40 Jahre später: HÜSKER DÜ

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Zen Arcade (LP, SST Records, 1984)

Ein Konzept-Doppel-Album im Punk-Hardcore-Bereich? Keine Angst, eine Pink-Floydisierung oder Rolle rückwärts in Richtung der damals geächteten Dinosaurier-Stadion-Bands findet keineswegs statt. Dafür wird ein Poltergeist diverser Stilrichtungen und gleichzeitig eine genre-prägende Scheibe auf die Menschheit der 1980er Jahre losgelassen. Die teilweise leicht skizzenhafte und manchmal etwas episch anmutende Geschichte um einen jungen Mann, der aus dem Elternhaus flieht, um seinen Platz in einer schwierigen und komplizierten Welt zu suchen, passt natürlich prima ins Punk-Genre. Die Texte sind teilweise schwer zu verstehen, was an Aufnahme und Gesang liegt. Sie lassen sich inzwischen online finden. Musikalisch wird es breit gefächert: neben Punk und HC gibt’s psychedelischen Rock, Folk, Klaviersolos und Jazz-Elemente. Das Ganze wird gewürzt durch Bob Mould – der auf diesem Album deutlich angepisster klingt als sein Gesangs-Gegenspieler und damaliger Lebenspartner Grant Hart –, der sweete Pop-Melodien („Pink turns to blue“) aus dem Ärmel zaubert. Gleichzeitig erreicht die eh schon exorbitante Schnelligkeit der Band einen neuen Höhepunkt. Darf es ein Folk-Song sein? Ein rückwärts gespielter Track? Instrumentaler Noise-Krawall ... oder ein kratzbürstiges Hare-Krishna-Lied? Es hätte sein können, dass Fans von der zweiten HÜSKER DÜ-Scheibe überfordert sind. Kam aber super an. Dazu eine flotte Aufnahme und Produktion (viele Songs nur ein Take, in drei Tagen alles im Kasten). Ideenvielfalt, Einzigartigkeit und der Quantensprung mit der Reichweite einer fitten Heuschrecke von „Zen Arcade“ wurden gelobt und geliebt. Selten gab es Kritik an der überbordenden Vielzahl musikalischer Stilrichtungen, aber das passt gut zu der Adoleszenz-Story: welche verläuft schon geradlinig und einfach? Diese jedenfalls nicht: Identitätskrise, Drogen, unglückliche Liebe ... die ganze Palette. „Zen Arcade“ entdeckte ich erst zwanzig Jahre nach seiner Entstehung. Aber für Teenage-Angst ist es (fast) nie zu spät. Dabei ist „Zen Arcade“ vielleicht „nur“ das zweitbeste Album von HÜSKER DÜ. Aber der Hebel in Richtung Innovation wurde mit „Zen Arcade“ umgelegt. Nicht nur für diese Band, sondern für mehrere Generationen von Musikern. Etliche Bands wie NIRVANA beziehen sich auf HÜSKER DÜ und besonders auf „Zen Arcade“, was vielen den Mut bereitete, neue und etwas waghalisgere Wege einzuschlagen. HÜSKER DÜ haben gezeigt, dass ein bisschen Risiko nicht nur die künstlerische Seite und Integrität fördert, sondern – wenn gewünscht – auch ein gewisser kommerzieller Erfolg damit einhergehen kann. Es muss trotzdem nicht alles nach Teen Spirit riechen.