Die 2013 gegründete fünfköpfige schwedische Band A PROJECTION, die 2015 ihr Debütalbum „Exit“ veröffentlichte hat sich mit dem Nachfolger „Framework“ noch ein ganzes Stück gesteigert und drückt bei mir all die richtigen Knöpfe, passt perfekt in mein von JOY DIVISION, NEW ORDER, TUBEWAY ARMY, THE CHAMELEONS und CLAN OF XYMOX geprägtes Beuteschema. Neu ist daran im Grunde nichts, A PROJECTION haben aber sorgsam studiert, was bei jenen Bands wie funktionierte, und haben einen Frontmann, der fast exakt so intoniert wie einst Ian Curtis.
Ihr seid viel zu jung, um JOY DIVISION je live gesehen zu haben. Obwohl deren Musik aus einer anderen Zeit stammt, bedeutet sie euch offensichtlich eine Menge. Könnt ihr beschreiben, wann ihr sie das erste Mal gehört hast und welche Gefühle sie ausgelöst hat?
Rikard: Wir sind alle zu jung, um sie gesehen zu haben, aber sie haben mich mein Leben lang begleitet, ich habe sie schon als kleiner Teenie gehört. Das wirklich allererste Mal war, als mein Vater mir „Atmosphere“ vorspielte. Ich war zehn Jahre alt und er wollte mir erklären, welche Art von Musik diese Leute anhören, die wir auf einem kostenlosen Outdoor-Konzert gesehen hatten und die komplett schwarz gekleidet waren. Ich erinnere mich an ein Gefühl der Gefahr und Demütigung. Die Musik fühlte sich so alt an und der Sänger klang wie aus einer weit entfernten Welt. Als ein Freund mir JOY DIVISION ein paar Jahre später vorspielte, wechselte mein Empfinden schnell von Faszination zu Verlorenheit. Lieder wie „She’s lost control“ und „24 hours“ vermittelten zusammen mit dem nüchternen Artwork von Peter Saville sowohl extreme Coolness wie extreme Tiefe. Zum Beispiel „Decades“ zu hören, war wie eine neue und größere Welt zu betreten, welche sich echter anfühlte als die reale Welt, oder zumindest würdevoller.
Und wie kam es zu der Entscheidung, eure eigene Musik teilweiseauf diesem ganz speziellen Sound aufzubauen?
Rikard: Wir hatten niemals vor, so zu klingen wie JOY DIVISION. Als wir anfingen, wollten wir eine richtige Post-Punk-Band sein, aber ansonsten ist jede Ähnlichkeit mit JOY DIVISION rein zufällig oder kommt vielleicht auch daher, dass jedenfalls ein paar von uns, sie so oft gehört haben.
Ich bin kein Musiker, also erklär mir bitte, was es braucht, um diesen ganz eigenen dunklen Klang zu rekonstruieren? Effekte, Instrumente, Mikrofone?
Mattias: Wir benutzen, jedenfalls teilweise, die gleichen Instrumente wie gewisse Punk- und Post-Punk-Ikonen: Fender P-Bass, Gibson Thunderbird, Fender Jaguar, Gibson Les Paul, Moog Minimoog und Roland Jupiter. Effektmaschinen und viel Echo helfen auch. Da ist natürlich auch der Mix mit viel Volumen bei Drums und Bass, während der restliche Sound mehr Mitten hat. Und dazu kommen noch die Beats und Melodien.
Was ist die besondere A PROJECTION-Zutat zu diesem Stil, den zuvor schon so viele Bands gespielt haben?
Isak: Ich denke, jede Band ist in ihrem Umfeld einzigartig, auch wenn sie ein bestimmtes Genre bedient. Wir haben es nicht wirklich darauf angelegt, einzigartig zu klingen, da das ohnehin unausweichlich ist. Wir sind eine ziemlich neue Band und noch dabei uns zu entwickeln. Vielleicht entsteht der spezifische A PROJECTION-Sound ja auch erst.
