Als gute Band immer wieder interessante Platten zu veröffentlichen und dabei auch noch innovativ zu sein, schafft nicht jeder. Richtig schwierig wird es aber erst, wenn du dich selbst als Künstler siehst und deine Ansprüche stetig wachsen. Wie gut, dass Conrad Keely und Jason Reece sich mit ... AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD ihre eigene Welt geschaffen haben, und es ihnen unterm Strich egal ist, was andere über sie denken. Dass dabei mal wieder mit „Tao Of The Dead“ ein fantastisches Album herausgekommen ist, dürfte eigentlich niemanden verwundern. Und da Conrad generell nicht gerne über seine Band spricht, dreht sich in diesem Interview vieles um die Personen hinter einer Band, die früher dafür bekannt war, jede Bühne als Schlachtfeld zurückzulassen. Die Musik scheint erwachsener geworden zu sein, wie sieht es mit den Menschen dahinter aus?
... AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD gibt es nun schon seit 16 Jahren, und eigentlich besteht die Band doch nur aus dir und Jason. Kannst du dich noch an die Zeit erinnern, als ihr angefangen habt, zusammen Musik zu machen?
Jason und ich kennen uns schon seit der Highschool. Wir beide haben uns 1987 auf Hawaii kennen gelernt, weil wir in der gleichen Straße wohnten. Wir haben uns angefreundet und er brachte Punkrock in mein Leben. Ich konnte ihn im Gegenzug für Prog-Rock begeistern und so lernten wir, uns gut zu ergänzen.
Konntet ihr euch diese Freundschaft bis jetzt bewahren oder lebt ihr in einer Geschäftsbeziehung, in der ihr euch nur trefft, um Musik zu machen und Songs zu schreiben? Ihr werdet ja schließlich nicht mehr in der gleichen Straße wohnen.
Nein, das tun wir nicht mehr. In den letzten 16 Jahren sind wir uns streckenweise auch immer ähnlicher geworden. Natürlich ergänzen sich unsere persönlichen Einflüsse immer noch, wenn es um Musik geht. Aber selbstverständlich entwickelt man auch eine enge Bindung zu Weggefährten, die einen über einen so langen Zeitraum begleiten. Du kennst doch sicherlich das Spiel, wo sich Paare Rücken an Rücken einem Moderator stellen müssen, der sie über die Eigenschaften des anderen ausfragt. Dieses „Wie gut kennst du deinen Partner“-Ding. Den Großteil der Fragen werde ich sicherlich richtig beantworten können. Andersrum sähe das wahrscheinlich genauso aus. Aber du kennst sicherlich auch unser Verhältnis zu kreativen Antworten auf langweilige Fragen. Bei dem Spiel, käme bestimmt viel Witziges ans Tageslicht.
Ist diese enge Verbindung auch die Ursache dafür, dass ... AYWKUBTTOD im Kern immer nur aus euch beiden bestand und ihr das restliche Line-up ständig ändert?
Wir haben sicherlich eine Menge Musiker ausprobiert und eigentlich wäre es auch in unserem Sinne, eine gewisse Konstanz in die Band zu bringen. Nur wollen wir – und jetzt meine ich Jason und mich – uns auch ständig weiterentwickeln. Natürlich ist die Verbindung zwischen uns beiden stärker als die zwischen mir und einem neuen Bandmitglied. Wenn jemand bei ... AYWKUBTTOD Songs geschrieben hat, dann waren das von Anfang an entweder Jason oder ich. Das hat sich irgendwie einfach entwickelt.
Braucht ihr vielleicht regelmäßig frischen Input von außerhalb in Form wechselnder Bandmitglieder, damit ihr ständig neue Ideen entwickeln könnt?
Nein, das mit dem ständigen Wechsel passiert einfach. Die Menschen sind einfach verschieden. Selbst bei manchen Musikern stellt sich nach einiger Zeit heraus, dass Musikmachen für sie doch nicht das Allergrößte ist und ihnen andere Sachen wichtiger sind.
Das klingt irgendwie so, als ob ihr eure Ex-Mitglieder vergraulen würdet.
Das kann man so nicht sagen. Jason und ich sind unterm Strich nun mal die Einzigen, die so hinter der Sache stehen, dass wir bereit sind, alles und noch mehr dafür zu tun. Für manch anderen kann ... TRAIL OF DEAD logischerweise auch gar nicht diese Bedeutung haben. Schließlich kommt er nur hinzu und kann seinen Teil dazu betragen. Manchmal beschränkt sich das dann nur auf das reine Musikmachen und auf das Befolgen unserer Instruktionen. Wir sind sicherlich keine Tyrannen, aber wir wissen durchaus, was wir wollen.
Pflegt ihr einen engeren Kontakt zu Leuten außerhalb der Band, von denen ihr euch im Bezug auf ... AYWKUBTTOD beeinflussen lasst?
Nein, natürlich nicht.
Also nutzt ihr auch das Internet nicht, um euch ständig bei euren Fans ins Gedächtnis zu rufen?
Wir benutzen das Internet – Twitter zum Beispiel – sicherlich nicht, um die Leute, die an der Band interessiert sind, ständig mit irgendwelchen unwichtigen Dingen zu nerven, wie: „Hey Leute, heute ist mir beim Spielen eine Seite gerissen. Ich musste die Gitarre neu stimmen.“ Wer findet solche Sachen nicht schrecklich langweilig? Wenn wir etwas veröffentlichen, sind die Inhalte meist komplett erfunden und witzig. Ich persönlich nutze das Internet eigentlich nur, um über meine Kunst zu sprechen. Denn ich rede nicht gerne über meine Band, weil ich finde, dass das die langweiligste Sache der Welt ist.
