Die Ostseestadt hat viele bekannte Musiker:innen zu bieten: CRUSHING CASPARS, WAVING THE GUNS, Pyranja, Testo (ZUGEZOGEN MASKULIN), Pöbel MC und nicht zuletzt FEINE SAHNE FISCHFILET sowie Marteria. Was die Hansestadt ausmacht, wieso politisches Bewusstsein die lokale Musikszene prägt und wie das ARROW MINDS beeinflusste, erklärt uns Sänger Jay.
Politische Auseinandersetzung als musikalische DNA
Jay zeichnet das Bild einer aktiven Stadt: „Die Neunziger Jahre in Rostock, geprägt von dem rassistischen Anschlag 1992 auf das Sonnenblumenhaus, waren eine Zeit des politischen Aufarbeitens. Wir waren oft auf Demonstrationen.“ Er könne sich an keine Phase seiner Jugend erinnern, in der eine unmittelbare politische Auseinandersetzung keine Rolle gespielt habe. Auch die angesprochenen Musiker:innen spiegelten diese Erfahrungen wider. Dies gelte auch für ARROW MINDS: „In der Zeit haben uns Bands gefesselt, bei denen die Texte genauso von Bedeutung waren wie die Musik.“ Ihre Lieder dienten als „ein Kanal für eine gesellschaftspolitische Auseinandersetzung, persönlichen Frust und diejenigen, die ähnlich empfinden.“ Jeder Song habe eine Chance und Verantwortung, dass die Musik einen Inhalt transportieren müsse, schildert Jay die Haltung seiner Band. Es überrascht nicht, dass die Texte auf „Worrier“, ihrem neuen Album, große gesellschaftspolitische Diskurse behandeln, „von der Black Lives Matter- und Fridays for Future-Bewegung bis hin zum gesellschaftlichen Kitt der letzten Jahre, Verschwörungserzählungen und Rechtspopulismus“. Diese Themen verbindet die „große Sorge, dass wir der jungen Generation zu viel aufgebürdet haben. Dass alle politischen Brände nicht mehr zu löschen sind.“ In Zusammenarbeit mit dem Künstler Miguel Sandoval haben ARROW MINDS versucht, diese Befürchtungen im Coverartwork auszudrücken.
Entwicklung
Woran erkennt man die größte musikalische Entwicklung im Vergleich zu „Alcatraz Affairs“, dem letzten Album? „Wir sind unmittelbarer geworden und haben versucht, an Eingängigkeit und Hitcharakter zu arbeiten, dadurch auch Pop-Einflüsse zuzulassen und dies effektiver mit harter Musik zu kombinieren. Das haben wir bei der ersten Platte nicht so geschafft.“ Man habe außerdem versucht, die Songs besser auf den Punkt zu bringen und sich von Ideen zu trennen, die „es letztlich nicht braucht, um die Energie hoch zu halten“. Diese Energie sei auch wieder mehr in Rostock spürbar, wo „laut, klar und positiv etwas in der linkspolitischen Szene“ passiere. Es gebe junge Leute, die anfangen, die Subkultur zu stärken. Jay verweist auf das M.A.U. und das Peter-Weiss-Haus in der Innenstadt. „Hier sind Leute am Werk, die die Chance haben, die Stadt für junge Menschen attraktiv zu machen.“ Um selbst einen Funken in der lokalen Szene zu streuen, habe man für ein zukünftiges Musikvideo mit einem Rostocker Drehbuchautor kooperiert. „Auch in der hiesigen Filmszene wächst eine neue Generation nach“, erklärt Jay. Einen Ausgangspunkt für diese aufflammende Dynamik sei die Erfahrung, die alle subkulturell Engagierten in den letzten Dekaden gesammelt haben. „Mittlerweile wissen wir, was wir wollen, und haben Netzwerke etabliert. Davon können wir gerade zehren. Wir wissen, wie viel Leidenschaft es dafür gebraucht hat, und wie viel es bedarf, um das nicht wieder gehen zu lassen.“ Dies gelte, natürlich, nicht nur für Musik oder Kunst: „Es ist unglaublich wichtig, dass das Linkspolitische attraktiv und engagiert bleibt. Auch für die jungen Kids, die nachkommen.“
© by Fuze - Ausgabe #93 April/Mai 2022 und Marcus Buhl
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