AMPHETAMEANIES

Glasgow, 13th Note Club & 2Tone-Unity

Eine der derzeit interessantesten Neo-2-Tone-Newcomer sind die schottischen AMPHETAMEANIES. Der bunte zehnköpfige Haufen, bestehend aus MusikerInnen, unter anderem von Bands wie EX-CATHEDRA und BELLE & SEBASTIAN, lässt schon erahnen, dass hier die verschiedensten Leute, aus verschiedensten musikalischen Genres und (Sub-)Kulturen gemeinsame Sache machen, die live im visuellen Sinne verwirrender nicht sein könnte. In Deutschland erschien die Vinylversion des Debütalbums "Right Line in Nylons" auf Rat Race Records, manchem vielleicht auch noch bekannt unter der Bezeichnung Puffotter Platten. Ersten zufälligen Kontakt knüpfte ich mit Marc von RRR bei einem Wochenendaufenthalt in Berlin und so freute ich mich um so mehr, die AMPHETAMEANIES während ihrer Wochenendshow in Deutschland beim "This Is Ska"-Festival in Rosslau nach ihrem Set zu treffen, um einen sehr amüsanten Chat mit Bassist Gordon Davidson, Gitarrist Alex Huntley und Tastenfrau Helen Lloyd zu führen.

In welchem Zustand befindet ihr euch momentan? Ich habe über euch gelesen, dass ihr am liebsten betrunken seid...


Gordon: Ich habe das Interview gelesen und stimme manchen Dingen darin zu. Ein Funken Wahrheit steckt schon dahinter...
Stan: Erzähl´ doch keine Scheiße. Du bist doch voll!

Sänger Stan machte jetzt schon nicht mehr den nüchternsten Eindruck, lallte noch irgend etwas in mir unverständlichem schottischen Slang und setzte sich abseits. Er muss wohl noch einiges an Alkoholika zu sich genommen haben, da die Band samt Tourbegleitung Marc fürchteten, er dürfe am frühen Morgen des darauffolgenden Tages seines Zustands wegen den Flieger nach Schottland nicht besteigen.

Gordon: Okay, wir trinken gerne, oft und viel.

Erzähl doch mal von Glasgow und seiner Musikszene.

Gordon: In Glasgow existiert eine gute Ska- und eine größere Punkszene, die etwa 500 Leute umfassen und die regelmäßig auf Konzerten anzutreffen sind. Die meisten jungen Leute hören jedoch Techno. Dementsprechend gering sind die Chancen, anderen Sound in den Nachtclubs zu hören. Eine positive Sache gibt es aber: Der 13th Note Club ist der einzige Liveclub in Glasgow, in dem nicht für die Anlage bezahlt werden muss. Jeder kann hier spielen, ob Rock, Hardcore oder elektronische Beats. Unser Gitarrist Steve arbeitet als Security und Helen manchmal an der Bar. Neben den beiden sind noch andere Freunde von mir im Club tätig, so dass ich eigentlich nur ins 13th Note gehe, um mich billig zu betrinken. Also, wenn ihr mal in Glasgow sein solltet, besucht das 13th Note. Übrigens bietet der Club hervorragendes vegetarisches Essen an!

THE AMPHETAMEANIES bestehen aus zehn Leuten unterschiedlichster Charaktere und Einstellungen, wie mir scheint. Wie kam´s zu dieser Konstellation?


Gordon: Nenn´s Schicksal! Es ist einfach passiert. Wir genießen es, zusammen zu sein, auch wenn oder gerade weil wir so unterschiedliche Menschen sind. THE AMPHETMEANIES sind nicht nur eine Band, uns verbindet nicht nur die Musik, sondern wir sind echte Freunde. Kennen gelernt haben wir uns in der Schule, durch frühere Bandaktivitäten oder anderen gemeinsamen Interessen.

Einige von euch sind noch in anderen Bands aktiv. Sind die AMPHETAMEANIES deshalb mehr ein Neben- und Spaßprojekt oder durchaus eine ernst zu nehmende Band?

Alex: Selbstverständlich sind wir eine ernst zunehmende Band! Es gab in Glasgow keine Band bei der man richtig Abtanzen und Spaß haben konnte. Wenn ich´s mir so überlege gibt es in Glasgow wirklich eine Menge beschissener Bands! Aber klar, wir sind eine ernst zunehmende Band, die Spaß an der Sache hat.
Gordon: Ernsthaften Spaß...!

Trotzdem spielt ihr selten einen Gig in kompletter Besetzung?

Gordon: Heute ist Lindsey, unsere Posaunistin nicht mit dabei, da sie letzte Woche ein neues Haus bezog, so dass ihr derzeit sowohl das Geld als auch die Zeit für Auftritte fehlen.

Und wie schafft ihr es zu proben und Songs zu schreiben?

Gordon: Irgendwie, verbunden jedoch mit einigen Hindernissen!
Helen: Wir proben auch nicht sehr oft!
Gordon: Einmal wöchentlich. Die Zahl der Beteiligten schwankt zwischen sechs und neun Leuten. Mal haben wir einen Proberaum zur Verfügung, mal treffen wir uns bei irgend jemanden in der Wohnung, trinken Wein, rauchen... Viele Songs stammen aus der Feder von Alex, unserem Gitarristen, und Mick, unserem Trompeter. Es entwickeln sich auch einige Ideen erst durch das Zusammenwirken der kompletten Band.

Und wie arbeitet ihr, wenn ihr ins Studio geht, was in der Regel ja doch mindestens einige Tage dauert, oder spielt ihr die Songs live ein?

