ALIAS CAYLON

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Alles Keulen?

„Das gab es doch schon mal!“ So oder so ähnlich fangen diverse unqualifizierte Rezensionen, diverser unqualifizierter so called Kritiker zur Platte „Resorbing Everything“ auf Redfield Records von ALIAS CAYLON aus Flensburg an. Doch bedenkt man mal, dass unser aller Thomas Gottschalk unlängst mit einer riesengroßen Galavorstellung „50 Jahre Rock’n’Roll“ feierte, dann bleibt nur die eine Frage: Wo soll da noch der Spielraum für eine junge Band dieser Tage sein? Ja, jetzt aber mal fleißig überlegen, Punk! Dabei ist es ganz einfach. „Das Rad nicht neu erfinden, aber es verdammt gut drehen“, so sagt es der Waschzettel, das Infoschreiben, das der CD beiliegt. Bedingt richtig. Ich sage: Ihr könnt Kelly Slater das Surfbrett klauen, Freunde der gerittenen Welle, aber stehen und rocken müsst ihr so einen richtigen Brecher schon selbst. Dies wiederum ist das Problem vieler junger Bands. Nicht aber das von ALIAS CAYLON. Die haben nämlich dem lieben Gott himself sein Brett geklaut, es liebevoll umlackiert, sich eine Frisur fernab des Vorbesitzers geföhnt und sich mit einem stylish lackierten Hubschrauber im nächsten Tsunami abwerfen lassen ... Oder ist Clint Eastwood etwa nur ein billiger Abklatsch von John Wayne? Na also, ihr Lutscher! Maul halten und Interview lesen ... Im Biergarten des Sonic Ballroom zu Köln „schnackte“ ich mit der gesamten Belegschaft von ALIAS CAYLON inklusive Luxus-Roadie Stefan und genoss die offene Art der vier Jungs und das kalte Becks-Stage-Bier, das die Küche uns feilbot ...

Stichwort „Auswärtsspiel“, als Flensburger Band?

Thays:
„Joh, ist eben immer ein bisschen weiter zu fahren ... Sicherlich ein Grund, warum man als No-Name-Kapelle eher seltener gebucht wird.“

Ist man dann zu Hause eher der „Local Hero“, da man sowieso überwiegend nur da spielt?

Fiede: „Wenn wir bei uns in der Nähe spielen, ist eigentlich schon immer gut was los.“
Thays: „Aber man versucht sich da natürlich schon etwas ‚rar‘ zu machen. Eine Zeitlang haben wir fast regelmäßig jedes halbe Jahr im Volxbad, Flensburg gespielt, aber das geht auf Dauer nicht gut. Stichwort Dorfprominenz, die nicht rauskommt eben.“

Das hat sich ja dank des Redfield-Deals ein klein wenig geändert, ihr seid ja sogar auf dem neuen Promo-Sampler von eurem Vertrieb, Cargo Records drauf. Das ist doch schon eine gewisse Ehrerbietung einer jungen Band gegenüber ...

Thays: „Echt jetzt? Ach ja, Ehrerbietung ... Das Ding ist, unser Special Agent Stefan hier, der kennt da jemanden bei Cargo, wie das eben so ist, bei der ganzen D.I.Y.-Sache ... Man kennt einen, der einen kennt, der mal besoffen auf einem Konzert war und das alles gar nicht so schlecht fand ... Hihi ... Oh, Ted Leo ist da auch drauf? Geile Platte, die der da rausgehauen hat! Da stimmt alles, von den Songs über den Sound bis hin zur Aufmachung!“

Bei euch etwa nicht?

Thays: „Doch, doch, bei uns ist das auch alles voll super, total genauso!“

Wie alt seid ihr eigentlich? Wo zur Schule gegangen? Warum abgebrochen?

Thays: „Alle so grooob um die 30.“
Rainer: „Ich hab jetzt demnächst Gesellenprüfung.“

Jetzt erst?

Rainer:
„Ist schon die zweite, Holzbildhauerei.“

Der Norden ist ja sehr aktiv, was Musik angeht. Was habt ihr denn vorher in der Richtung gemacht, wo habt ihr eure Bühnenerfahrung gesammelt?

Thays:
„Das ist richtig, da geht was an der Küste ... Rainer und ich machen jetzt schon seit zehn Jahren zusammen Musik. Vorher waren wir zusammen bei den BAD HABITS, die kennt vielleicht der eine oder andere noch. Skateboardpunk. Wir hatten lange Zeit einen Deal mit Lost & Found, das war eine Jugendsünde. Nicht die Band, aber dieser Deal eben. Aber da möchte ich auch nicht weiter drauf eingehen, das gehört sich nicht. Lassen wir die Vergangenheit ruhen.“
Fiede: „Ja, Fin und ich machen ebenso seit ungefähr zehn Jahren zusammen Musik. Ich hab Thays dann irgendwann kennen gelernt und wir merkten schnell, dass wir ähnliche Platten im Schrank haben. Wir haben dann viel Musik getauscht und irgendwann hat man sich gemeinsam im Proberaum wieder gefunden, das war dann die Geburtsstunde von ALIAS CAYLON.“

Warum hat es so lange gedauert, bis das Album, das uns jetzt vorliegt im Kasten war?

