubs, die du ansprichst, existieren noch, im Falle des AJZ an anderer Stelle und vielleicht mit anderen Schwerpunkten. Im P-Werk weht jetzt mit neuem Konzertsaal endlich wieder frischer Wind durch die ehemalige Postwerkstatt. Für Ende des Jahres 2011 wurden wir zum „15 Jahre P-Werk“-Festival eingeladen. Oft ist es so, dass alte Zöpfe oder Dreads einfach abgeschnitten werden und man nach anderen Möglichkeiten suchen muss. Das hat nichts mit Stillstand zu tun. Selbst Bands aus unserer Region wie die SPERMBIRDS oder CROWD OF ISOLATED, um nur zwei zu nennen, haben im Laufe ihrer immer noch anhaltenden Karriere seit den Achtzigern sich ständig neu definieren müssen und mehr als nur einmal mit der so genannten Punk-Szene gebrochen. Danke dafür! Die beiden SPERMBIRDS-Alben mit Ken Haus als Sänger sind nicht zuletzt deshalb so unfassbar intensiv. Auch wenn sie heute leider wenig Beachtung finden, sind sie wichtige Dokumente für Hardcore/Crossover aus Deutschland. Ob eine Szene im Saarland existiert, musst du andere fragen. Für uns besteht unser Netzwerk aus befreundeten Bands aus verschiedenen Musikrichtungen und Veranstaltern und Labels, und funktioniert nach wie vor sehr gut. Die Szene kann gerne den Bach runter gehen. Es geht auch ohne.

Apropos Szene und Zerfall der Musik. Euer Label 141 Records scheint dagegen anzukämpfen und scheißt auf all den Pessimismus, den man andauernd in der Medienwelt serviert bekommt. Anders ließe es sich wohl nicht erklären, dass sie sich erst im letzten Jahr gegründet haben. 141 sind aus Hamburg, ihr wohnt im Saarland, wie kam die Verbindung zustande?

141 Records haben wir zum ersten Mal im Zusammenhang mit dem Ox-Review zu „Sanguinity“ von THREE CHORD SOCIETY wahr genommen. Und im Grunde fing alles an mit einer einzigen Mail von Saarbrücken nach Hamburg. Dann lange nichts. Dann folgten unzählige Telefongespräche. Irgendwann ging es nach Hamburg, um Tim und Olli persönlich zu treffen. Wir verstanden uns mit den Jungs auf Anhieb richtig gut und teilten in vielen Dingen die gleichen Interessen. Die Philosophie des Labels und vor allem die Plattensammlung von Tim Strybny. Auch sein THE GET UP KIDS-Poster hat uns überzeugt. Niedere Beweggründe wie etwa Geld spielten hierbei keine Rolle.

Neben euch besiedeln außerdem THREE CHORD SOCIETY und CHÄIRWALK die Labellandschaft von 141 Records. Kennt ihr die Bands und wie ist das Verhältnis zu den anderen Combos?

Bei 141 kennt jeder jeden. Als die Band, die als Letztes dazu kam, sind wir gerade dabei THREE CHORD SOCIETY und CHÄIRWALK kennen und lieben zu lernen. Ganz aktuell herrscht reger Austausch zwischen den Bands bezüglich Booking. Shows werden hin und her geschoben. Erfahrungsaustausch wird groß geschrieben im Hause 141. Bei gemeinsamen „Familienausflügen“ wie in die Rote Flora in Hamburg wird auch gern zusammen getanzt oder auch gebreakdancet und schräg gegenüber zusammen bei „Hin und Veg“ Veganburger gegessen. Tim und Olli spielen übrigens auch zusammen in einer Band und proben direkt neben dem 141-Office.