ALPINIST

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Wie Prinz Hagemann in der Metthöhle

Als alter verbitterter Fanzine-Schreiber neige auch ich manchmal zu der Ansicht, dass niemand außer mir selbst so richtig Ahnung von guter Musik hat. Besonders verächtlich wird dabei der Nachwuchs betrachtet, der ja sowieso nur aus trendfixierten Metalcore-Kids mit dämlichen Emofrisuren besteht. Aber zum Glück laufen einem in regelmäßigen Abständen dann doch immer wieder blutjunge Bands über den Weg, die einen auf den Boden der Tatsachen zurückholen. In meinem Fall waren das zuletzt die großartigen ALPINIST aus Münster. Vier Typen Anfang 20, die mit ihrer kürzlich erschienenen LP „Minus.Mensch“ ein beeindruckendes Stück nihilistischen Hardcore-Punks vorgelegt haben, das sich hinter alten Portland-Crust-Recken wie FROM ASHES RISE, TRAGEDY oder HIS HERO IS GONE keineswegs zu verstecken braucht. Und weil Julian (Gesang, Gitarre), Benny (Bass, Gesang), Flo (Gitarre, Gesang) und Hendrik (Schlagzeug) neben der Band auch noch in Münsters Do-It-Yourself-Szene äußerst aktiv sind, gab es einiges zu bereden.

Ihr seid alle noch ziemlich jung, wie ging es denn los mit ALPINIST?

Hendrik: Nach turbulenter Anfangsphase und ersten grottenschlechten Demoaufnahmen haben wir uns für ein gefühltes Jahr im Proberaum eingeschlossen und Songs geschrieben. Als Resultat kam im November 2007 unser Demotape raus, woraufhin es auch mit Shows gut losging. Anfang 2008 kam noch eine 12“-Split mit FINISTERRE aus Köln raus und diesen Februar haben wir in der Tonmeisterei in Oldenburg unsere erste LP aufgenommen.

Das Album ist ein Co-Release von drei Labels, wie kam es zu der Kollaboration? Konnte oder wollte das nicht ein Label alleine machen?

Hendrik: Es ist uns ziemlich wichtig, nur Leute dabei zu haben, die wir persönlich kennen und schätzen. D.I.Y halt ... Fest mit an Bord war von Anfang an eigentlich nur Phobiact Records und Alerta Antifascista. Dann gab es ein paar Probleme bei der Finanzierung der neuen Platte, wodurch wir noch Contraszt! Records dazu geholt haben. Dahinter steckt Philipp von FINISTERRE, also auch kein Unbekannter für uns.

In meinem Review zur Platte habe ich eventuell ein wenig häufig den Namen FROM ASHES RISE erwähnt, nerven euch solche Vergleiche eigentlich?

Flo: Vergleiche sind nie schlecht, außer mit AS I LAY DYING, wie das mal in Schweinfurt passiert ist. Wir machen die Mucke, auf die wir Bock haben, und wenn man am Ende raushört, dass wir keine plumpe Kopie sind, ist das klasse.

Benny: Abgesehen von der Stimmaufteilung gehen wir in meinen Augen auch in eine andere Richtung. Obwohl es für mich persönlich sehr schwierig ist, unsere eigene Musik einzuschätzen oder in irgendwelche Genres einzuordnen.

Was euch von amerikanischen Bands abhebt, sind ja auch die deutschen Texte. Gibt es einen bestimmten Grund für euch, lieber auf Deutsch statt auf Englisch zu singen?

Julian: Die deutsche Sprache klingt ziemlich hart, das passt also zur Musik und zu den Themen, die wir anschneiden. Gewisse Metaphern oder Strukturen fallen mir natürlich auch zuerst auf Deutsch ein. Die schreibe ich mir auf und irgendwann wird ein Text daraus. Ich hätte auch keine Lust darauf, meine Gedanken krampfhaft ins Englische zu pressen. Da hätte ich zu viel Angst, dass es nachher zu förmlich oder eben verkrampft klingt.