Auf welche anderen Bands könnt ihr euch einigen?
Linus: Wir hören alle möglichen Musikrichtungen, aber die, die wir alle mögen, sind JOY DIVISION, CURE, DEPECHE MODE, CLASH und Iggy Pop, STOOGES.
Euer Artwork, die Fotos von euch, alles ist schwarzweiß.
Jesper: Mit den Schwarzweißfotos wollen wir in erster Linie eine Atmosphäre erzeugen, die unsere Musik unterstreicht.
Ist wirklich alles so schwarz und weiß? Ist das nicht ein Privileg der Jüngeren, alles so zu sehen, und wenn man mal älter wird, nimmt man auch mehr ... „shades of grey“ wahr.
Rikard: Hier hast du Poesie und Philosophie aber hübsch in einer Frage vereint. Ich würde sagen, grundsätzlich ist nichts im Leben nur schwarz oder weiß. Und das ist es auch, was das Leben so schwierig – und aufregend – macht: nicht immer auseinanderhalten zu können, was richtig oder falsch ist.
Ihr schreibt: „ A PROJECTION wurden 2013 gegründet in einem Akt der Verzweiflung: Während die Bandmitglieder auf erfolgreiche Karrieren blicken und sich ein bequemes Leben leisten konnten, war eine tiefe Leere in ihnen gewachsen. Sie sehnten sich tief in in ihrem Herzen nach Musik, Kunst und dem aufregenden Lebensgefühl einer pulsierenden Stadt. “ Was hat es damit auf sich?
Rikard: Ich habe als IT-Berater gearbeitet mit einem regelmäßigen und netten Einkommen. Ich saß in einem wirklich großartigen Büro mit vielen angenehmen Kollegen. Aber dann fühlte ich mich wie eine „empty shell“, um aus einem noch nicht veröffentlichtem Song zu zitieren. Ich konnte meine Rechnungen bezahlen und war abgesichert, aber der Job fraß auch meine ganze Zeit auf, so dass keine übrig war für das, was meine Seele wirklich brauchte: Kunst, insbesondere Musik, und die Möglichkeit, etwas von dem weiterzugeben, was mir meine Vorbilder mit der Musik offenbart haben. Also kündigte ich meinen IT-Job und fing als Schaffner an, für den halben Lohn. Viele Freunde und Verwandte dachten, ich wäre verrückt, aber ich bin froh, das so gemacht zu haben, weil damit unser erstes Album überhaupt erst möglich wurde.
Angeblich habt ihr das Album bewusst bei extremem Schlafmangel aufgenommen. Kannst du beschreiben, wie du darauf kamst und was das für eine Erfahrung war? Ich vermute, die Fähigkeit sich zu konzentrieren nimmt stark ab, denn nicht ohne Grund gilt Schlafentzug als Foltermethode.
Rikard: Richtiger Schlafmangel ist Folter. Aber wenig Schlaf kann ein Segen sein. Du bekommst viel mehr Sachen auf die Reihe und kannst in eine Art Flow geraten, der dich effizienter macht, fast wie ein Roboter. Du neigst dazu, alles Überflüssige über Bord zu werfen und direkt zum Punkt zu kommen. Das hat seine Spuren in der Musik hinterlassen.
Gibt es eine Goth/Deathrock-Szene in Stockholm oder seht ihr euch eher als ein Teil einer internationalen Szene?
Rikard: Bei uns in Schweden sind derzeit so einige Bands im diesem Genre unterwegs, unter anderem DISKOTEKET, AGENT SIDE GRINDER, THEN COMES SILENCE, HEMGRAVEN, THE EXPLODING BOY, PRINCIPE VALIENTE ... Aber die Post-Punk-Szene ist natürlich international und wir fühlen uns selbst eher dieser breiteren Bewegung zugehörig.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #130 Februar/März 2017 und Joachim Hiller
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