Gordon: Nein! Für zehn Leute sind die Räumlichkeiten der Tonstudios, die wir uns in Glasgow leisten können, viel zu klein. Erst spielen wir Schlagzeug, Bass und Gitarre gemeinsam ein, dann Keyboards, Bläser und den Gesang nacheinander. Wir reißen dann immer Witze über den- oder diejenige(n), wenn mal wieder ein Take in die Hose ging und dieser noch einmal eingespielt werden muss. Im Studio haben wir nur Unsinn im Kopf! Helen zeigt Stan beispielsweise ihre Brüste...!
Helen: Was?! Nein, nein, nein...!

Es kamen noch mehrere Stories von Alex ähnlichen Kalibers, unter anderem, dass die Penise der schottischen Männer zwei Inches länger sein sollen als die der deutschen Männer, bezeugt durch deutsche Touristinnen. Der Rest ging im allgemeinen Gelächter unter...

Die Vinylversion eures Debüt "Right Lines in Nylons" erschien auf dem deutschen Label Rat Race Records. Wie ergab sich diese Zusammenarbeit mit Marc?

Gordon:
Marc studierte in Schottland und besuchte unsere Gigs. Irgendwann stellte er sich uns vor: "Hallo, ich bin Marc aus Deutschland!" Wir daraufhin: "So, so!". Marc: "Ich mache ein Label!". Wir: "So?!". Marc: "Ich will eure Platten in Deutschland veröffentlichen!". Wir:"Aha! O.k.!!".
Helen: Er ist mittlerweile ein echter Freund von uns geworden. Wir sind ihm wirklich sehr dankbar für all das, was er uns ermöglicht hat!
Gordon: Ein großartiger Kerl, der sehr engagiert arbeitet!

"Right Lines In Nylons" ist aber genauer betrachtet eine Single-Compilation. Wann wird es ein Album mit komplett neuem Material geben?

Gordon: Wir werden wohl erst mal wieder einige Songs für die eine oder andere Single aufnehmen, die Marc vielleicht auch veröffentlichen wird. Mal sehen, wieviel Geld wir in den nächsten Monaten einspielen können. Vielleicht wird es dann auch ein weiteres Album im kommenden Jahr geben, denn die Aufnahmen für "Right Lines In Nylons" kosteten uns...
Alex: ...20 Pence...(Und wieder prustete der ganze Tisch!)
Gordon: 2.500 Pfund. Ansonsten planen wir nur wenige Monate voraus. In Holland haben wir die ARGIES, eine argentinische Band im Stil von THE CLASH kennen gelernt, die drei Monate durch Europa touren. Ich könnte das nicht. Wenn ich zu viel rauche und trinke, muss ich mich davon eine Woche lang erholen! Zudem haben wir ja alle feste Jobs.

Was deinen Job betrifft bist du deshalb auch kein Vegetarier, oder?

Gordon: Ich bin Journalist bei einer Zeitung für Landwirtschaft. Mein Arbeitsvertrag besagt, dass ich verpflichtet bin, Fleisch zu essen. Kein Fleisch zu essen, wäre ein Kündigungsgrund!

Außerdem hast du dein eigenes Label "Flotsam & Jetsam" gegründet, auf dem ausschließlich Singles veröffentlicht werden.

Gordon: Richtig. Ich begann vor etwa fünf Jahren in Glasgow mit der Philosophie, ein Forum für jegliche Art von Underground Music anzubieten. Ein Label also mit unterschiedlichstem verrückten Zeugs. Im Laufe der Zeit wurde alles etwas poppiger und ska-lastiger. Auf eine Band möchte ich besonders hinweisen: THE NEWTONE GRUNTS, musikalisch irgendwo zwischen POGUES und RANCID, Seelenverwandte aus Edinburgh, das gerade mal 50 Kilometer von Glasgow entfernt ist, so dass wir gelegentlich auch gemeinsam auftreten.

Auf eurer Internetseite steht unter anderem folgendes Statement, dass eure Musik nicht nur für, ich zitiere: "schizoid skapunks and skankin´ skinheads" sei, wenngleich sich ja doch viele davon im Publikum tummeln. Welche Einstellung bringt ihr diesen Leuten gegenüber?

Gordon: Wir freuen uns darüber, dass wir Anlass genug sind, dass beide Kulturen sich etwas mehr annähern. Trotzdem soll zu unserer Musik jeder Zugang finden können. Es gibt in Schottland auch Skabands, die verstärkt Klassiker von BAD MANNERS oder THE SPECIALS covern und explizit nur Skinheads ansprechen wollen. So ein Schubladendenken mögen wir aber nicht.

Was ist in euren Augen wichtig, wenn sich heute junge Leute der Punk- oder Skinheadbewegung anschließen?

Gordon: Wichtig ist, dass du Abstammung, Beweggründe und Geschichte verstanden hast. Leute, die Punk hören, sollten auch Ska mögen. Ska entwickelte sich in Jamaika aus einer Stimmung der Rebellion heraus, um eine erfreulichere Lebenseinstellung zu entwickeln. Punk entstand aus dem selben Motiv: Lebe so, damit du selbst daran Gefallen findest!
Alex: Genau die Musik, die heute immer noch begeistert. Ich finde es sehr erfrischend, wenn neue Leute dazu stoßen. In Schottland treffen wir auf immer mehr Skatepunks in unserem Publikum. Skinheads distanzieren sich geschlossen versammelt auf der anderen Seite des Saals.
Gordon: Skinheads sollten endlich verstehen, dass es unsinnig ist, sich von Punks zu distanzieren. Das Wichtigste ist doch, Stärke durch Gemeinschaft zu beweisen und zu zeigen!

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, wie ich meine. Danke für das Interview.