Darf man sich in ein Album verlieben? Die Antwort lautet ja – zumindest im vorliegenden Fall –, denn nicht nur für den Autor dieser Zeilen ist das Debütalbum von ATTACK IN BLACK eine der Platten des Jahres 2008. Auf ihm vereinigen die Kanadier höchst gekonnt Punkrock, klassischen Rock, Folk und Indiepop, ohne sich dabei in einem Mischmasch aus Stilen zu verlieren. Auch live wussten ATTACK IN BLACK bisher zu überzeugen, etwa auf der Popkomm. im Oktober letzten Jahres, als auch Ox-Chef Joachim von der ihm bis dato unbekannten Band angetan war. Zwei Monate später traf ich mich mit Daniel, Ian und Spencer drei der vier Bandmitglieder vor ihrer Show im Münsteraner Gleis 22.
Euer Album „Marriage“ erhält überall sehr positive Kritiken. Wie überraschend ist das für euch?
Ian: Sehr überraschend. Das habe ich so nicht erwartet. Ihr vielleicht, Jungs?
Spencer: Nein, überhaupt nicht. Wir fühlen uns sehr geschmeichelt. Da dieses positive Feedback für uns quasi aus dem Nichts kommt, ist es fast schon ein Schock.
Das Album ist in meinen Augen das, was man im Englischen als „grower“ bezeichnet: Je öfter man es hört, desto mehr findet man darin und desto mehr gefällt es einem. Ist das eine Einschätzung, die ihr häufiger hört?
Ian: Durchaus. Für uns ist das natürlich schwer zu beurteilen.
Spencer: Wir haben die Songs des Albums unzählige Male gehört. Wir hassen sie deshalb nicht, aber für jemanden, der sie geschrieben hat, ist es schwierig, sich seinen eigenen Output anzuhören. Wenn ich mir aber Alben anderer Bands anhöre und sie wachsen mit jedem Durchlauf, macht dies in der Tat den Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Album aus.
„Marriage“ ist in Kanada im Sommer 2007 erschienen, in Europa aber erst mehr als ein Jahr später. Woran liegt das?
Ian: Das können wir auch nicht sagen. Aber sehen wir es positiv: Wir sind froh, dass es hier überhaupt veröffentlicht wurde.
Spencer: Übrigens, in dem Zusammenhang: Wir haben gerade erst ein neues Album in Deutschland herausgebracht. Es heißt „The Curve Of The Earth“ und ist auf Zeitstrafe erschienen, limitiert auf 500 Exemplare und nur als Vinyl erhältlich.
Das Album heißt „Marriage“. Nun seid ihr erst um die zwanzig und beschäftigt euch vermutlich noch nicht mit dem Thema Heirat. Ist der Titel eine Anspielung auf die verschiedenen Stile, die auf dem Album zusammenkommen, wie in einer guten Beziehung?
Ian: Das kann man so sehen. Der Titel ist bewusst für viele Interpretationen offen, genau wie die Titel der einzelnen Songs. Mit deiner Interpretation liegst du aber sicherlich nicht falsch.
Lasst uns mal über eure Heimat Kanada reden. Wenn man sich etwas genauer mit der Szene beschäftigt, findet man schnell heraus, dass es eine ganze Menge guter kanadischer Bands und Künstler gibt. Wie seht ihr das?
Ian: Die Szene ist fantastisch. Die Anzahl großartiger Bands, mit denen wir bisher aufgetreten sind, ist riesig. Wenn ich die alle aufzählte, würde es eine ganze Weile dauern. Ein paar will ich aber nennen: LADYHAWK – fantastisch; SHOTGUN JIMMIE – fantastisch; STREET LEGAL – fantastisch; MADMEN – großartig; DOG DAY – ohne Worte.
Was viele kanadische Bands nach meiner Einschätzung gemeinsam haben, ist eine gewisse Melancholie in ihren Songs. Außer auf euch trifft das zum Beispiel auf THE CONSTANTINES und THE WEAKERTHANS zu. Liegt das an der Tatsache, dass Kanada ein derart großes und kaltes Land ist?
Daniel: Wahrscheinlich. Alle Bands, die du genannt hast, haben definitiv melancholische Lieder, die auf eine bestimmte Weise Kanada und die Weite des Landes widerspiegeln. Auch unser Song „Northern towns“ ist ein solches Beispiel.
In eurem Band-Info werden verschiedene Einflüsse erwähnt wie Bruce Springsteen, Neil Young und die RAMONES, aber auch Henry Miller und Charles Bukowski. Lest und schreibt ihr gerne über den Akt der Liebe und das Trinken?
Ian: Haha, ich weiß, worauf du hinaus willst. Ich finde beides in der Tat sehr interessant. Allerdings beziehen sich die Einflüsse beider Autoren nicht nur auf das Exzessive, sondern auf menschliche Erfahrungen ganz allgemein.
Ian, zum Schluss muss ich dich noch nach etwas fragen, was mir bereits bei eurem Gig in Berlin aufgefallen ist und jetzt, wo du mir gegenübersitzt, erneut. Du bist dem jungen DeeDee Ramone wie aus dem Gesicht geschnitten. Hörst du das öfter?
Daniel: Das hört er die ganze Zeit.
Ian: Ich werde sehr häufig mit DeeDee Ramone verglichen. Die Ähnlichkeit ist nun einmal nicht von der Hand zu weisen. Ich liebe die RAMONES. Ich liebe DeeDee und vermisse ihn und wünschte, er wäre noch unter uns. Ich werde mich bemühen, seine Tradition fortzuführen, obwohl mir natürlich klar ist, dass ich das, was DeeDee der Welt gegeben habt, nie erreichen werde. Aber ich versuch’s.
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