Na, das sind ja fantastische Voraussetzungen für ein Interview.
Ich spreche lieber über den kreativen Prozess und die Dinge, die mich inspirieren. Vieles von dem, was wir in unserer Musik verarbeiten, basiert auf Sachen, die in unserem näheren Umfeld passieren, und dem, was in der Welt gerade so abgeht. Wir sehen uns auch mehr als eine Art Weltbürger, statt als Texaner oder Amerikaner. Manchmal interessieren mich auch Dinge, die in Übersee passieren, viel mehr als die, die hier in Amerika stattfinden. Für uns alle ist die Gegenwart die spannendste Zeit in unserem Leben. Ehrlich gesagt, könnten mich auch andere Bands kaum weniger interessieren. Was mich viel mehr interessiert, sind Wale ... Die wichtigste Sache auf der Welt ist der Respekt voreinander und Verständnis für unsere Natur.
Wieso seid ihr dann in euren Songs, in den Texten nicht direkter? Warum adressiert ihr nicht eure Botschaften an bestimmte Leute und verpackt sie stattdessen in meist kryptische Lyrics?
Also ich finde die gar nicht so verschlüsselt. Aber man muss verstehen, dass ich mich beim Schreiben der Texte als Poet sehe und nicht als Politiker. Schließlich schreibe ich keine Reden oder wissenschaftliche Arbeiten. Ich bin Dichter, also schreibe ich Gedichte. In Gedichten geht es, wenn man es genau nimmt, darum, Bilder zu erschaffen, und nicht, den Leuten zu sagen, was sie zu denken haben, oder zu erklären, worum es in dem Song geht. Es ist wie Malen mit Worten.
Aber stellt es sich nicht als sehr schwierig heraus, eine manchmal sogar politische Meinung in ein Gedicht zu verpacken und dennoch Zugang zu den Leuten zu bekommen?
Uns liegt nichts daran, irgendjemandem etwas zu vermitteln. Es geht vielmehr darum, dass wir verarbeiten, was gerade abgeht. So wird man sich der Sache viel bewusster. Ich will auch niemanden dazu zwingen, mir zuzuhören. Es geht hier um Kunst. Als Poet musst du einfach wissen, was in der Welt gerade los ist.
Das sollte doch jeder irgendwie versuchen.
Ja, aber als Schriftsteller setzt du dich einfach mehr mit deiner Umwelt auseinander. Dir werden Dinge bewusst, die anderen nicht mal auffallen. Danach musst du es schaffen, die Leute das durchmachen zu lassen oder das sehen zu lassen, was dich beschäftigt hat. Du bist quasi ein Medium.
Kannst du dir den Drang erklären, der bei dir dazu führt, dass du überhaupt etwas veröffentlichst?
Ganz einfach: weil ich ein Künstler bin. Ich bin nicht die Art Künstler, der seine Kunst in seinem Schrank versteckt, wenn sie fertig ist. Es ist wichtig, dass bestimmte Künstler etwas ausdrücken, das sie von den anderen abhebt. Ständig ist so viel Kunst um dich herum und du wirst mit so vielen Eindrücken überladen. Nimm zum Beispiel Rock-Musik: Es gibt so viele Bands, die wirklich keine Aussage haben. Die schreiben über ihre Schwänze oder irgendeine Romanze. Solche Leute vergessen, dass es wirklich wichtige Themen gibt, die es wert sind, dass man über sie spricht. Deshalb kommt es darauf an, dass dich jemand fesseln kann und deine Aufmerksamkeit für eine gewisse Zeit auf spezielle Inhalte lenkt. Das muss nicht zwingend Politik sein.
Wie gehst du mit den Reaktionen auf deine Kunst um?
Sie zeigen mir, dass ich nicht allein auf der Welt bin. Aber ich orientiere mich nicht an dem, was da erzählt wird. Oder macht man erfolgreiche Musik so? Indem man die Songs, die den Leuten gefallen, immer wieder schreibt? Ich weiß es nicht.
Du bist dafür bekannt, dass du neben der Musik auch Maler bist. Wie siehst du in diesem Fall die Interaktion mit deinem Publikum?
Wenn ich irgendwo Bilder ausstelle, laufe ich ab und zu herum und beantworte Fragen dazu, was sie bedeuten. In diesem Fall ist der Interpretationsspielraum auch eingeschränkter. Ich male kein Bild, mit dem ich etwas anprangern will. Ich male Situationen und Dinge, die mich beschäftigen. Dabei erkläre ich nicht, warum ich die Sachen male, aber immerhin was sie bedeuten. Ich muss auch sagen, dass ich mit dem, was ich male, zufrieden bin. Ich probiere ständig neue Sachen aus. Zur Zeit male ich mit einer Art Wasserfarbe. Nur basiert die ganze Technik nicht auf Wasser, sondern einer Art Alkohol. Ein manchmal sehr inspirierender Faktor.
Was können die Leute von eurer kommenden Tour erwarten? Ein bombastisches Feuerwerk vielleicht?
Das Feuerwerk findet in unserer Musik statt. Bei uns spielt das Visuelle keine so große Rolle. Es geht mehr um den Sound. Wir zerstören auch unsere Instrumente nicht mehr. Das Einzige, was wir brechen, sind Herzen.
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