Benny: Auf Englisch klingt man meiner Meinung nach immer relativ schnell plakativ und stumpf, wenn man kein Muttersprachler ist.

Eure Texte sind sehr lesenswert, worum geht es bei ALPINIST, abgesehen von der Musik?

Julian: In erster Linie sind ALPINIST vier Menschen, die zusammen Musik machen und gerne Spaß zusammen haben. Uns ist es aber auf jeden Fall sehr wichtig, was sagen zu wollen oder was zu sagen zu haben. Und Musik halte ich da für ein sehr gutes Medium. Trotzdem würde ich die Band nicht als explizit politisch bezeichnen. Wir versuchen aber, unsere Umwelt bewusst wahrzunehmen, und eben das spiegelt sich in unseren Texten wider. Das ist halt eine Art Selbstreflektion auf das Leben, das wir gerade führen. Und deshalb fehlt mir da auch der Missionierungsauftrag anderen Individuen gegenüber. Zwar leben wir vegan oder vegetarisch, trotzdem habe ich einfach keinen Bock, mit dem Finger auf Leute zu zeigen, die Fleisch essen oder Ähnliches. Es ist ein wünschenswerter Nebeneffekt, wenn Menschen etwas mit meinen Texten anfangen können oder – noch besser – ich ihnen einen Denkanstoß geben kann.

Benny: Ich versuche in meinen Texten schon, meinen politischen Standpunkt mit einzubringen. Wir verstehen uns als Antifaschisten und freuen uns über jedes selbstverwaltete Zentrum und/oder besetztes Haus, in dem was anderes als der typische Standard-Alltagsscheiß passiert und alternative Möglichkeiten geschaffen werden. Aber das ist nicht alles, was uns textlich und inhaltlich ausmacht, da spielen viel mehr Themen eine Rolle.

Ihr spielt ja auch relativ viel live, was gibt es für Anekdoten zu erzählen?

Julian: Auf keinen Fall unerwähnt bleiben darf das legendäre Konzert in Fulda mit NERVOUS BREAKDOWN, TOXIC NATION und MASS//STRANGULATION. Angeblich sollen 15 Leute 13 Kästen Bier getrunken und danach wild und teilweise nackt auf Billardtischen getanzt haben. Unter anderem war ein 40-jähriger Englandpunk dabei, der auch „Punk“ auf seinem Schlingel tätowiert hatte! Auf dem anschließenden Weg in die Stadt wurden ein paar von uns fast von einem kaputten Fascho aus einem Fenster heraus erschossen. Wir sind dann allerdings heil in irgendeiner Kneipe gelandet, wo kurz darauf zwei Typen wegen uns die Bullen gerufen haben. Die beiden wurden dann allerdings wegen unseres äußerst bewundernswerten Verhandlungsgeschicks selbst mitgenommen, haha.

In Münster seid ihr ja auch in der D.I.Y.-Punk-/Hardcore-Szene sehr aktiv. Erzählt doch mal ein bisschen, was es zum Beispiel mit „ND12“ auf sich hat.

Hendrik: Seit dort keine Konzerte mehr in der Baracke möglich waren, haben wir mit ein paar Freunden die Konzertgruppe „ND12“ gegründet. Jetzt finden regelmäßig Konzerte bei uns im Proberaum statt. Langsam hat es sich auch rumgesprochen, so dass nicht mehr nur die anfänglichen drei Gäste kommen. Ich meine auch, dass es den Leuten gefällt. Der Laden ist echt gemütlich, höchstens 100 Leute passen rein, es gibt oft tolles veganes Essen für kleines Geld und das Bier kostet auch so gut wie nichts.

Julian: Für uns ist es in erster Linie auch angenehm, die Möglichkeit zu haben, Bands, die man auf Tour lieb gewonnen hat, zu sich einzuladen und sich noch mal wieder zu sehen. Es kommt leider viel zu oft vor, dass man sich gut versteht, aber dann den Kontakt verliert. Über die Konzerte versuchen wir den Kontakt beizubehalten und helfen den Bands damit auch gerne aus.[/b]