AGGRESSIVE PUNK PRODUKTIONEN

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Neue Labels braucht das Land

Seit diesem Jahr gibt es ein neues Label, das es wissen will und mit Bands wie VENEREA, KOTZREIZ, RAWSIDE und MISSBRAUCH eine klare Richtung einschlägt. Ich stellte Labelboss Matze ein paar Fragen zum Woher und Wohin.

Matze, neben deinem langjährigen Label Concrete Jungle gibt es jetzt auch Aggressive Punk Produktionen und Feral Media. Wer steckt dahinter – man hört du und Tobbe von People Like You – und warum so viele neue Namen?

An sich betreibe ich alle diese Firmen alleine. Tobbe steht mir mit seiner jahrelangen Erfahrung nur beratend zur Seite. F&M Feral Media ist die Produktions- und Verlagsfirma, unter der alle Labels laufen, also sozusagen die Dachfirma, unter der das Handling, der Vertrieb, die Produktion, das Verlagswesen, die Promotion etc. abgewickelt werden. Mit Concrete Jungle Records hatte ich zwar schon ein Punk-Label, das ich auch seit einigen Jahren komplett alleine führe, aber da wurden hauptsächlich nur englischsprachige und vom Stil her recht unterschiedliche Alben produziert. So kam eben die Idee, ein neues Projekt mit einem schärferen Profil zu starten, und genau das wird Aggressive Punk Produktionen werden. Wenn Leute eine AGP-Scheibe vor sich haben, sollen sie auch gleich wissen, was da auf sie zukommt.

AGP nimmt vom Namen her Bezug auf das zwar legendäre, aber was seine Geschäftspraktiken anbelangt, dubiose Achtziger-Label Aggressive Rockproduktionen/AGR – und auch Weird System hast du als Vorbild schon genannt. Kannst du die Vorbildaspekte mal erläutern, und was ist dein Plan mit AGP?

Es ist doch so, dass über die letzten Jahre – eigentlich schon Jahrzehnte – Deutschpunk für viele zum Schimpfwort mutiert ist. Und die Frage ist doch ganz einfach: Wieso? Sicherlich sind die Geschäftspraktiken von AGR nicht unser Vorbild, aber viele von den Platten, die sie produziert haben, sind Klassiker. Und nicht nur, weil sie vor Jahrzehnten rauskamen, sondern weil sie größtenteils auch einfach sehr gut sind – sowohl die Musik als auch das Artwork. Das hat in meinen Augen wenig mit dem Schrott zu tun, der die letzten Jahre produziert wurde: Von jeder langweiligen Band, die halbwegs ihre Instrumente halten kann, wurden Platten mit beschissener Musik und mit noch beschisseneren Plattencovern produziert und dann als Deutschpunk verkauft. Die Platten von AGR und Weird System strahlen hingegen einfach etwas aus, was kein A&R-Mann planen kann. Und genau das wollen wir auch wieder versuchen, auf den Tisch zu bringen: Deutschpunk-Alben, die bei niemandem Fremdscham auslösen, sondern Spaß machen und einen mitreißen können. Und eines möchte ich noch kurz klarstellen, weil man mir das bei einem vorherigen Interview zum Vorwurf gemacht hat, nämlich dass Punk doch nichts mit guten Musikern zu tun hätte. Es geht nicht darum, ob jemand Musik studiert hat oder er es sich selbst beibringt. Es geht auch nicht darum, ob jemand ein 5.000-Euro-Studioalbum produziert oder mit einer alten Acht-Spur-Bandmaschine aufnimmt. Es geht darum, dass die Musik etwas rüberbringt. THE OBLIVIANS’ „The Best Of The Worst“ – falls die hier jemand kennt – ist so ein Beispiel. Das Album hätte ich auch veröffentlicht, auch wenn es sich anhört, als wäre es mit einem Kassettendeck aufgenommen worden. Aber die Scheibe hat eben das gewisse Etwas, das dich mitreißt!

Alle Labels, auch etablierte, jammern über zurückgehende Umsätze und miserable Verkaufszahlen. Wie kommt man da auf die Idee, dass die Welt ein neues Label braucht, und was unterscheidet AGP von allen anderen?

Das fragen mich die Leute ständig. Keine Ahnung. Drogen, Halluzinationen, Übermut ... ich weiß es echt nicht. Ich mag einfach die Labelarbeit. Was aber natürlich nicht schlechte Verkaufszahlen beschönigen kann. Und man wird erst noch sehen, wie sich das neue Label entwickelt. Erzwingen kann man eh nichts, nur gute Arbeit abliefern, die dann hoffentlich auch geschätzt wird. AGP wird sich in dem Punkt unterscheiden, dass wir viel Liebe in die Scheiben und ins Detail stecken werden und auch den sowieso schon überfluteten Markt nicht noch mehr überschwemmen wollen. Ich möchte erreichen, dass sich die Leute auf ein neues AGP-Album freuen und nicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sich denken „Oh, nicht noch eine Scheibe!“ Ich denke beziehungsweise bin mir ziemlich sicher, dass die Flut an Neuveröffentlichung die Hauptursache für die schlechten Verkaufszahlen ist. Wir sind alle überfordert und satt und dadurch in einer Art Lethargie. Die Kunst wird sein, wenige, aber gute Akzente zu setzen, um die Leute überhaupt wieder für das „Produkt“ Musiktonträger gewinnen zu können.

Was sind die bisherigen Releases, wie waren die Reaktionen darauf, und was werden die nächsten Streiche sein?

Da das Label ja noch recht frisch ist, gibt es auch noch nicht so viel Output. Im Mai dieses Jahres sind wir mit dem Sampler „Aggropunk Vol. 1“ gestartet und der ist recht gut angekommen. Wenn man bedenkt, dass dieses Label ganz neu und bis dato total unbekannt war, und Sampler im Allgemeinen bei weitem nicht mehr den Status wie noch vor zehn Jahren genießen, kann man mit den Reaktionen und der Verbreitung schon recht zufrieden sein. Auch wenn wir natürlich noch einen langen Weg vor uns haben. Die erste Band-Veröffentlichung war im August das Debütalbum von KOTZREIZ, die mit der Platte „Du machst die Stadt kaputt!“ eine echte Perle des Deutschpunks geschrieben haben – was nicht nur wir so sehen. Das Ding ist bei den Kids beliebter, als ich es mir erträumt hatte – und das zu Recht, wie ich finde. Jetzt gerade erschienen, ist das neue RAWSIDE-Album und in Planung sind auch noch einige sehr gute Scheiben, wie zum Beispiel das neue FAHNENFLUCHT-Album oder eine Live-DVD inklusive Best-Of von POPPERKLOPPER.