Fiede: „Angefangen, das Album aufzunehmen, haben wir bereits 2003. Das hat sich dann bis Ende letzten Jahres hingezogen. Es gab immer noch irgendwas zu verbessern. Wir wollten, dass es genau so ist, wie wir es haben wollen. Keine Kompromisse machen. So was dauert ... Und dann war es so, dass wir gerne mit dem Album hausieren gehen wollten, um ein Label zu finden und dazu sollte es eben richtig gut sein, in unserem Sinne.“
Thays: „Also wir haben vorher und auch während der letzten Jahre schon Demos verschickt und die Resonanz, die kam, war meistens so etwas wie, dass es wohl gefiel, aber alle meinten, man solle sich mal wieder melden, sobald ein komplettes Album am Start ist. Da haben wir uns gesagt: Okay, mit Album im Rücken wird das schon klappen, aber dann muss es eben auch genau DAS Album sein, dass wir uns vorgestellt haben. Das dauerte dann eben seine Zeit, genau wie Fiede
sagt.“

Welche Labels hatten denn noch Interesse? Kam da viel Resonanz?

Thays: „Was heißt viel ... Hier und da kam schon positives Feedback, aber zum größten Teil zu lasch. Keiner ging richtig auf uns zu. Defiance waren wohl recht interessiert, aber das hat sich dann auch irgendwann verlaufen. Vitaminepillen hatten Bock, die Platte zu machen und wir haben auch mal auf einem Festival von denen gespielt. Die CREETINS aus Kiel sind Kumpels von uns, über die kam dieser Kontakt zustande. Die sind sehr glücklich mit dem Label und die Leutchen dort sind sehr sehr nett, aber irgendwie passte das nicht so recht.“
Fiede: „Das ist zum größten Teil eine komplett andere Klientel, wenn man das so sagen darf. Da sollte man schon ein wenig drauf achten, dass man sich, bei aller Harmonie im Zwischenmenschlichen, nicht völlig deplatziert. Wir hätten da nicht so recht ins Gesamtbild gepasst.“

Ihr als Emo-Band ...

Thays:
„Haha. Genau. Ich weiß, was du sagen willst. Wir haben es irgendwann auch als Emo deklariert, was wir da machen, da du ja immer eine Floskel brauchst, um auf die Frage nach dem eigenen Stil zu antworten und mit dem Etikett passen wir ja auch gut ins Redfield-Programm. Allerdings liest man oft in Rezensionen was von Post-Punk oder auch Indierock. Das find ich auch ganz gut.“

Postpunkiger Emo-Indierock ... Schubladen gibt’s bei IKEA, oder bei OBI ... Aber stimmt schon. Dafür sind eure Songs auch einfach zu komplex arrangiert und stilistisch ist da zuviel Breite drin, als dass eines all dieser dummen Wörter ausreichen würde, den Sound zu umschreiben.

Thays:
„Ja. Danke auch, aber das ist letztendlich der undankbare Job des Fanziners und des Musikjournalisten, sich lustige Namen für einen auszudenken. Wir lesen das dann einfach und dann wissen wir, was wir für eine Musik machen, haha.“

Kanntet ihr den Kai von Redfield denn vorher schon?

Thays:
„Nicht wirklich. Wir haben mal gegeneinander gekickert, als er mit seiner damaligen Band THAT VERY TIME I SAW in Flensburg war. Aber erkannt hat er mich erst wieder, als er meine Freundin gesehen hat, haha. Wir mussten dann wirklich irgendwann so richtig vorspielen. Also wir hatten ein Konzert in Bad Oeynhausen, Kai kam sich das angucken und hat danach erst endgültig entschieden, ob er uns denn auch haben will. Scheinbar waren wir ganz gut an dem Abend.“

Habt ihr eine gewisse Lieblingsklientel als Publikum? Kommen irgendwelche klischeehaften Leute, die Aufschluss über euch und eure musikalische Orientierung geben könnten?

Fiede:
„Ich freu mich immer, wenn ... wenn so Leute kommen. Also, so Leute halt ... Also möglichst viele Leute, die sind am besten!“
Thays: „Jung, reich und leichtsinnig!“

Ich meinte mehr so ...

Fiede:
„Hehe, ist schon klar. Also das lässt sich nicht so genau festmachen. Wir hatten schon Zwölfjährige mit Umhänge-Geldbeuteln, aber auch schon 50-jährige mit Bärten und MOTÖRHEAD-Shirts, die das, was wir machen, geil fanden ...“
Thays: „Zu Hause kommen sowieso immer die gleichen Fressen auf die Shows und auswärts haben wir eigentlich bisher noch kein Klischee-Emo-Publikum, falls du das meinst. Aber eben auch. Buntgemischt halt.“
Fiede: „Also ein paar Songs findet auch sogar mein Vater ganz gut.“

Aber alles in allem seid ihr zufrieden, ich merk das schon ... Auch damit wie alles läuft, wie sich alles entwickelt?

Thays:
„Ja, ganz großartig. Ich meine, wir haben gerade unser Debüt raus, haben ein supernettes, von der Größenordnung her überschaubares Label, das sich um uns kümmert und viel für uns tut, Reviews und Interviews wie dieses in Fanzines und anderen Musikzeitschriften, sogar einen Vertrieb ... Jetzt müssen wir halt zusehen, dass wir mehr, als für Flensburger Bands üblich, rauskommen und spielen, ein paar Festivals, optimalerweise eine Supporttour und dann sehen, wie es weitergeht. Einen Schritt nach dem anderen, aber zur Zeit können wir uns überhaupt nicht beschweren, alles ganz wunderbar!“
JörKK